Kleingeld war groß bei den Römern

18. März 2013

Zwar passt die Münzsammlung des Arbeitsbereichs Alte Geschichte am Historischen Seminar der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) in einen einzigen Tresor, aber sie hält durchaus Überraschungen bereit – zumindest für den Laien. Riesiges römisches Kleingeld ruht neben einem Reigen von Kaiserdarstellungen. Alexander der Große und Kleopatra sind hier in Silber, Gold und Bronze zu bewundern.

Filippo Carlà dämpft mögliche Erwartungen: "Es ist eine kleine Sammlung", meint der Juniorprofessor für Kulturgeschichte der Antike, während er die Tür zu einem fensterlosen Raum aufschließt. Kahle Tische sind zu sehen, in den Regalen stehen einige Dutzend Bände numismatischer Literatur, im Hintergrund warten zwei nagelneue Vitrinen darauf, dass sie von ihrer Plastikfolie befreit werden. "Die haben wir gerade neu angeschafft", sagt Carlà.

Ein Tresor von der Größe eines Kühlschranks steht an der Wand. Er enthält die gesamte Münzsammlung der Alten Geschichte am Historischen Seminar der JGU. Carlà öffnet die schwere Metalltür. 20 flache Holzschubladen sind zu sehen. "Wir haben keine seltenen Sammlerstücke", übt er sich weiter in Bescheidenheit. "Das hier ist in erster Linie eine Lehrsammlung."

Gold, Silber, Bronze

Er greift sich eine Münze. "Das ist römisches Kleingeld." Carlà präsentiert eine Bronzescheibe von der Größe einer Kinderfaust. Wie ein Buckel wölbt sich ein Januskopf auf der Vorderseite, dem Avers, auf der Rückseite, dem Revers, ist ein Schiff mit Rammsporn zu erkennen. Mit solch schweren Riesenmünzen also zahlten die Römer im Alltag, in der Taverne vielleicht oder auf dem Markt.

Münzen aus Gold, Silber und Kupfer oder Bronze waren damals als Währung im Umlauf. Das verwendete Metall bestimmte den Wert. Die ersten Prägungen aus der nicht allzu wertvollen Bronze waren besonders groß und schwer, Silber- und später Goldmünzen fielen leichter und zierlicher aus. "Wir haben aber nur wenige Goldmünzen", erzählt Carlà. Schließlich reichen Exemplare aus Silber oder Bronze völlig aus, damit sich die Studierenden an der Bestimmung versuchen können.

Einst verfügte die alte Mainzer Universität über eine große Münzsammlung. Doch mit der Schließung der Universität Ende des 18. Jahrhunderts landete diese nach mehreren Stationen im Stadtarchiv. Bei der Neueröffnung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Jahr 1946 wurde Hans Ulrich Instinsky auf den Lehrstuhl für Alte Geschichte berufen. Auf seine Privatsammlung geht die neue Sammlung am Historischen Seminar zurück. Sein Nachfolger Heinz Bellen kaufte Instinskys Münzen 1974 für das Institut auf. Damals waren es 272 Stück. Durch Zukauf wuchs die Sammlung nach und nach an. Heute enthält sie immerhin 946 Münzen.

Galerie der römischen Kaiserzeit

"Unser Schwerpunkt liegt auf der frühen römischen Kaiserzeit", erklärt Carlà. Die meisten der Münzen wurden zwischen dem 6. Jahrhundert v. Chr. und dem 6. Jahrhundert n. Chr. geprägt. Aber es gibt auch Ausnahmen. Carlà zeigt eine Medaille aus dem 16. Jahrhundert aus der Werkstatt des Giovanni Cavino. Der Stempelschneider aus Padua schuf neue Münzen nach altem Vorbild. "Von solchen Exemplaren erfahren Sie zum Beispiel viel über die Rezeption der Antike in der Renaissance."

Die Studierenden nutzen die Sammlung nicht nur für Bestimmungsübungen, sie konzipieren auch Ausstellungen. So war 2012 die Schau "First Ladies – Rollenbilder römischer Kaiserfrauen" im Philosophicum auf dem Universitätscampus zu sehen. "Das war ein schöner Erfolg", erinnert sich Carlà. Unter anderem fand die Ausstellung in numismatischen Fachblättern viel Beachtung.

Der materielle Wert der Mainzer Sammlung ist nicht allzu groß, viele der Münzen wären im Handel für wenige Euro zu haben. "Wir haben aber auch Stücke dabei, die auf einige Tausend Euro kommen", sagt Carlà. Jenseits davon macht er klar: "Als Institut schreiben wir der Sammlung eine große Bedeutung zu. Sie ist sehr wichtig für die Ausbildung."

Münzen in der Datenbank

Im Moment ist eine elektronische Datenbank zur Münzsammlung der Alten Geschichte in Arbeit. Claudine Walther hat diese Aufgabe übernommen. Die studentische Hilfskraft wiegt und misst jede Münze, bevor sie die ausführlichen Daten in die Datenbank eingibt. Zudem sind Carlà und Walther gerade dabei, Texte fürs Internet zu verfassen. Denn die Münzsammlung soll bald auch online zu finden sein.

Im Grunde ist es schade, dass die Sammlung meist im Verborgenen ruht, denn es gibt viel zu entdecken. Jede Münze erzählt eine Geschichte: Da ist der Denar, auf dem Kaiser Tiberius seine Mutter Livia als Göttin Salus als Verkörperung von Gesundheit und Heil darstellen ließ. Oder der Solidus von Kaiser Arcadius. "Mit ihrer christlichen Symbolik ist das eine typische Münze der Spätantike", erklärt Carlà. Oder die Kleopatra-Bronzemünze aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert oder die "Halbsiliqua" von König Theoderich dem Großen aus dem ostgotischen Italien ...

Walthers Lieblingsmünze ist eine Tetradrachme aus dem 3. Jahrhundert v. Chr., eine Silbermünze, die aussieht wie neu. Lysimachos, einst Feldherr unter Alexander dem Großen, ließ sie prägen. Sie zeigt Alexander als Verkörperung des Gottes Zeus-Ammon. Widderhörner sind in seinem welligen Haar zu erkennen. Was diese Münzer wert ist? Egal, sie ist wunderschön, ein Schatz.