Fondsmanager aus Leidenschaft

6. März 2019

Er gehört zu den führenden Fondsmanagern Deutschlands: Über 36 Jahre hinweg hat sich Klaus Kaldemorgen einen Ruf als versierter Finanzspezialist erarbeitet. In den 1970ern studierte er Volkswirtschaftslehre an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Daran erinnert er sich gut: Er hat viel mitgenommen aus dieser Zeit und kommt gern immer wieder zu Besuch an seine Alma Mater.

"Ich habe mich schon immer dafür interessiert, wie das mit dem Geld funktioniert", erzählt Klaus Kaldemorgen. "Wie Geld entsteht oder warum Dinge teurer werden: Diese Fragen faszinierten mich früh." Sie führten ihn als jungen Mann an die JGU. Er kam nach Mainz, um VWL zu studieren.

Kaldemorgen wohnte in Rüsselsheim, da lag es nahe, sich zwischen Frankfurt am Main und der Stadt am Rhein zu entscheiden. "In Frankfurt war die Universität über die Stadt verteilt, alles schien so zersplittert, das gefiel mir nicht. Die JGU ist eine Campus-Universität, alles liegt beisammen. Der Umgang der Studierenden ist eng, man trifft ständig Freunde und Bekannte, man tauscht sich aus. Diese Atmosphäre mochte ich sehr."

Adam Smith und der Kapitalismus

Bis zum Vordiplom zog er sein Studium konsequent durch. "Ich war sehr organisiert und spürte den Druck. Danach, muss ich gestehen, kam erst mal so ein Durchsacker. Ich wollte ins Ausland, die Welt bereisen. Im zweiten Teil hat es mir dann richtig Spaß gemacht. Die Themen haben mich mehr interessiert. Ich habe immer noch das Gefühl, ich zehre von dem, was ich damals gelernt habe, auch wenn das Studium sicher entschieden weniger praxisorientiert war als heute. Wir beschäftigten uns noch ausführlicher mit den großen Theoretikern, mit Adam Smith zum Beispiel. Wenn man ihn liest, begreift man, warum Kapitalismus nützlich ist."

Die Erinnerung an einige der Professoren ist lebendig geblieben. "Bei Kurt Schmidt schrieb ich eine Seminararbeit darüber, warum Korruption für eine Volkswirtschaft schädlich ist. Das war damals eine Herausforderung. Schmidt gehörte zu den Wirtschaftsweisen, und er hatte eine sehr pragmatische Art. Er sagte zu uns: Es ist egal, was ihr macht, seht nur zu, dass ihr unter den Top Ten seid."

Das ist Kaldemorgen ohne Zweifel gelungen. In der Finanzbranche hat er es bis ganz nach oben geschafft. Er gehört zu den bekanntesten und erfolgreichsten Fondsmanagern Deutschlands, sein Investmentfonds Deutsche Concept Kaldemorgen ist rund 7 Milliarden Euro schwer. Doch das erwähnt der 65-Jährige eher nebenbei, wenn überhaupt. Er stellt sich nicht gern ins Rampenlicht, das überlässt er anderen.

Nach dem Studienabschluss kam Kaldemorgen zur DWS Investment GmbH. "Als ich dort 1982 anfing, gab es gerade mal 50 Mitarbeiter, mittlerweile ist die DWS börsennotiert und zählt zu den größten Vermögensverwaltern der Welt. So ein kleines Unternehmen bietet einem enorme Chancen im Aufschwung. Der Chef hat einen selbst eingestellt, man hat jeden Tag mit ihm zu tun und wird überall eingebunden. Deswegen war nie das Bedürfnis da, den Arbeitgeber zu wechseln. Ich brauchte mich nicht zu verändern, weil sich das Unternehmen ständig veränderte."

Die Welt der Investoren

Kaldemorgen war erst als Rentenfonds-, dann als Aktienfonds-Manager tätig. Seine Erfolge mit dem DWS Vermögensbildungsfonds I machten ihm im Lauf der 90er Jahre bekannt. 2003 stieg er in die Geschäftsführung der DWS auf, drei Jahre später wurde er deren Sprecher.

Von den Veränderungen der Finanzwelt im Lauf der letzten 36 Jahre weiß der gebürtige Essener einiges zu erzählen: Mal fällt ihm Anekdotisches, mal Grundsätzliches ein. "Als ich gerade mal drei, vier Wochen bei der Arbeit war, stieg der Dow Jones auf über 1.000 Punkte. Das war ein großes Ereignis. Heute liegt der Aktienindex bei rund 25.000 Punkten. "Die Anforderungen an Finanzmanager haben konstant zugenommen. Am Anfang wusste ich nicht viel über Hintergründe, und meine Risikoeinschätzungen waren schon manchmal etwas hemdsärmelig."

Was Kaldemorgen vor allem spürt, ist die Verantwortung gegenüber seinen Anlegerinnen und Anlegern. "Ich habe mir immer große Mühe gegeben, möglichst einfach zu erklären, was ich mache. Ich denke, wenn Kunden Geld in meinen Fonds investieren, muss ich ihnen nahebringen, was damit passiert. Sie müssen die Möglichkeit haben, sich zu identifizieren."

Heute schaut er auf eine unglaubliche Vielfalt an deutschen und internationalen Fonds. "Die Welt ist größer geworden für Investoren. Zum einen, weil es mehr Akteure gibt: China etwa gab es zu meiner Anfangszeit noch gar nicht als Wirtschaftsmacht. Zum anderen, weil technischer Fortschritt und Globalisierung mehr Möglichkeiten eröffnen. Aber uns als Finanzmanagern stehen auch viel mehr Instrumente zur Verfügung." Kaldemorgen hält kurz inne, dann sagt er mit Bedacht: "Ich glaube, man geht heute viel bewusster mit den Risiken um."

Spaß am Fondsmanagement

Der Fondsmanager ist sich durchaus bewusst, dass gerade die Deutschen ein zwiespältiges Verhältnis zu Aktien haben. "Wir wollen immer etwas Verlässliches. Wir vertrauen zum Beispiel unserem Rentensystem. Viele Amerikaner sichern über Aktien ihre Altersvorsorge. Das ist uns suspekt. Um es mal ganz einfach darzulegen: Ich denke, es ist falsch, überhaupt nicht in Aktien zu investieren, aber es ist auch nicht richtig, sein gesamtes Vermögen in Aktien zu investieren."

2011 zog sich Kaldemorgen aus der DWS-Chefetage zurück, um sich voll und ganz seiner Leidenschaft, dem Fondsmanagement, zu widmen. Er legte noch im selben Jahr den Investmentfonds Deutsche Concept Kaldemorgen auf. "Man kann nicht alles machen. Entweder man führt ein Geschäft oder man legt das Geld anderer Menschen an, was eine große Aufgabe ist. Ich fragte mich: Wo liegen deine Begabungen? Und ich kam zu dem Ergebnis, dass sie eben nicht darin liegen, ein Riesenunternehmen zu leiten. Mir hat das Fondsmanagement immer großen Spaß gemacht."

Der 65-Jährige lässt keinen Zweifel daran, dass er sein Geschäft noch eine ganze Weile betreiben will. "Schauen Sie zum Beispiel Warren Buffett an, der ist schon sehr deutlich über 80. Wenn man seine Sache einigermaßen ordentlich macht, kann man in diesem Beruf alt werden."

"Ich mag Mainz"

Kaldemorgen hütet sich, im Gespräch Tipps zu geben rund um Aktien und Anlagen, aber er ist gern bereit, von seinen Erfahrungen zu erzählen, wenn er gefragt wird. So war er unter anderem eingeladen, beim traditionellen Kamingespräch des renommierten Executive MBA-Programms der JGU zu jungen Führungskräften zu sprechen.

"Das habe ich sehr gern getan", sagt er. "Ich fühle mich überhaupt der Universität verbunden. Hier hat meine Frau studiert, hier studieren meine Töchter Wirtschaftswissenschaften. Über die beiden bekomme ich auch einen Eindruck, was sich inzwischen geändert hat: Die junge Generation scheint mir pragmatischer. Sie lernt das, was konkret angewendet wird. Meine Töchter wissen zum Beispiel mehr über internationale Ökonomie als ich, sie wissen besser, wie man bilanziert oder wie Marketing funktioniert."

Dafür kennt sich Kaldemorgen wohl besser mit Adam Smiths aus. Vielleicht weiß er auch mehr über den Einfluss von Korruption auf eine Volkswirtschaft. "Ja, ich zehre immer noch von meinem Studium", wiederholt der 65-Jährige zum Schluss, "und ich mag Mainz, ich komme gern zu Besuch."