Sommerferien mit Spitzenforschern

17. September 2015

Mit seiner "International Summer School" bietet das Mainzer Institut für Molekulare Biologie (IMB) ein außergewöhnliches Programm für Studierende aus aller Welt: Alljährlich wählt es aus Hunderten von Bewerberinnen und Bewerbern eine kleine Gruppe aus, die neben Vorlesungen für sechs Wochen direkt in aktuelle Forschungsprojekte eingebunden wird. Die Universitätsmedizin Mainz und der Fachbereich Biologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) beteiligen sich an diesem Projekt, das dazu beiträgt, den Wissenschaftsstandort Mainz international bekannter zu machen.

Die Diagramme, die Daniela Kaiser auf den Tisch legt, sind bunt. Sie hat die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der "International Summer School" des Instituts für Molekulare Biologie nach Herkunftsländern aufgeschlüsselt – und diese Gruppe ist tatsächlich höchst international: 20 Studierende aus 16 Ländern sind nach Mainz gekommen, um zu den Themengebieten Genregulation, Epigenetik und Genomstabilität zu forschen. Sie stammen unter anderem aus Brasilien und Bulgarien, aus Japan, aus Pakistan und der Ukraine.

Dem IMB ist diese Internationalität wichtig. Das wird im Büro des Director of Scientific Management sehr deutlich: Hinter Dr. Ralf Dahms Schreibtisch hängen Poster zu international besetzten Konferenzen und Symposien. Ein Plakat lädt Doktoranden aus der ganzen Welt zum "International Ph.D. Programme" nach Mainz und eines wirbt für die Summer School, die das Institut mit viel Engagement betreibt.

Die etwas andere Summer School

"Die meisten Summer Schools, die ich kenne, sind so konzipiert, dass sich die Studierenden hinsetzen und zuhören. Sie bekommen einen bestimmten Unterrichtsstoff vorgesetzt", erzählt Dahm. "Bei uns ist das anders. Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer wird in eine unserer bestehenden Projektgruppen integriert. Dort wird dann nicht nochmals aufgewärmt, was schon hundertmal gemacht wurde. Es geht um hochaktuelle Forschung. Die Studierenden nehmen daran teil und bearbeiten sogar ihre eigenen Fragestellungen."

"Wir haben vor vier Jahren mit zwölf Studierenden begonnen", sagt Kaiser, die unter anderem für die organisatorische Seite der Summer School am IMB zuständig ist. "Damals gab es 128 Bewerberinnen und Bewerber." In diesem Jahr waren es 382 aus 57 Ländern. Auch das zeigt eines der bunten Diagramme.

Alan Kavšek aus Zagreb hat einen der begehrten Summer School-Plätze bekommen. "Meine Gruppe arbeitet mit einem Protein, das für die DNA-Reparatur von Zellen wichtig ist", berichtet der Kroate. "Es geht darum, wie die Aktivität dieses Proteins reguliert wird." In Zagreb arbeitet Kavšek auf einem verwandten Gebiet. In einem Jahr will er seinen Masterabschluss machen. "Ich bin hierhergekommen, weil mich diese Zeit auf meinem beruflichen Weg voranbringen soll", sagt der 22-Jährige. "Die Forschung ist spannend, wir arbeiten sehr eng zusammen."

Ähnlich sieht es Judit Carrasco Sala. Sie stammt aus Barcelona, lernt und forscht aktuell aber am berühmten Pariser Institut Pasteur. "Die Leute hier im IMB sind sehr nett. Wir finden immer jemanden, mit dem wir uns austauschen können. Alle sind hilfsbereit und das Institut ist voller junger Menschen." Ihr gefallen die kurzen Wege am IMB. Das sei am großen Institut Pasteur völlig anders. Carrasco Sala hat ihren Master bereits in der Tasche. Im Moment denkt die 22-jährige Spanierin über ihre Dissertation nach.

Exzellente Forschung mitgestalten

Beiden Studierenden waren das IMB und Mainz vor ihrer Bewerbung für die Summer School kaum ein Begriff. "Ich wusste eigentlich nur, dass es diese Stadt gibt", meint Kavšek. Ein Hauch Verlegenheit schwingt mit. In den sechs Wochen, die nun beinahe verstrichen sind, hat die Gruppe nicht nur das IMB, sondern auch die Region kennengelernt. Ein Rahmenprogramm garantierte, dass sie über den Tellerrand der Wissenschaft einen Blick ins Land werfen konnten.

Nicht jeder auf der Welt hat Mainz sofort als Wissenschaftsstandort auf dem Schirm, das weiß auch Dahm. "Hier sind einfach nicht so viele wichtige Institute gebündelt wie in Berlin oder München. Aber wir betreiben in Mainz exzellente Forschung." Auch dies soll die Summer School vermitteln und die ständig steigenden Bewerberzahlen zeigen, dass es mehr und mehr gelingt.

"Das IMB ist im Aufbau", sagt Dahm. "Derzeit haben wir rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber es werden ständig mehr. Der Ton am Institut ist sehr familiär. Wir duzen uns eigentlich alle. In unserer zentralen Science Lounge führen wir die Leute zusammen. Die einzelnen Gruppenleiter sieht man dauernd. Wir vernetzen die Leute sehr gut. Davon profitieren auch die Studierenden."

Zudem ist das IMB thematisch stark fokussiert. Genregulation, Epigenetik und Genomstabilität sind die drei Felder, mit denen sich alle Gruppen intensiv beschäftigen. Hier sind sie auf dem neuesten Stand der Forschung. Das spiegelt sich auch in der Summer School.

Eigene Ideen entwickeln

Der finanzielle Aufwand sowohl für die Studierenden als auch für das Institut hält sich dabei glücklicherweise in Grenzen. Den Bärenanteil der Schule finanziert der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD). Doch organisatorisch und personell bleibt es eine Herausforderung. "Wir müssen natürlich jedes Mal schauen, wer den Aufwand betreiben kann, jemanden aufzunehmen", sagt Kaiser. "Nicht in jeder Gruppe passt das." Neben dem IMB beteiligen sich auch die Universitätsmedizin Mainz und der Fachbereich Biologie der JGU an der Summer School. "Dort sind diesmal vier Studierende in vier Forschungsgruppen integriert." Die 16 übrigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind am IMB.

Dr. Holger Richly etwa hat eine Spanierin in seine neunköpfige "Molecular Epigenetics"-Gruppe aufgenommen. "Wir beschäftigen uns unter anderem damit, wie während der Entwicklung aus Stammzellen spezialisierte Zellen entstehen. Unsere Summer School-Studentin untersucht mit uns, welchen Einfluss ein bestimmtes Gen auf die Entwicklung von Herzzellen hat." Richly hat bereits in den vorigen Jahren Studierende in seine Gruppe eingeladen. "Das macht natürlich zusätzlich Arbeit. Wir müssen ihnen am Anfang, wenn sie neue Methoden lernen, noch über die Schulter schauen. Aber sie sind sehr schnell dabei und machen dann ihr eigenes Ding. Mir ist es immer wichtig, dass meine Leute ihre eigenen Ideen entwickeln."

Für Kavšek und Carrasco Sala geht es demnächst wieder nach Hause. Vorher werden beide noch auf der Abschlussveranstaltung der Summer School ihre Forschungsergebnisse präsentierten. Es wird laufen wie bei einer der echten Konferenzen im IMB. Auch darauf wurden sie in den sechs Wochen vorbereitet.

Vielleicht kommt die eine oder der andere später sogar als Doktorand zurück nach Mainz. "Auch darum geht es uns", sagt Kaiser. "Wir wollen uns vorstellen, wir wollen uns als neues Institut präsentieren. Ein Viertel bis ein Fünftel unserer Summer School-Absolventen bewirbt sich später für unser Doktorandenprogramm." Wie auch immer: Den Kontakt untereinander will die Gruppe in jedem Fall aufrechterhalten. "Die anderen haben gefragt, ob ich ein Treffen organisieren kann", berichtet Kavšek. "Vielleicht sehen wir uns schon nächsten Sommer wieder."