Ein Mann macht Lust auf lästige Lehre

16. April 2012

Besonders an Massenuniversitäten sollte die Lehre stärker in den Vordergrund treten, meint Dr. Malte Persike vom Psychologischen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Gerade erst wurde er vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und von der Hochschulrektorenkonferenz mit dem Ars legendi-Preis für exzellente Hochschullehre ausgezeichnet – und das, obwohl er etwas lehrt, wovor es seinen Studierenden graut: Psychologische Methodenlehre.

In seinem kleinen Büro steht eine große Couch. Auf das Möbel angesprochen, lächelt Dr. Malte Persike und winkt ab. "Das ist voll das Klischee. Aber Psychologie ist heute ganz anders, als man denkt. Die Couch ist nur noch ein Symbol."

Wer sich für ein Psychologiestudium entscheidet, der erwartet, dass er viel mit Menschen arbeiten wird. Die Therapie müsste doch im Mittelpunkt stehen, oder? Persike allerdings unterrichtet Psychologische Methodenlehre. Er führt die Studierenden auf das weite Feld der Statistik und zu den Tücken der Computersoftware. "Das haben die meisten gar nicht auf dem Schirm, wenn sie hier beginnen. Sie hassen die Veranstaltung. Sie kommen mit viel Angst und Abneigung her."

50.000 Euro für exzellente Lehre

Persike wollte daran etwas ändern – und das ist ihm gelungen. Dafür bekam er jetzt den Ars legendi-Preis für exzellente Hochschullehre. Einmal im Jahr wird die mit 50.000 Euro dotierte Auszeichnung vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und von der Hochschulrektorenkonferenz vergeben. Immer steht eine andere Fächergruppe im Fokus. Diesmal waren es die Sozialwissenschaften. Persike und Prof. Dr. Nina Kölsch-Bunzen von der Hochschule Esslingen sind die Preisträger 2012.

"Meine Eltern fragten gleich: 'Darfst du das Geld behalten?' Aber das ist gar nicht so wichtig. Mir ist viel wichtiger, dass meine Studis mich dafür vorgeschlagen haben. Das war ein Ritterschlag." Und noch etwas freut den Psychologen: "Bisher bekam man den Preis mit höchster Wahrscheinlichkeit, wenn man Professor war, gewissermaßen fürs Lebenswerk." Persike jedoch zählt zu dem, was in Hochschulkreisen etwas sperrig als "wissenschaftlicher Mittelbau" bezeichnet wird.

Lehre sollte stärker gewertet werden

"Wenn du die Zeit, die du in die Lehre gesteckt hast, in die Forschung gesteckt hättest, wärst du jetzt schon Professor", sagte ihm ein Freund. Doch für Persike ist die Lehre wichtig. "Gerade an den Massenunis – und Mainz ist ja eine – ist es wichtig, dass die Lehre stärker gewertet wird. Ich glaube, da findet gerade ein Umdenken statt, auch bei uns."

Persike versucht, den Studierenden ihren Einstieg in die Psychologische Methodenlehre so leicht wie möglich zu machen. Dabei hat er gelernt, dass er sie nicht mit Formeln locken kann, praktische Beispiele sind Trumpf. "Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Depressiven da sitzen. Wie behandeln Sie den? Sie haben ja verschiedene Wege zur Auswahl." Forscher haben all diese Wege ausprobiert. "Sie müssen viele Experimente machen, dann bekommen Sie Zahlen, die fließen in Statistiken."

Psychologen mögen keine Statistik

Diese Statistiken sollte ein Psychologe kritisch lesen können: "Wird etwas richtig begründet? Fehlt eine Angabe? Hat da jemand ein Verfahren benutzt, dass man mit diesen Daten eigentlich nicht benutzen darf?" Aber es geht noch weiter. Natürlich muss der Psychologe selbst Statistiken erstellen. "Schon einen vernünftigen Fragebogen auszuarbeiten ist schwierig." Und im Hinterkopf sollte dabei immer bleiben: "Statistik ist eine Wahrscheinlichkeitsaussage. Wenn also etwas zu neunundneunzig Prozent zutrifft, kann das eine Prozent auch stimmen. Wahrscheinlichkeit ist keine Wahrheit. Unsere Aussagen sind keine Gewissheiten, sondern Hypothesen."

Lernen mit Twitter und YouTube

Persike setzt für sein Fach so ziemlich alles ein, was die digitale Welt zu bieten hat, ob YouTube, Twitter oder Facebook. So sind nicht nur seine Vorlesungen als YouTube-Video zu haben: "Ich spreche auch über Details, für die ich in der Vorlesung selbst keine Zeit habe. Zum Beispiel: Wie genau wird das gemacht mit Excel?" Die Studierenden können das Video anhalten, sie können eine Sequenz wiederholen. "Jeder Studi kann in seinem eigenen Tempo arbeiten, das ist wichtig."

Daneben gibt es schnelle und aktuelle Informationen über einen Twitter-Feed, Persike betreibt ein Tutorennetzwerk auf Facebook und einiges mehr. "Die Vielfalt ist wichtig, damit sich jeder seinen eigenen Weg heraussuchen kann."

Trotz aller Vielfalt ist darf aber auch eine gewisse Einheit nicht fehlen: "Unsere Inhalte sollen nicht als getrennte Gebiete, sondern gebündelt rüberkommen." Software, Statistik und Erhebung verschmelzen zu einem Ganzen.

Werden Vorlesungen überflüssig?

Regelmäßig bewerten die Studierenden Persikes Angebote. "Als ich mit YouTube begann, wurden diese Bewertungen schlagartig besser." Ausruhen will er sich jedoch nicht auf seinem Erfolg. Immer neue Ideen fließen in seine Lehre. "Ich denke manchmal, Vorlesungen werden irgendwann völlig überflüssig."

Die Psychologische Methodenlehre mit ihrer Statistik allerdings wird wichtig bleiben, da sollten sich angehende Psychologen keine Illusionen machen. Die Couch mag nur noch ein Symbol sein, aber die Formeln, die zählen. Persike tut viel dafür, dass seine Studierenden daran nicht verzweifeln.