Es geht um mehr als nur um Karriere

23. Juni 2015

Der Career Service der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) begleitet Studierende auf ihrem Weg in Richtung Beruf. Ein vierköpfiges Team berät ganz individuell und organisiert verschiedenste Veranstaltungen von der Jobmesse über Workshops bis hin zur großen Frühjahrs- und Herbstuniversität. Und es bündelt all das, was der Campus sonst noch an Beratungsangeboten bereithält.

"Career Service – das klingt schon sehr nach höher, schneller, weiter", räumt Martin Becker ein. "Man könnte auf die Idee kommen, jeder, der zu uns kommt, soll Karriere machen. Aber so ist das nicht. Uns geht es nicht um Karriereberatung, uns geht es um mehr. Wir sehen unsere Aufgabe als eine weit reichende Berufswegeplanung."

Als Teil der Zentralen Studienberatung (ZSB) finden sich die Räume des Career Service derzeit unterm Dach des Forum universitatis am Haupteingang zum Gutenberg-Campus. "Ich sitze direkt über dem Büro der Vizepräsidentin", hatte Projektleiterin Rosanna Götz bei der Terminvereinbarung am Telefon erklärt. Im Moment allerdings sitzt sie nicht, sondern wuselt noch ein wenig herum, um Ordnung auf ihrem eigentlich recht ordentlichen Schreibtisch zu schaffen. Das ist schnell geschehen.

Workshops, Vorträge, Jobmesse

Götz setzt sich zu ihrem Mitarbeiter. Im Hintergrund hängen allerlei Poster mit dem Logo des Career Service. Zusammen mit einer Auswahl an bunten Faltblättern vermitteln sie einen ersten Eindruck, was das vierköpfige Projektteam, unterstützt durch eine Sachbearbeiterin sowie einige studentische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, alles im Angebot hat. Von Job-Speed-Dating ist da die Rede, von einer Talkrunde zum Berufsfeld Unternehmensberatung oder vom anstehenden Workshop "Studienabbruch – oder nicht?" Eine Vortragsreihe zur Berufsorientierung bietet unter anderem Einblick in Medienberufe und Marktforschung. Ein Heft führt die Betriebe auf, die sich im vorigen Jahr auf der Jobmesse des Career Service vorstellten.

Die Liste ist lang. Götz würde am liebsten alles hervorheben, aber ein paar Beispiele müssen genügen. "Bei unserer Frühjahrs- und Herbstuniversität beraten wir kompakt und intensiv jeweils zwei Wochen vor Vorlesungsbeginn. Die Studierenden können dort jedes Semester mehr als 60 Veranstaltungen besuchen. Rund 5.000 Anmeldungen gehen für die etwa 1.000 Teilnehmerplätze ein", erzählt Rosanna Götz. "Als wir anfingen, dachten wir: Das ist ein neues Angebot, das beim Start auf hohe Aufmerksamkeit stößt, für das aber nach und nach die Nachfrage niedriger wird. Da haben wir uns wohl grundsätzlich getäuscht. Die Nachfrage ist seit Jahren konstant hoch."

Beratung zur Berufswegeplanung

Im Kern geht es beim Career Service um Beratung – und daher wurde er von Anfang an als Bestandteil der Zentralen Studienberatung konzipiert. "Im Mittelpunkt stehen immer die Studierenden", stellt Götz klar. "Wir arbeiten dabei auch eng mit der Agentur für Arbeit und mit verschiedenen Unternehmen zusammen, selbst wenn die durchaus ihre spezifischen Interessen haben. Sie haben den Arbeitsmarkt im Blick oder wollen Stellen besetzen. Unsere Beratung dagegen ist ergebnisoffen." – "Anders wäre eine gute Arbeit im Sinn unserer Studierenden nicht vertretbar", ergänzt Becker.

Allein 250 Rat Suchende kommen pro Jahr in die Einzelsprechstunde des Career Service. "Unsere Termine sind oft schon mehrere Wochen im Voraus vergeben", erzählt Götz. Hier ist der Kontakt am intensivsten, aber auch am produktivsten.

Manch einer findet bereits vor dem Studium den Weg zum Career Service. "So ist beispielsweise der Andrang auf die Psychologie jedes Jahr groß", erzählt Götz. Doch die Zulassung ist beschränkt. Oft wird es nichts mit diesem Studienplatz. "Wir fragen dann, welches Ziel die Bewerberinnen und Bewerber eigentlich mit dem Wunschstudium verbinden, was für ein Berufsfeld sie sich vorstellen. Gemeinsam schauen wir dann gegebenenfalls auch nach alternativen Wegen." Wenn die Arbeit mit Menschen die Motivation für das Studium ist, könnte ein Pädagogikstudium eine Möglichkeit sein.

"Wir zwängen den Leuten aber natürlich nichts auf", sagt Becker. "Wir sagen ihnen nicht: Das oder das musst du tun." Ideen, Ansätze und Pläne entwickeln die Klienten selbst im Gespräch, im Dialog. Dafür ist das Team ausgebildet. "Wir selbst kommen zwar aus den verschiedensten Fächern", berichtet Götz, "aber wir haben alle Schulungen im Bereich Bildungsberatung und im Coaching durchlaufen."

"Ich kann gar nichts"

Die Projektleiterin plädiert dafür, dass Studierende möglichst früh den Weg zum Career Service finden. "Das wäre ideal. Gern helfen wir auch, wenn es um die Bewerbung für einen ersten Praktikumsplatz geht oder beraten bei einem Studienwechsel." Selbst das Thema Studienabbruch steht auf der Tagesordnung. "Das kann für manchen durchaus der richtige Weg sein." In letzter Zeit kommen zudem vermehrt Bachelorabsolventen. "Sie wollen wissen, ob der Abschluss reicht oder ob sie noch einen Master dranhängen sollten." Und wenn ja: Welchen?

"Immer wieder kommen auch Studierende kurz vor dem Abschluss und meinen: Ich kann gar nichts." Diese Art von Betriebsblindheit sei nicht selten an der Universität. "Wissenschaftliches Arbeiten, Recherche- oder Teamfähigkeiten gelten als selbstverständlich und nicht weiter erwähnenswert, dabei sind sie in den meisten Jobs viel wert. Auch ein Ehrenamt oder eine Nebentätigkeit im Servicebereich können nützlich sein. Das wird häufig übersehen. Eine Reflexion über die eigenen Stärken ist daher sinnvoll für die Bewerbung und gleichzeitig gut fürs Selbstbewusstsein."

Eine verbreitete Sorge betrifft die Länge des Studiums. "Man hat im Kopf, dass ein Bachelorstudium sechs Semester zu dauern hat", meint Becker. "Aber das ist nur die Regelstudienzeit. Es kann durchaus besser sein, erst nach acht Semestern abzuschließen und ein paar Praktika vorzuweisen. Überhaupt plädieren wird nicht dafür, ein Studium möglichst schnell durchzuziehen und nur auf den anschließenden Job zu starren. Es ist allerdings hilfreich, sich zwischendurch ausdrücklich Gedanken über die Zukunft zu machen."

Job-Speed-Dating

Wenn es konkret wird, wenn der Abschluss geschafft ist und eine Bewerbung ansteht, ist der Career Service ebenfalls da. Ein unkonventionelles Instrument der Berufsfindung ist dabei das Job-Speed-Dating. "Unternehmen, die teilnehmen wollen, müssen konkrete Stellenangebote mitbringen", erklärt Götz das Konzept. "Dann haben Studierende zehn bis zwanzig Minuten Zeit, sich ihnen vorzustellen. Zuerst waren die Unternehmen skeptisch, weil wir die Paarungen auswählen. Mittlerweile aber ist das Job-Speed-Dating vollständig angenommen. Es stößt bei Unternehmen und Studierenden auf hohe Resonanz."

Wer teilnimmt, muss später nicht noch einmal eine separate Bewerbung schreiben. "90 Prozent haben nach dem Speed-Dating weiteren Kontakt zu dem entsprechenden Unternehmen", erzählt Martin Becker. "Wir kennen sogar Fälle, in denen zunächst eine herkömmliche Bewerbung abgelehnt wurde, durch das Job-Speed-Dating dann aber doch eine Verbindung entstanden ist."

Seit dem Jahr 2009 gibt es den Career Service. Finanziert wird das Projekt derzeit noch über den Hochschulpakt. Das heißt, Götz und ihr Team können sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen. Ihre Zukunft, ihre Finanzierung ist unsicher. Das vierköpfige Beraterteam in Sachen Berufswege kann sich gar nicht so sicher sein, wohin ihr eigener Weg führt. "Wir sind aber optimistisch", sagt Götz, "und wir planen schon viele Veranstaltungen fürs kommende Jahr. Das ist selbstverständlich."