Containerboot wird zum Kunstobjekt

25. Mai 2012

Die Licht- und Klanginstallation "resonate" war ein Riesenerfolg auf der Frankfurter Luminale. Täglich wollten rund 2.000 Besucher das zum Kunstwerk umgebaute Containerboot sehen. Möglich wurde das Projekt durch eine Kooperation der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) mit der Fachhochschule (FH) Mainz. Studenten des Fachbereichs Gestaltung taten sich mit Kaspar König von der Hochschule für Musik zusammen.

Schöne Boote sehen anders aus, da gibt es keinen Zweifel. Dieser längliche, leicht lädierte Kasten würde für sich genommen keine Besucher anlocken. Doch zur Luminale, dem großen Lichtspektakel in Frankfurt, strömten Tausende hinein, und auch am Mainzer Rheinufer reißt der Strom der Neugierigen nicht ab. Denn die angerostete Schale birgt Erstaunliches.

"Am Anfang war das Boot", erzählt Isabel Klaus, Studentin an der FH Mainz. "Wir wollten etwas für die Luminale machen. Es war die Idee, mit dem Boot ein großes Instrument zu schaffen." Das Projekt "resonate" des Masterstudiengangs Kommunikation im Raum war geboren. Fünfzehn Studierende des Fachbereichs Gestaltung machten sich an die Arbeit – und merkten schnell, dass ihnen was fehlte: der Ton.

Große Begeisterung, viel Arbeit

"Die FH fragte bei meinem Professor an, ob die Neue-Musik-Klasse Interesse an dem Projekt habe", erinnert sich Kaspar König. Prof. Peter Kiefer lud seinen Studenten König ein, sich das anzuschauen. "Ich habe mich schnell dafür begeistert, aber ich merkte auch ziemlich schnell: Hey, das ist ja viel Arbeit." Damit war König, der erste Absolvent des jungen Masterstudiengangs Klangkunst-Kompostion an der Hochschule für Musik, mit im Boot – buchstäblich.

Im Boot ist alles anders. Eine fremde Welt tut sich auf vor den Augen und Ohren der Besucher. Im Dunkeln schimmert es blau, Wassertropfen fallen, ein metallisch klingender Ton vibriert endlos. Im Schwarzlicht erstrahlt eine komplexe Konstruktion aus Seilen. Sie durchzieht den Stahlrumpf wie ein zum Zelt geformtes Spinnennetz. In acht Kegeln gebündelt streben diese phosphoreszierenden Fäden zum Boden hinab. Dort münden sie in Objekten, auf deren Oberfläche immer neue Lichtmuster entstehen.

Spiel mit Ton und Licht

Die Menschen, die durch diese Licht- und Klanginstallation wandeln, wirken zunächst zurückhaltend, beinahe eingeschüchtert. Dann tasten sie vorsichtig nach einzelnen Fäden. Prompt ändern sich die Farbmuster am Fuß der sechs Kegel. Eine junge Frau wird mutiger, sie zieht kräftig an einem ganzen Bündel strahlender Seile. Ein blau-rotes Farbgewitter entsteht, begleitet von gespenstischen Geräuschen. Ist da eine Bratsche zu hören, Wellenplätschern, ein raues Knarren? Egal, ihr Spieltrieb ist geweckt.

"Ich bin auch jemand, der erst beobachtet, sich erst mal orientiert und dann seine Hemmungen ablegt", erzählt König. "Es ist interessant, dass die Besucher ähnlich reagieren." Nicht nur das freut ihn. "Nach Frankfurt können wir ja sowieso nur jubeln. Es war ein großer Erfolg."

Vor dem Erfolg stand viel Arbeit. Im Oktober 2011 begannen die ersten Planungen. Unter anderem lud König die FH-Kommilitonen zum Workshop. "Sie sollten sich noch viel bewusster über den Klang werden." Umgekehrt nahm auch er Anregungen auf. "Die Zusammenarbeit war sehr hilfreich, um den richtigen Ton zu finden."

1.600 LED-Leuchten im Boot

Zwei sehr unterschiedliche Fachreiche stießen aufeinander und so entstand etwas Neues, aber auch etwas Aufwändiges, Kostspieliges. Die JGU förderte "resonate" im Zuge der Exzellenzinitiative als innovatives Lehrprojekt des Gutenberg-Lehrkollegs (GLK) und auch private Sponsoren fanden sich, anders wäre die Installation nicht zu verwirklichen gewesen.

"Die reine Aufbauarbeit ging von Anfang Februar bis Mitte April", sagt FH-Student Nemanja Tomasevic. "Wir waren am Tag mindestens zehn Stunden auf dem Boot." "So ein Realisationsprojekt findet man selten", ergänzt Klaus. "Diese Art zu arbeiten war für viele ein Grund, in Mainz zu studieren." 1.600 einzeln über Computer ansteuerbare LED-Leuchten installierten die Studierenden im 40 Meter langen Bootsinnenraum, acht Kilometer Kabel spannten sie im stählernen Rumpf. "Diese Seile wurden extra für uns produziert", erzählt Tomasevic, "sie mussten elastisch sein und zugleich Schwarzlicht reflektieren."

Derweil arbeitete König am Klang. Er nahm das Geräusch der Wellen auf, experimentierte mit einem tropfenden Wasserhahn und spielte auch traditionelle Instrumente ein. "Ich denke, ich passe nicht in die klassischen Hörgewohnheiten. Ich merke, dass mein Ohr Überraschungen will", sagt er. Im Wesentlichen besteht die fertige Komposition aus zwei Komponenten: Einige wenige, gleich bleibende Grundtöne, die Drones, die auf verschiedenste Art modifiziert werden, spiegeln das Einwirken des Wassers auf den Bootsrumpf. Hinzu kommen die Klänge der acht Kegelobjekte. Dort kann der Besucher mit seinem Fadenspiel nicht nur Lichteffekte erzeugen, er kann quasi auch mitmusizieren.

Zwei Disziplinen treffen sich

Licht und Klang faszinierten die Besucher, ob auf der Luminale in Frankfurt oder am Tag der offenen Tür der FH. Doch das ist es nun gewesen, die Installation ist abgebaut. Immerhin bleiben die Website im Internet und das Gefühl des Erfolgs. "Es war spannend, mit einer ganz anderen Disziplin zusammenzuarbeiten", meint Klaus mit Blick auf König. "Wir haben am Anfang fast schon unterschiedliche Sprachen gesprochen."

Kaspar König selbst ist nicht nur von dem Projekt angetan. Er fühlt sich auch in seiner Entscheidung bestätigt, als erster den Masterstudiengang Klangkunst-Komposition an der Hochschule für Musik zu belegen. Zwar hatte er zuvor bereits Industriedesign/Konzeptdesign in Berlin studiert und war unter anderem als Musiker, Lehrer und mit diversen Installationen unterwegs. "Aber mir fehlte noch der enge Zusammenhang zwischen Klang und Objekt. Außerdem konnte ich in Mainz mitdefinieren, woraus mein Studium bestand, das hatte einen besonderen Reiz. Und ich hatte als Juniormitglied der Gutenberg-Akademie viele Möglichkeiten."

Neues von Kaspar König

Von ihm wird noch zu hören sein in der Stadt. "Ich arbeite hier gerade mit einem Mediziner, einem Filmdramatiker und einem Soziologen an einer App fürs Smartphone", erzählt Kaspar König. Wieder sollen Klang und Farben eine Rolle spielen, und wieder geht es um Interaktion. "Aber es wird noch dauern. In einem Jahr ist hoffentlich alles fertig programmiert." Viel Arbeit also – wieder mal.