Ein Warhol unterm Hammer

8. Februar 2013

56 Studierende luden zur großen Versteigerung ins Institut für Kunstgeschichte der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Ihre fiktiven Auktionshäuser Phoenix und Galla boten Werke von Otto Dix und Salvador Dalí, von Andy Warhol und George Grosz zum Verkauf – und an die sechs Millionen Euro bot das Publikum. Ein Riesenerfolg, auch wenn das Geld nicht wirklich floss.

Dr. Benno Lehmann gibt Interviews vor laufenden Kameras: "Ja, wir sind sehr zufrieden mit unserem Umsatz. 40 Prozent davon bleiben schließlich bei den Auktionshäusern. Sie können erfolgreich weiterarbeiten." Der Kunsthistoriker und Diplom-Kaufmann bleibt in seiner Rolle. Die Simulation soll so authentisch wie möglich sein.

"Wir kommen zum Prachtstück unserer Versteigerung", kündigt Auktionatorin Jennifer Keck an. Mit der Nummer 054 präsentiert das Auktionshaus Phoenix GmbH Andy Warhols "Friedrich der Grosse". "Unsere Telefonleitungen nach Amerika stehen", erklärt Keck hinter ihrem Pult, den Hammer in der Linken. "Aber es wäre doch schön, wenn der Andy nicht nach Amerika ginge."

1.700.000 Euro für den Preußenkönig

Studierende sitzen im Publikum, dazu einige Künstler aus der Region, deren Werke zum Verkauf stehen, und ein paar Neugierige haben sich ebenfalls eingefunden. Die Kunstwerke sind lediglich auf Fotos als Teil einer PowerPoint-Präsentation zu sehen. Das entspricht der gängigen Praxis.

Nun bieten die Kunden und strecken Karten mit Nummern in die Höhe. Es beginnt bei 700.000 Euro und geht schnell steil nach oben. Bald ist die Million erreicht. "Da gehen die studentischen Ersparnisse dahin", kommentiert Keck. "1.200.000 ... 1.300.000 ..." Letztendlich erzielt Warhols Preußenkönig ein stolze Summe. "1.700.000 Euro zum Ersten, 1.700.000 Euro zum Zweiten, der Warhol geht für 1.700.000 Euro an die Bieternummer ..." Der Käufer bleibt anonym, klar.

Diese Auktion ist eine Inszenierung von 56 Studierenden, die an Dr. Benno Lehmanns Projektseminar "Einführung in den Kunstmarkt – Internationale und nationale Auktionshäuser als Intermediäre am Kunstmarkt" teilnehmen. Die Studierenden der Kunstgeschichte hatten alles selbst in der Hand: Sie kümmerten sich um die Akquise der Kunstwerke, auch wenn die nicht wirklich unter den Hammer kamen. Sie produzierten zwei Kataloge, kümmerten sich um die Gestaltung, ums Layout. Sogar eine Pressestelle und eine Rechtsabteilung richteten die Studierenden ein.

Kunstmarkt ist selten ein Thema

"Wir haben das Projekt ganz der Realität entsprechend konzipiert", so Lehmann. Ihm ist es ein großes Anliegen, seine Studierenden an diese Sphäre heranzuführen. "Der Kunstmarkt wird in der Kunstgeschichte gern vernachlässigt, weil er sich mit der Seite des Gelds beschäftigt – und viele Professoren meiden diese Seite wie der Teufel das Weihwasser.“ Lehmann ist derzeit der einzige, der ausführlich zu diesem Thema lehrt.

Dabei sei es so wichtig. "Der Kunstmarkt ist sehr viel älter als die Kunstgeschichte. Er hat um die 3.000 Jahre auf dem Buckel, die Kunstgeschichte 200, vielleicht 250 Jahre.“ Geld und Kunst gehören schon lange zusammen. "Und die Zukunft liegt bei den Auktionshäusern." Sie sind die Global Player, sie beeinflussen immer stärker die Preise und den Markt. Aber auch als Arbeitgeber für Kunsthistoriker spielen sie eine nicht zu verachtende Rolle. Grund genug also, die Studierenden damit bekannt zu machen. "Sie könnten nach diesem Seminar sofort in einem Auktionshaus arbeiten", verspricht Lehmann.

"Wir sind wirklich zu den Künstlern in die Ateliers gegangen, um über eine Auswahl aus ihren Werken zu sprechen", erzählt Natascha Gross. Sie war neben der Akquise auch für die Pressearbeit verantwortlich. Es durften nur Kunstwerke ausgewählt werden, die momentan nicht in Museen ausgestellt sind. Am besten Werke, die demnächst tatsächlich versteigert werden sollen – wie der Warhol.

Von der Akquise bis zum Kleingedruckten

Die Akquise war nur ein Schritt. In den beiden Katalogen der Auktionshäuser Galla und Phoenix steckt viel Arbeit, Flyer und Plakate mussten produziert werden. Daneben gab es die rechtliche Seite zu klären. In den Katalogen schlägt sie sich als Kleingedrucktes nieder. "Das begann schon mit der Rechtsform der GmbH“, erzählt Nadine Nitsche. "Wir mussten außerdem die Versteigerungsbedingungen und die Auftragsbedingungen festlegen. Man muss sich gegen alles absichern. Ein kleiner Fehler kann viel Geld kosten."

Dr. Benno Lehmann stand als Ratgeber zur Seite. Der Kunsthistoriker und Diplom-Kaufmann studierte einst Jura und Betriebswirtschaftslehre. Er konnte also fächerübergreifend Beistand leisten. "Er hat seine Erfahrungen ins Seminar eingebracht und uns viele Tipps gegeben", so Auktionatorin Jennifer Keck. "Aber er hat uns auch viele Möglichkeiten zur Entfaltung gelassen."

Für die Studentin ist das Seminar etwas Außergewöhnliches. "Das ist das erste Mal, dass ich so praxisorientiert arbeiten kann. So etwas passiert meines Erachtens viel zu selten. Wir erfahren hier mehr als in jeder Übung. Das kann später für den Job wichtig sein. Ich habe hier so viel gelernt wie sonst in drei Semestern." Als Auktionatorin blieb ihr übrigens schon mal die Stimme weg. "Das haben wir gerade mal 20 Minuten geprobt, es ist anstrengend."

Auf die Auktion folgt die Gerichtsverhandlung

Lehmann ist überzeugt: "Die reine Theorie reicht nicht. Die Mechanismen des Kunstmarkts müssen den jungen Leuten nahegebracht werden und so geht das am besten."

Es ist ihm gelungen und fürs nächste Semester hat er auch schon Pläne: "Es wird um die kriminelle Seite des Kunstmarkts gehen, um Kunstdiebstahl, Fälschungen und Restitution. Es wird eine grandiose Gerichtsverhandlung geben. Die russische Mafia wird auch ihre Hände im Spiel haben.“ Die nächste Simulation wartet also schon und an Interessenten wird es Lehmann garantiert nicht mangeln, das machen die zufriedenen Gesichter seiner Studierenden klar. Die meisten werden wohl wieder dabei sein.