EM im Herzen, Sommer im Kopf

30. Mai 2012

Fünf Studenten der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) präsentieren ihren musikalischen Beitrag zur Fußball-Europameisterschaft. Als "So! ... und nicht anders" singen sie a cappella vom Titelgewinn und liefern dazu ein skurriles Video ab, von dem sich selbst Profis einiges abschauen können. Im Gespräch erzählen sie von Freundschaft, den Fans und der Kunst, Musik einfach zu machen.

Die Männer machen sich bereit, in der Umkleide brennt die Luft, gleich geht's ins Stadion zur zweiten Halbzeit. Der Sportreporter kommentiert atemlos: "Adugna heute mit einer engagierten Leistung, immer wieder zermürbte er mit Tempowechseln das Stück ... Günster scheint nach dieser anstrengenden ersten Strophe eine Pause nötig zu haben ... Aber was ist das? SUNA scheinen sich gefunden zu haben. Sie müssen singen, sie singen – und: Ton, Tooon, Tooooon!"

"Es sollte was werden, was gleich jeder mitsingen kann", erzählt Christoph Günster, 24 Jahre, Medienmanagement-Student an der JGU, über die Entstehung des Songs "Reif für den Titel". Die Sonne scheint, er sitzt entspannt in einem Mainzer Café, mit ihm am Tisch: Josef Adugna und Benedikt Vogt. Die drei sind die Keimzelle der A-cappella-Gruppe "So! ... und nicht anders", kurz: SUNA. 2007 sangen sie mit zwei Kumpels beim Abschlusskonzert des Abi-Jahrgangs in der Hargesheimer Alfred-Delp-Schule. "Die Rückmeldung war eindeutig", erinnert sich Vogt: "Mensch, das war toll, macht doch weiter!"

"Wir wollen nicht unbedingt A-cappella-Stars werden"

Drei von fünf machten weiter. "Es war jetzt nicht wie bei den Wise Guys. Wir wollen nicht unbedingt A-cappella-Stars werden", sagt Günster. Aber sie wollten schon schauen, was in dieser Richtung möglich ist. "Das hat auch die Wahl unseres Wohnorts beeinflusst." Gemeinsam sind sie nach Mainz gezogen. Hier studiert Vogt BWL, Adugna Musikwissenschaft und Buchwissenschaft. Hier füllten sie auch ihre Reihen wieder auf: Nicolas Ries, Studienfach Musik, und Thomas Lang, Pädagogik, kamen dazu.

Günster ist der kreative Kopf der Gruppe. Er schreibt die Texte und komponiert die Songs, die sich allesamt gnadenlos als Ohrwürmer in den Gehörgang bohren. Die Melodien sind einfach gehalten. "Ich sage ihm immer mal: Mach das noch klarer", erzählt Adugna. "Einfacher ist oft auch schöner." "Ich hatte immer mehr den Zugang über den Text als über die Musik", sagt Günster. "Und wenn der Text gut rüberkommt, kann ich gern auf ein Gitarrensolo oder andere Sachen verzichten."

"Das ist ein Lied gegen die Fassenacht"

Ihre Stilrichtung nennen die fünf von SUNA in Anlehnung an die Musik der Wise Guys Vokalpop. Und wie die Kölner Kollegen setzen die Wahlmainzer auf eine ordentliche Dosis Humor, die bei jedem Titel ihrer ersten und bisher einzigen CD "Kopfkino" auf die ein oder andere Weise durchscheint.

Sie singen von "Magermodelfrauen" und von der fünften Jahreszeit in Mainz: "Das ist ein Lied gegen die Fassenacht, / denn ich hab gesagt, ich hasse, was die Masse macht ... / Das ist ein Lied gegen Stammtischniveau, / gegen Kotze auf der Straße und gegen Dixi-Klo." "Das haben wir sogar auf einer Kappensitzung gesungen", erinnert sich Adugna. "Die Fastnachter hatten Spaß daran." SUNA kann auch Liebeslieder: "Du machst mir Sommer in meinem Kopf", heißt es zu einer lockeren Melodie mit viel Drive. "Deine Sandalen sind der Sand, du bist die Sonne, deine Augen sind die Sterne."

"Wir können uns hinter keinem Instrument verstecken"

Derzeit sind die Jungs dabei, ihre Bühnenauftritte zu perfektionieren. "Wir leben vom Kontakt mit dem Publikum", sagt Adugna. "Deswegen läuft es bei uns auch nicht mehr einfach nur Ansage-Lied-Ansage-Lied. Wir versuchen, auf die Leute zuzugehen, und wir bauen Comedy-Elemente ein." Die Nähe zu den Fans sei gerade bei A-cappella-Bands groß. "Da ist ja nichts zwischen uns und ihnen. Wir können uns hinter keinem Instrument verstecken, da sind nur unsere Stimmen", meint Vogt. Mit diesen Stimmen sind die fünf schon ein ganzes Stück weit gekommen. SUNA spielte als Vorband zu Christina Stürmer, vier Auftritte im Monat sind immer drin und die Facebook-Gemeinde wächst. "Wir haben uns inzwischen auch eine Agentur besorgt", erzählt Günster. "Das war wichtig, nun müssen wir nicht mehr alles allein machen."

"Lassen Rettungsschirme sein, führen die D-Mark wieder ein"

Und dann haben sie diesen EM-Song rausgebracht, auf Youtube ist er frei zu haben: "Millionen auf der Straße, schwarz-rot-goldnes Fahnenmeer, / der letzte Titel unsrer Elf ist viel zu lange her. / Endlich werden Träume wahr, / genug vom Fußballfrust. / Das beste Team trägt dieses Jahr den Adler auf der Brust. / Wir forcieren den Kreditausfall von Holland bis nach Portugal, / auch Spanien wird herabgestuft. / Lassen die Rettungsschirme sein, / führen die D-Mark wieder ein, / bis der Europameistertitel endlich ruft."

Dazu drehte SUNA gemeinsam mit Freunden ein herrlich albernes Video mit Profiniveau. "Wir haben zwei Meter Rollrasen auf dem WG-Tisch ausgebreitet", erzählt Günster. Hinzu kamen ein aufwendig gebasteltes Stadion und eine Zuschauermenge, bestehend aus Obst, Früchten und anderem Allerlei mit aufgeklebten Gesichtern. Die Bandmitglieder selbst geben die Fußballheroen und vernaschen symbolisch ein jedes Gegnerland. Käse steht für Holland, Pizza für Italien, Baguette für Frankreich. Es entbrennt ein komisch-kulinarisches Massaker vor vegetabilem Publikum.

"Wir sind reif für den Titel"

"Das Besondere ist, dass wir alles zusammen machen, in den Urlaub fahren, Silvester feiern", erzählt Günster. "Wir haben Spaß zusammen und wir machen uns keinen Druck. Auf der Bühne haben wir sogar manchmal mehr Spaß als das Publikum. Mit dem EM-Song wollten wir mal so richtig auf die Kacke hauen."

"Wir sind reif für den Titel, / kämpfen und siegen, / das nächste Kapitel / wird endlich geschrieben", singen die fünf im Refrain. Es bleibt abzuwarten, wo es hingeht - sowohl mit der deutschen Mannschaft bei der EM als auch mit SUNA auf den Bühnen der Republik.