Sommerfest um Salbei, Kamille und Co.

14. Juni 2016

Der Botanische Garten der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) hat auch in diesem Jahr wieder zu seinem traditionellen Sommerfest mit Führungen und Pflanzenbasar, Mitmachprogramm, Musik und buntem kulinarischen Angebot eingeladen. Diesmal standen die Arzneipflanzen im Mittelpunkt. Hunderte von Besucherinnen und Besuchern machten sich trotz des unbeständigen Wetters auf den Weg ins Grüne.

Die gesamte Nacht hindurch hatte es geregnet und auch tagsüber türmten sich graue Wolken am Himmel. Dr. Ralf Omlor berichtet von 15 Litern Niederschlag pro Quadratmeter. "Heute Morgen um sechs Uhr hat mich der Techniker angerufen, ob es sich überhaupt lohnt, unsere Bühne aufzubauen." Der Kustos des Botanischen Gartens auf dem Gutenberg-Campus beschloss: Es würde sich lohnen. Und nun strömen tatsächlich Hunderte von Gästen in den Garten. Das Sommerfest zwischen Gewächshäusern, Beeten und Bäumen hat Tradition. Das lassen sich die Mainzerinnen und Mainzer nicht entgehen, selbst wenn sie Pfützen umschiffen müssen und die Sonne sich schwer tut.

"Das kenne ich nicht", meint die siebenjährige Annika. Sie schaut ratlos in eine Schale voller gelblich-orangefarbener Fasern. "Das ist aus Hibiskusblüten", erklärt Pia Schäfer von der Grünen Schule des Botanischen Gartens. "Da vorn siehst du ein Foto, wie die Blüten aussehen. Davon brauchst du jetzt einen Teelöffel." Annika schaufelt hochkonzentriert die richtige Menge in ihr kleines Säckchen. Dann geht es zur nächsten Zutat. "Das ist Süßholz, die Wurzel einer Pflanze. Davon brauchen wir nur eine Löffelspitze, es ist nämlich ein wenig bitter."

Teebeutel frisch gemischt

Nicht nur Kinder stehen Schlange, um sich ihren ganz persönlichen Teebeutel zu mischen. Zur Auswahl stehen "Wieder gut"-Tee, "Hatschi"-Tee und Annikas "Muntermacher"-Tee, der nun noch mit Hagebutten und Orangenschalen abgerundet wird. Dann schreibt die Siebenjährige sorgfältig ein Etikett, knotet es an ihre Kräutermischung und zieht zufrieden zum nächsten Stand.

Arzneipflanzen sind das Jahresthema im Botanischen Garten. Vor Kurzem ist hier der "Gart der Gesundheit" entstanden, angeregt von einem bedeutenden Mainzer Kräuterbuch aus dem Jahr 1485. Mit Arzneipflanzen begann einst die Geschichte botanischer Gärten, nun werden die Arzneipflanzen zum Mittelpunkt des Sommerfests. An einer ganzen Reihe von Ständen können die Besucherinnen und Besucher vieles über Pfefferminze, Salbei, Kamille und Co. erfahren.

Die Apothekerkammer Rheinland-Pfalz ist das erste Mal mit von der Partie beim Sommerfest. Sie lädt zur Arzneipflanzenrallye und zu einem Schnupperquiz: Acht Säckchen enthalten verschiedene Kräuter, die es am Geruch zu erkennen gilt. Ursula Kreis schaut sich einen der zahlreichen Lösungsbögen an: "Nur zwei Richtige", bedauert sie. Das ist weit unter dem Durchschnitt.

Interessiertes Publikum

Weit über dem Durchschnitt hingegen ist das Interesse und die Beteiligung am Stand. "Wir sind sonst viel auf Messen zu Gast. Aber so einen Andrang wie hier, so ein interessiertes und informiertes Publikum, das haben wir selten", meint die Apothekerin begeistert. Arzneien aus Pflanzen gewinnen immer mehr an Bedeutung.

Jeder darf, aber nicht jeder muss sich beim Sommerfest mit den Arzneipflanzen beschäftigen. Viel Jazz steht diesmal auf dem Programm. Dazu gibt es Bratwurst, indische Spezialitäten und Kuchen an der Theke des Freundeskreises Botanischer Garten. Auch das hat Tradition – genau wie der beliebte Pflanzenbasar, auf dem verkauft wird, was der Garten übrig hat.

"Angezogene Feigen gehen immer gut", erzählt Gärtner Bernd Mengel, "die sind jedes Mal schnell weg." Er zeigt einige Kletter- und Staudenpflanzen aus dem bereits reichlich geplünderten Angebot. Auch einige Töpfe mit Rosmarin stehen noch auf den Tischen. "So sortenecht bekommen Sie den selten. Das hier ist Miss Yessop's Upright, dies Sissinghurst Blue."

Fleischfressende Pflanzen

Führungen bieten im Halbstundentakt einen etwas tieferen Einblick in die verschiedenen Bereiche des Botanischen Gartens. Omlor stellt den "Gart der Gesundheit" vor, Prof. Joachim W. Kadereit, der Direktor des Gartens, widmet sich den Unkräutern und Franziska Meinhard von der Grünen Schule präsentiert speziell für Kinder fleischfressende Pflanzen.

"Erwachsene dürfen mitlaufen", räumt Meinhard angesichts der bunten Schar der Neugierigen ein. "Aber die Kinder kommen zu mir nach vorn. Ihr sollt ja was sehen." Zu sehen gibt es zuerst ein Fettkraut, an dessen Blättern kleine Insekten kleben. "Wer will, kann es mal anfassen." Jeder will. Auch Kommentare wie "Eklig!" und "Ihhh!" schrecken niemanden ab. Meinhard lässt die Kinder spekulieren: "Warum fressen manche Pflanzen wohl Insekten?" Die Taktiken der unterschiedlichen Spezies sollen erraten werden: Wie fängt die Schlauchpflanze ihre Opfer, wie die Venusfliegenfalle?

Kinder drängen heran. Finger strecken sich unerschrocken in Richtung der Pflanzen. "Das wollt ihr auch anfassen, wirklich?", fragt Meinhard ungläubig, als sie den mit Wasser gemischten Verdauungssaft aus der Kannenpflanze in ein Schälchen gießt. "Helene fasst immer alles an", meint ein Junge im Vorschulalter mit Blick auf seine kleinere Schwester. Am Ende gilt es, die Pflanzen zu schonen. Meinhard hält einen Sonnentau in die Höhe. "Also den lassen wir jetzt mal in Ruhe." Doch auch dieses Gewächs kommt nicht ungeschoren davon.

Trotz Regen ein Erfolg

Am Nachmittag kehrt der Regen zurück. Aber das Publikum lässt sich von den kurzen Schauern nicht vertreiben. Gegen Abend packen dann die Stände nach einem ereignis- und erlebnisreichen Tag mit vielen kleinen und großen Besuchern zusammen. Der Eiswagen ist ausverkauft, die Bögen zum Geruchsquiz gehen zur Neige. Allein das Team der Grünen Schule hat noch Vorräte. Bis zum Schluss füllen die Gäste kleine Beutel mit Spitzwegerich und Ringelblüten, Fenchel und Melisse …

Der Kustos des Botanischen Gartens, Dr. Ralf Omlor, kann aufatmen. Es hat sich gelohnt, die Bühne aufzustellen. Das Sommerfest im Botanischen Garten war wieder ein Erfolg.