Zocken vor großem Publikum

8. September 2014

Mit dem Projekt "Wer nicht zockt, bleibt dumm!? – Digitale Spiele zum Anfassen und Erleben" wollen Dr. Jasmin Bastian und Dr. Lena Groß von der AG Medienpädagogik des Instituts für Erziehungswissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) einen Dialog anstoßen. Jugendliche werden als Experten Computerspiele oder Mobile Games einem Publikum vorstellen, das nachfragen kann: Was passiert da eigentlich auf dem Bildschirm? Was wird gespielt?

Computerspiele machen dumm, dick und gewalttätig. Ein Schüler, der sich am Bildschirm durch einen Ego-Shooter daddelt, ist auf dem besten Weg zum Amokläufer. Und schlägt die digitale Welt erst einmal Wurzeln im Hirn von Spielern, dann verblasst die Realität. Asoziale, verwahrloste Geschöpfe sind das Ergebnis, Leistungsverweigerer und Schulversager.

"Wenn ein neues Medium aufkommt, gibt es immer solche Warnungen", sagt Dr. Jasmin Bastian von der Arbeitsgruppe Medienpädagogik des Instituts für Erziehungswissenschaft der JGU. "Es ist befriedigender und medienwirksamer, Angst zu erzeugen, als sich die tatsächlichen Forschungsergebnisse anzuschauen", ergänzt ihre Kollegin Dr. Lena Groß.

Neues Format für neues Medium

Die beiden sitzen in Bastians Büro im Georg Forster-Neubau, um von ihrem Projekt "Wer nicht zockt, bleibt dumm!? – Digitale Spiele zum Anfassen" zu berichten. Sie wollen einen Versuch starten: In einer öffentlichen Veranstaltung sollen Jugendliche aktuelle Computerspiele und Mobile Games vorstellen. Gemeinsam mit Studierenden der JGU sollen sie Eltern, Lehrer und andere Interessierte informieren, was da tatsächlich passiert. Es geht darum, einen Dialog anzustoßen, unvoreingenommen und ergebnisoffen.

Die Initiative Wissenschaft im Dialog (WiD) fand diese Idee ausgezeichnet. Groß und Bastian überzeugten mit ihrem Vorschlag und gewannen beim Hochschulwettbewerb "Mehr als Bits und Bytes – Nachwuchswissenschaftler kommunizieren ihre Arbeit" ein Preisgeld von 10.000 Euro, das nun helfen soll, ihr Projekt umzusetzen.

"Spielung" nennen die beiden ihre Veranstaltung in Anlehnung an die klassische Lesung. In Berlin fand bereits eine ähnliche Spielung statt. Jetzt bringen die Medienpädagoginnen das neue Format nach Mainz. "Wir sind gespannt, was passiert", sagt Groß.

Noch fehlt ein Raum

Zusammen mit rund 15 Studierenden sind sie dabei, den Fahrplan für ihre erste Spielung zu erarbeiten. "Wir müssen auswählen, welche Spiele wir vorstellen", erzählt Bastian. "Wir werden in einem Casting ermitteln, wer diese Spiele vorstellt, und wir sind noch auf der Suche nach einem Raum."

Auf einer großen Leinwand wird das Publikum das Spielgeschehen verfolgen können. Ein Jugendlicher soll jeweils live spielen, ein anderer das Geschehen kommentieren. Beide werden als Experten Auskunft geben. "Vor allem ist es unseren Studierenden wichtig, dass aktuelle Forschungsergebnisse in die Veranstaltung einfließen", erzählt Bastian. Auch dazu wird es also Informationen geben.

Womöglich wird manch einer denken, dass zu diesem Thema schon alles gesagt ist. In Talkshows etwa geben Fachleute wie der Psychologe und Hirnforscher Manfred Spitzer selbstbewusst und selbstgewiss den Ton an. Schon der Titel seines aktuellen Bestellers macht seine Sicht deutlich: "Digitale Demenz" heißt seine Horrorvision.

Gegen populistische Positionen

Bastian und Groß sind von solchen populistischen Positionen wenig begeistert. "Es gibt bisher vor allem Einzelstudien dazu, was Computerspiele und Mobile Games bei den Konsumenten bewirken", erklärt Bastian. "Wir finden da methodisch sehr unterschiedliche, teilweise fragwürdige Zugänge." Für Groß ist klar: "Wir können vielleicht feststellen, ob zum Beispiel die Gewaltbereitschaft direkt nach bestimmten Spielen größer ist. Aber wie sich solche Spiele längerfristig auswirken, darüber haben wir noch keine Erkenntnisse. Das ist auch schwer zu untersuchen."

Auf der anderen Seiten könnten digitale Spiele durchaus wichtige Fähigkeiten trainieren. Teamfähigkeit, Führungsqualitäten, vernetztes Denken oder lösungsorientierte Strategien sind gefragt. Spielerisches Lernen ist ein großes Thema, gerade in der Medienpädagogik.

Bastian hatte es erwähnt: Neue Medien werden traditionell misstrauisch beäugt. Bereits im 18. Jahrhundert warnte der Pädagoge und Schriftsteller Joachim Heinrich Campe angesichts der aufkommenden Unterhaltungsromane vor der "Lesesucht". Er befürchtete seelische Zerrüttung und schwere körperliche Schäden.

Premiere Ende September

Heute treibt das Problem der Computerspielsucht manchen Pädagogen um. "Es gibt sicher extreme Fälle unter den Spielern", räumt Bastian ein, "aber das sind absolute Ausnahmen." Groß zieht einen Vergleich: "Wir alle wissen, dass Alkoholsucht eine Gefahr ist, aber niemand würde sagen, dass es ein Fehler ist, ein gutes Glas Wein zu genießen."

"Wir wollen einen Dialog anstoßen", stellt Bastian klar. Dieser Dialog hat sich unter den Studierenden abgezeichnet, die sich jenseits ihrer Pflichtveranstaltungen für das Projekt engagieren. "Wir haben einerseits eine Gruppe, die digitalen Spielen skeptisch gegenübersteht und sich deswegen für unsere Spielungen interessiert, und dann haben wir eine Gruppe, die selbst spielt." Für Meinungsvielfalt ist also schon hier gesorgt.

Auf dem Mainzer Wissenschaftsmarkt am 13. und 14. September will die Gruppe um Bastian und Groß nochmals die Werbetrommel rühren für ihr Projekt, dann soll es Ende des Monats so weit sein: Die Mainzer Spielung steht an. "Wer kommt? Was wollen die Leute wissen? Wir sind gespannt", sagt Groß. "Es ist ja der allererste Durchgang."