Mainzer Auslandstrainerschule feiert Rekordkurs

23. Juli 2013

Zwölf Stipendiaten aus Afrika, Asien und Südamerika verabschieden sich: Der 35. Studienkurs der Auslandstrainerschule am Institut für Sportwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) ist beendet. Ein weiteres Kapitel in der Erfolgsgeschichte dieser außergewöhnlichen Institution ist geschrieben.

Emotionaler und persönlicher kann eine Abschlussfeier kaum ausfallen. Karim Ould Ahmed hält sein Leichtathletik-Trainerdiplom in Händen. "Es war eine große Ehre für uns, an dieser Ausbildung teilzunehmen", sagt er. "Dieses Jahr war einfach wunderbar, es war perfekt." Dem Algerier steigen die Tränen in die Augen. "Großen Dank an Dr. Werner Steinmann, der wie ein Vater zu uns war."

Ahmeds Stimme stockt. So rührselig kann es unmöglich weitergehen. Er muss die Kurve kriegen. Seine Mundwinkel zucken. "Zu Hause werde ich stolz sein, sagen zu können: Die wichtigsten Sachen, die ich in Deutschland gelernt habe: Ich kann jetzt kochen und eine Waschmaschine bedienen."

Natürlich hat der 35-Jährige viel mehr gelernt an der Auslandstrainerschule Mainz. Gemeinsam mit elf weiteren Stipendiaten absolvierte er im Laufe von 14 Monaten ein umfangreiches Programm. Zuletzt stand ein Marathon aus neun Prüfungen und zwei Lehrproben an. Die Zeit davor war vollgepackt mit Theorie und Praxis – und nebenher lernte das bunte Dutzend auch noch die deutsche Sprache. "Sie ist für mich immer noch sehr geheimnisvoll", so Ahmed. Seine Ansprache in fließendem Deutsch straft ihn Lügen.

Schmuckstück der Außenpolitik

Seit 1978 gibt es die Auslandstrainerschule Mainz am Institut für Sportwissenschaften der JGU. Sie entstand auf Initiative von Berno Wischmann, dem Gründer und langjährigen Dekan des Fachbereichs Sport. Das Auswärtige Amt finanziert das Projekt. Immer wieder kommt von dieser Seite viel Lob für Mainz. Die Repräsentanten des Amts nannten die Schule "Perle der Entwicklungshilfe" oder "Schmuckstück der deutschen Außenpolitik". Auch der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) unterstützt die Schule tatkräftig. Mittlerweile haben mehr als 400 Stipendiaten aus 80 Ländern den Studienkurs durchlaufen. Nun wird der 35. Jahrgang verabschiedet.

"Es ist der beste Jahrgang bisher", sagt Privatdozent Dr. Werner Steinmann, der die Auslandstrainerschule seit 19 Jahren leitet. "Karim hat den besten Abschluss in unserer Geschichte geschafft." Darauf ist Steinmann sichtlich stolz. Doch zwei Aspekte sind noch wichtiger: "Hier sind zwölf Menschen aus unterschiedlichen ethnischen Gruppen, Kulturen und Religionen zusammengewachsen." Und: "Sie haben die deutsche Sprache, sie haben unser Land kennengelernt. Sie werden als unsere Botschafter in ihre Heimatländer zurückkehren."

Die Stipendiaten aus dem Tschad und Ägypten, aus Malaysia und Bangladesch, aus Brasilien und Kambodscha lebten 14 Monate lang Tür an Tür im Berno-Wischmann-Haus auf dem Universitätscampus. Namensschildchen mit ihren Nationalflaggen schmücken den Korridor im ersten Stock. Im Parterre findet nun die feierliche Verabschiedung und die Begrüßung des 36. Jahrgangs statt.

Ein Markenzeichen Deutschlands

Die Festredner sind wie Ahmed voll des Lobes. "Diese Trainerschule ist zu einem Markenzeichen Deutschlands geworden", freut sich DLV-Ehrenpräsident Theo Rous. Mario Sauder vom Auswärtigen Amt sieht das ähnlich: "Die Auslandstrainerschule hat viel für unser Ansehen und die Bekanntheit in der Welt getan." JGU-Vizepräsidentin Prof. Mechthild Dreyer wendet sich derweil direkt an die Stipendiaten: "Wir würden uns freuen, wenn Sie uns in guter Erinnerung behielten."

Zwei Tage später sitzt Steinmann mit Karim Ould Ahmed und Adama Djitté aus dem Senegal in seinem Büro. Die Abreise steht an, vorher aber haben die drei noch Zeit für ein Gespräch. Was sind das für Menschen, die nach Mainz kommen, um hier ihr Leichtathletik-Trainerdiplom zu machen?

"Ich bin in meinem Land Sportlehrerin", erzählt Djitté. Als Schiedsrichterin war die 31-Jährige auch schon tätig. Das führte dazu, dass sie in Deutschland neben der Trainerschule diverse Fußballspiele in der Region pfiff. "Ich wollte in Deutschland meine Ausbildung verbessern. Ich wollte eine andere Kultur kennenlernen."

Ahmed war in Algerien zwei Jahre lang Nationaltrainer im Mehrkampf. "Vielleicht werde ich wieder Nationaltrainer, wenn ich zurückkehre." Das ist gar nicht so unwahrscheinlich. Einzelne Absolventen der Auslandstrainerschule Mainz haben es in ihrer Heimat bis zum Präsidenten des nationalen Leichtathletik-Verbands oder gar bis zum Minister gebracht. Cheftrainer und Universitätslehrer sind darunter.

Ein schwerer Abschied

"Auch in Leipzig haben sie eine gute Trainerschule", wirft Steinmann ein. "Aber dort arbeiten sie mit Dolmetschern. Unsere Schüler lernen Deutsch." Am Anfang steht immer ein viermonatiger Sprachkurs, geleitet von Dr. Thomas Bleicher vom Fremdsprachenzentrum der JGU. Er ist im Laufe der Jahre zu einer ähnlichen Vaterfigur geworden wie Steinmann.

Für Ahmed und Djitté war es ein großer Schritt, nach Deutschland zu kommen. Ahmed hat eine Tochter, die er bisher kaum sah. Sie ist 14 Monate alt. "Es ist unser erstes Kind. Das war schwer für meine Frau, so allein mit dem Baby." Djitté ließ ihren Partner zurück. Aber das war es den beiden wert, schließlich hat die Trainerausbildung in Deutschland einen außerordentlichen Ruf. "Man sagt uns anerkennend nach, wir könnten sehr gut organisieren, wir seien sehr genau und präzise und wir hätten ein sehr gut strukturiertes Ausbildungssystem", so Steinmann.

Nun aber ist bald Packen angesagt, es geht nach Hause. "Auch das ist jetzt ein harter Schritt", sagt Ahmed und blickt hinüber zu Steinmann. Der ergänzt: "Können Sie sich vorstellen, wie schwer es für mich ist, diese Zwölf ziehen zu lassen? Schauen Sie Adama an. Vor 14 Monaten konnte sie noch kein Wort Deutsch – und jetzt ..." Steinmann stockt, dann fasst er sich: "Wisst ihr was, lasst uns heute Abend noch etwas unternehmen. Wir treffen uns um halb neun …"