Zurück zur D-Mark?

27. Juni 2013

Die Finanzkrise rüttelt seit Jahren schon an den Grundfesten der Europäischen Währungsunion. Wäre da nicht der Weg zurück zur D-Mark die Rettung? Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessor Gerold Krause-Junk hatte den Wirtschaftsweisen Peter Bofinger nach Mainz eingeladen, um diese Frage zu beantworten.

Die beiden sind nicht immer einer Meinung, aber sie schätzen sich durchaus. "Lassen Sie sich nicht von dem jugendlichen Aussehen meines heutigen Gastes täuschen", führt Prof. Dr. Gerold Krause-Junk seinen Kollegen Prof. Dr. Peter Bofinger an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) ein. "Er ist ein erfahrener und vielgefragter Ratgeber." Dann wendet er sich direkt an den 58-Jährigen: "Was wir uns von Ihnen erhoffen, ist etwas Trost. Die bisherigen Veranstaltungen trugen alle ein bisschen Trauerflor."

Tatsächlich hat Krause-Junk als 14. Träger der Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur in seiner Vorlesungsreihe "Die Europäische Währungsunion – Erwartungen, Erfahrungen, Perspektiven" bisher nicht unbedingt Frohsinn verbreitet. Würde das der Wirtschaftsweise von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg mit seinem Vortrag schaffen? "Zurück zur D-Mark?" lautet sein als Frage formuliertes Thema.

1997 kamen 50 Ökonomen zu einer Bundespressekonferenz zusammen, darunter auch Krause-Junk und Bofinger. Sie setzten sich für den Euro ein. "Das erregte großes Aufsehen", erinnert sich Bofinger. "Man war allgemein der Meinung: Ökonomen sind gegen den Euro." Auch für Helmut Kohl sei diese Initiative eine Überraschung gewesen. "Er hatte gar nicht damit gerechnet, dass der Euro ökonomische Vorteile bringen könnte." Der damalige Bundeskanzler hatte wohl eher politische Ziele im Blick.

Das grüne Männchen und der Euro

"Haben wir uns für etwas eingesetzt, was völlig hanebüchen war?", fragt Bofinger – und lässt einen Außerirdischen auftreten: ein grünes Männchen erscheint auf der Leinwand im größten Hörsaal auf dem JGU-Campus. "Er hat gehört, dass es auf der Erde eine Währung gibt, die in der Krise steckt. Er weiß nur nicht, welche. Also schaut er sich die Währungen an."

Das grüne Männchen weicht, Grafiken erobern die Leinwand. Sie zeigen: In Sachen Geldwertstabilität steht die indische Rupie schlecht da. Aber Euro und Dollar bleiben im grünen Bereich. Ähnlich sieht es beim Haushaltsdefizit aus, bei der Staatsverschuldung, der Leistungsbilanz. "Der Euroraum ist völlig unauffällig." Dennoch gibt es eine Euro-Krise. "Was ist seit der Gründung des Euro falsch gelaufen?"

Bofinger konstatiert: "Das Problem war letztlich, dass wir es mit der Finanzkrise zu tun hatten, einer globalen Krise, die alle traf." Kritisch sieht er dabei die mangelnde Kontrolle über die Banken, die angesichts der ungezügelten Kreditvergabe, wenn es um Immobilien ging, sehr gut Kontrolle hätten brauchen können. "Wir hatten eine Phase globaler Blindheit im Finanzsektor."

Die Deutschen und ihre Lohnpolitik

Für den Euroraum sieht Bofinger noch ein spezielles Problem: "Wir haben eine nationale, keine zentrale Bankenaufsicht. Aber wenn man einen gemeinsamen Währungsraum schafft, bräuchte man vielleicht auch eine gemeinsame Bankenaufsicht", regt er an.

"Wir haben in Deutschland das Gefühl, wir haben in der Krise alles richtig gemacht." Das sieht Bofinger anders. Eine sehr zurückhaltende Lohnpolitik habe dazu geführt, dass der Binnenmarkt stagnierte, aber deutsche Exporte ungeheuer anstiegen. Diese Exporte wiederum seien in jene EU-Länder gegangen, in denen die Löhne stiegen, die Nachfrage sich also erhöhte. "Andere haben zu viel erhöht, wir zu wenig", fasst Bofinger zusammen. "Das System geriet in Schieflage."

Auch den harten Sparkurs, den Griechenland und Co. nun fahren, sieht der Wirtschaftsweise skeptisch. "Das Ergebnis ist eine massive Rezession. Lange Zeit war die Idee, dass man gar nicht genug sparen kann. Inzwischen sagt der IWF: Na ja, wir hatten keine Ahnung, dass Sparpolitik so stark wirkt." Hier müsse also gegengesteuert werden.

Das Sparen und die Konjunktur

Das Argument, dass Schulden nicht mit Schulden bekämpft werden können, lässt Bofinger dabei nicht gelten. "Wir diskutieren oft über Schulden, ohne uns zu fragen, wer die entsprechenden Forderungen hält. Nach 2008 wurde in den Privathaushalten und den Unternehmen viel Geld gespart. Das dämpft natürlich die Konjunktur." Und der Staat versuche nun seinerseits, diese Geldersparnisse durch Verschuldung zu kompensieren.

Nach der Durchsicht der Probleme zeichnet Bofinger drei Szenarien für die Zukunft. Erstens: "Durchwurschteln – das ist gefährlich, bleibt aber wohl angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl angesagt." Zweitens: "Der Euro 2.0." Hier sei eine gemeinsame Bankenaufsicht wichtig.

Szenario drei lautet: "Zurück zur D-Mark." Bofinger gibt zu bedenken: "Man hat mit dem Euro ein Casino der Spekulation mit den Währungen zugemacht. Das würde mit der Wiedereinführung nationaler Währungen neu eröffnet. Wir müssten uns wieder viel stärker auf die Devisenmärkte und deren Beurteilung der Wechselkurse verlassen."

Der Tunnel und die schlechte Luft

"Derzeit befindet sich die Währungsunion in einem tiefen Tunnel", sagt Bofinger. "Viele meiner Kollegen erzählen, wie schlecht das Leben in diesem Tunnel ist." Doch es sei unklug, nun zurück an den Eingang und damit zur D-Mark zu gehen. "Die Lösung ist, den Ausgang des Tunnels zu suchen", so der Wirtschaftsweise.

Fröhlich klingt das nicht unbedingt. Der Trauerflor bleibt. Noch eine letzte Veranstaltung im Rahmen seiner Stiftungsprofessur an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz bliebt Gerold Krause-Junk, um das Stimmungsblatt zu wenden und rosigere Aussichten zu spenden.