Was in den Zellen gespielt wird

8. Dezember 2014

Mit Prof. Dr. Krishnaraj Rajalingam hat das Forschungszentrum für Immuntherapie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) einen der führenden Zellbiologen für sich gewonnen. Der frisch gebackene Heisenberg-Professor erforscht molekulare Signalwege, die verschiedenste Prozesse in den Zellen lenken. So spürt er den Ursachen von Zellwachstum oder Zelldifferenzierung, aber auch von Tumoren oder Krebs nach und gibt Impulse für neue Therapien.

Es herrscht ein wenig Verwirrung im Forschungszentrum. "Sie wollen Professor Rajalingam sprechen? Kenne ich gar nicht." Dann aber dämmert es der Mitarbeiterin. "Ach, Sie meinen wahrscheinlich Krishna. Klar, er sitzt da hinten."

Seit September 2014 ist Prof. Dr. Krishnaraj Rajalingam in Mainz, nachdem er im Juli eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Heisenberg-Professur für Zellbiologie am Forschungszentrum für Immuntherapie (FZI) der JGU erhalten hat. Sein jetziges Büro ist eher eine Übergangslösung, doch das stört ihn nicht. Der 37-Jährige gehört zwar zu den Spitzenforschern seines Fachs, im Gespräch aber tritt das eher in den Hintergrund.

Molecular Signaling Unit

"Möchten Sie meine Arbeitsgruppe kennenlernen?", fragt Rajalingam. Das ist ihm wichtig, also geht es nebenan ins Genlabor. Sieben junge Leute aus Japan und Polen, aus Indien und Deutschland, Postdocs und Studierende, arbeiten hier Hand in Hand. Rajalingam hat diese Gruppe in Frankfurt am Main aufgebaut. Dort forschte er ab 2008 als Stipendiat des Emmy-Noether-Programms der DFG an der Goethe-Universität und dort arbeitete er, als er vier Jahre später in das Perspektivprogramm "PLUS3" der Boehringer Ingelheim Stiftung aufgenommen wurde.

Beides sind wichtige Stationen seiner Karriere. Doch nun ist Rajalingam zwischen Dr. Hajime Yurugi, Juliane Mooz und den anderen Mitgliedern seiner Molecular Signaling Unit erst einmal einfach "Krishna". Hier fühlt er sich sichtlich wohl. "Wir betreiben hier Grundlagenforschung", erzählt er, "aber es ist eine Grundlagenforschung, die für viele medizinische Bereiche wichtig ist. Wir interessieren uns für eine Klasse von Molekülen, die als Signalapparat in den Zellen arbeiten."

Es geht darum, wie Informationen innerhalb von Zellen und zwischen den Zellen weitergeleitet werden. Über solche molekularen Signale können verschiedenste Prozesse in Gang gesetzt werden. Sie steuern Zellwachstum und -vermehrung, Zellwanderung und -differenzierung. Aber sie spielen auch eine entscheidende Rolle beim Zelltod oder bei der Entstehung von Tumoren. Die sogenannten RAF-Kinasen etwa sind in vielen Tumoren aktiviert.

Kommunikationsapparat der Zellen

"Wir wollen verstehen, wie all diese Moleküle interagieren und wie die Zelle darauf reagiert", sagt Rajalingam. "Seit den 1980er-Jahren hat sich die Forschung in diesem Bereich enorm weiterentwickelt. Wir wissen allein von 566 Kinasen, die Signale weiterleiten. Man kann sagen, dass wir auf unserem Gebiet fast alle Spieler kennen. Wir haben eine enorme Datenmenge zur Verfügung. Nun müssen wir schauen: Wie spielen diese Spieler? Wie können wir in ihr Spiel eingreifen? Das ist ein wenig wie mit Lego-Bausteinen. Aus den einzelnen Komponenten entsteht immer wieder etwas Neues." Beispielsweise konnte seine Arbeitsgruppe bereits klären, welche Rolle einige dieser Spieler, die Apoptose-Inhibitoren, bei der Metastasierung von Krebs spielen.

Mit seinen Fragestellungen berührt Rajalingam wichtige Forschungsschwerpunkte der Universitätsmedizin Mainz. Neben der Immuntherapie geht es unter anderem um die Translationalen Neurowissenschaften und die Translationale Vaskuläre Biologie. Rajalingam soll diese Schwerpunkte stärken – auch über seine fünfjährige Professur hinaus. Mainz soll zu einer entscheidenden Station für den Molekularbiologen aus Indien werden, dessen Lebenslauf sich beinahe so liest, als hätte er auf ein solches Ziel hingearbeitet.

Rajalingam wurde 1977 im indischen Mayiladuthurai geboren. Dort betrieb sein Großvater eine Klinik. Er gab den ersten Impuls hin zur Medizin. Von 1995 bis 2000 studierte Rajalingam Lebenswissenschaften an der Bharathidasan University und kam dann nach Deutschland, wo er am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin seine Doktorarbeit schrieb. Im Jahr 2006 wechselte er an die Julius-Maximilians-Universität Würzburg, von wo es dann nach Frankfurt am Main ging.

"Basically a signaling guy"

"Ich bin inzwischen ein halber Deutscher. Wenn ich nach Indien fahre, bekomme ich Heimweh", erzählt Rajalingam lächelnd, bevor er wieder ernster wird. "Es war die Wissenschaft, die mich nach Deutschland getrieben hat." Er tritt einen Schritt zurück und stellt andere ins Rampenlicht. "Sie brauchen gute Mentoren, um ein guter Forscher zu werden. Ich hatte hervorragende Mentoren: Thomas Rudel, Thomas Meyer, Ulf Rapp, Ivan Dikic und einige mehr."

Rajalingam wechselt immer mal vom Deutschen ins Englische, wenn er etwas wissenschaftlich Komplexes erklärt oder wenn er eine Sache auf den Punkt bringen will: "I'm basically a signaling guy", sagt er von sich selbst.

Als "signaling guy" hat er eine Vision für Mainz. "Ich möchte ein hoch kompetentes Zentrum für molekulare Zellbiologie schaffen, das mit allen anderen Bereichen der Universität eng zusammenarbeitet." Als Professor hat er aber auch den Nachwuchs, die jungen Forscherinnen und Forscher, im Blick. Ihre Ausbildung liegt ihm am Herzen. "Educate and inspire", wirft er als Motto ein: "Ausbilden und inspirieren."

Kultur des Fragens

Unter anderem engagiert er sich für den TransMed Science Day an der Universitätsmedizin Mainz. "Ich möchte eine Kultur des Fragens fördern." Deswegen hat einer von Rajalingams Mentoren, Ivan Dikic, beim ersten Wissenschaftstag der Graduiertenschule TransMed nicht nur einen Vortrag gehalten. Ein Programmpunkt hieß "Coffee with Ivan". "Ich bringe die Studierenden auch mit Editoren der Fachjournale und mit Repräsentanten der Industrie zusammen. Es ist wichtig, dass sie deren Perspektive kennenlernen."

Daneben organisiert Rajalingam noch eine ähnliche Tagung in Indien – und um die langfristige Finanzierung seiner Pläne muss er sich auch kümmern. "Ich habe viel Arbeit", meint er. Allerdings scheint er diese Arbeit leicht zu nehmen – zumindest, wenn er mit seiner Gruppe forscht. Denn da ist er einfach Krishna, "the signaling guy". Da ist er zu Hause, ob in Berlin, Frankfurt oder in Mainz.