Spaß an der Vielfalt des Sports

26. Januar 2017

Bereits zum zweiten Mal bieten Studierende des Instituts für Sportwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) unter dem Motto "Sport ohne Grenzen" Flüchtlingskindern die Gelegenheit, an zwei Wochenenden verschiedenste Disziplinen von Basketball über Turnen bis zu Ultimate Frisbee kennenzulernen. Prof. Dr. Wolfgang Schöllhorn hat dieses Projekt ins Leben gerufen, von dem nicht nur die Kinder, sondern auch die Studierenden profitieren.

In der Leichtathletikhalle auf dem Gutenberg-Campus geht es ungewöhnlich laut zu. Das Institut für Sportwissenschaft hat rund 40 Kinder aus Afghanistan und Syrien, aus Serbien und anderen Ländern zu "Sport ohne Grenzen" eingeladen. Die 8- bis 14-Jährigen sind als Flüchtlinge nach Mainz gekommen und können nun an zwei Wochenenden spielerisch unterschiedliche Sportarten erleben.

Die meisten von ihnen haben Schreckliches in ihrem Heimatland oder auf der Flucht erlebt, aber das scheint für den Moment vergessen. Sie sind mit Leidenschaft dabei. Jetzt haben sie Spaß am Spiel mit bunten Luftballons. Die Kinder dürfen selbst vorschlagen, was gemacht wird. In dieser lockeren Atmosphäre lernen sie sich untereinander kennen und gehen auf Tuchfühlung mit den Studierenden, mit denen sie insgesamt vier Tage auf dem Campus verbringen.

Studierende führen Regie

"Sport ohne Grenzen" ist nicht nur ein kostenloses Angebot für Flüchtlingskinder, es ist auch ein Projekt, mit dem sieben Lehramtsstudierende ein Semester lang beschäftigt waren. "Die Veranstaltung lag ganz in der Verantwortung der Studierenden", betont Kimberly Schäfer, die unter Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Schöllhorn das Lehrprojekt am Institut für Sportwissenschaft begleitet. "Wir haben uns möglichst herausgehalten. Die Studierenden konnten das Programm in Eigenregie erstellen, sie mussten entscheiden, welche Materialien sie brauchen, und haben eigenständig Sponsoren kontaktiert."

Schöllhorn und Schäfer haben nur dort beraten, wo die Studierenden es wünschten. "Wir haben ihnen gesagt: Seid flexibel, probiert euch aus, bevor ihr in die Schulen geht. Wenn ihr uns braucht, dann treffen wir uns, wenn nicht, dann nicht."

Klar war nur, dass gewisse Elemente vorkommen sollten. "Wir wollten zum Beispiel eine Datenerhebung dabei haben", erzählt Schäfer. "Die Studierenden führen eine quantitative Überprüfung durch." Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens sollen eingeübt werden, auch das gehört zum Projekt. Für die Kinder heißt das: Sie durchlaufen zu Beginn und zum Finale der Veranstaltung eine Reihe von Sportmotoriktests.

"Füße zusammen, Knie durchgedrückt", weist Till Bösterling an. Das Mädchen vor ihm soll mit den Fingerspitzen möglichst weit nach unten reichen. "Runter, runter, noch ein bisschen. Ja, sehr gut, du hast null geschafft." Die kleine Nachwuchssportlerin schaut ihn fragend an: Null? "Je niedriger die Zahl, desto besser. Null ist super."

Viel Freiraum für Kinder

Bösterling studiert im neunten Semester Sport und Englisch auf Lehramt. "Hier habe ich die Chance, den Umgang mit Kindern einzuüben, wie er später in der Schule auf uns zukommt", meint er. Dies ist zwar nicht die einzige Lehrveranstaltung, die sich mit der Vermittlung von Sport beschäftigt, "aber meist werden die Schüler von Kommilitonen gespielt und das ist natürlich etwas völlig anderes."

Die heterogene Gruppe bestehend aus Kindern verschiedensten Alters und unterschiedlichster Herkunft sieht Bösterling als willkommene Herausforderung. "Dass es sich um Flüchtlingskinder handelt, war in unserer Vorbereitung kein großes Thema. Nur über die potenzielle Sprachbarriere haben wir uns Gedanken gemacht." Neben einigen anderen Helferinnen und Helfern kam eine Bekannte dazu, die Farsi spricht. Doch ihre Kenntnisse werden gar nicht gebraucht. "Die Kinder können alle erstaunlich gut Deutsch."

"Sport ohne Grenzen" bietet vier Tage lang jeweils sieben Stunden Programm und dazu freie Verpflegung zum Nulltarif. Zu Beginn bekommt jedes Kind seinen eigenen "Reisepass": ein kleines Heft, in dem Stempel für einzelne sportliche Disziplinen gesammelt werden können. Basketball steht unter anderem neben Turnen, Ringen und Ultimate Frisbee auf dem Programm. Zudem finden sich Rubriken wie "Male ein Bild von dir selbst" oder "Das mag ich". Und wenn es wider Erwarten langweilig werden sollte, darf der Reisepass auch als Malbuch genutzt werden. Nicht nur die Studierenden, auch die Kinder bekommen ihren Freiraum bei "Sport ohne Grenzen".

"Wir wollen vom traditionellen Lehrstil wegkommen", erzählt Niclas Ruppert. Er studiert im neunten Semester Sport und Geografie. "Wir geben zwar einen gewissen Input und schlagen den Kindern Bewegungsformen vor, aber letztendlich sollen sie selbst herausfinden, was für sie die optimale Bewegung ist." Das ist Teil von Schöllhorns Konzept des differenziellen Lernens: Es führt weg vom stereotypen Training mit immer gleichen Abläufen und hin zur ständigen Variation, zum freien Ausprobieren und zur Flexibilität.

Aufwendiges Lehrprojekt

"Sport ohne Grenzen" für Flüchtlingskinder findet in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal am Institut für Sportwissenschaft der JGU statt. Darüber hinaus bieten Schöllhorn und sein Team noch ein einwöchiges Kids Camp an, das sich an alle Kinder wendet. Geplant ist, beides unter dem Label "Sport ohne Grenzen" zusammenführen. "Wenn wir anfangen, Unterschiede zu machen zwischen Flüchtlingskindern und anderen Kindern, kommen wir nie zu einer Normalität", sagt Schöllhorn, der sich bei diesem Termin ansonsten eher zurückhält: Kinder und Studierende stehen hier im Vordergrund.

Nach dem Sportmotoriktest und den Kennenlernspielen mit den Luftballons teilen sich die Kinder in Gruppen auf. "Wir haben beschlossen, dass sie selbst entscheiden dürfen, in welche Gruppen sie gehen möchten", sagt Schäfer. Vier Studierende halten vier Schilder mit den Silhouetten von Erdteilen hoch. Amerika und Afrika, Europa und Asien stehen zur Auswahl. Die Kinder stürmen die Erdteile, was nicht ohne kleinere Konflikte abläuft.

"Eigentlich ist das hier eine ganz normale Lehrveranstaltung im Bereich Projektmanagement", meint Lena Zell, Sport- und Geografiestudentin im zehnten Semester. "Aber es ist für uns schon viel mehr Aufwand als in vergleichbaren Veranstaltungen. Manche gehen für einen Tag in eine Schule, wir machen Programm für zwei Wochenenden." Ihr war schnell klar, dass einiges auf sie zukommen würde. "Aber ich habe das Gefühl, hier etwas wirklich Nützliches zu tun", meint sie mit Blick auf die 40 Kinder, die sich fröhlich um die Erdteile scharen. Die Reise in die wunderbare Welt des Sports kann beginnen.