Weltweites Werben für ein Studium in Mainz

22. September 2017

Die Gutenberg-Stadt Mainz kann nicht unbedingt jeder sofort auf der Weltkarte verorten. Auch internationalen Schülern und Studierenden, die in Deutschland eine Universität besuchen möchten, sind zunächst meist nur die großen Metropolen wie Berlin und München ein Begriff. Am Internationalen Studien- und Sprachenkolleg (ISSK) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) arbeiten Silke Dosch-Reuting und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter daran, dies grundlegend zu ändern.

Noch wirken die Wände in den neuen Räumlichkeiten des Internationalen Studien- und Sprachenkollegs etwas kahl. "Das sollen echte Werbewände werden und wir bereiten die entsprechenden Fotos und Grafiken sorgfältig vor", erläutert die Leiterin des ISSK, Silke Dosch-Reuting. Wir wollen hier die Studiengänge unserer Universität präsentieren, aber nicht mit langweiligen Postern oder irgendwelchen Flyern an Pinnwänden." Der Fachbereich Physik, Mathematik und Informatik hat bereits beeindruckende Bilder versprochen – etwa vom Mainzer Teilchenbeschleuniger MAMI. "Die Informatiker haben einen Algorithmus entwickelt, der Fotos derart verfremdet, als hätte Picasso sie gemalt: Das animierte Plakat des Instituts wird immer anders aussehen, je nachdem, aus welchem Winkel man es betrachtet."

Dosch-Reuting erzählt mit viel Leidenschaft von diesen Plänen. Sie sind Teil des Vorhabens, junge Menschen aus dem Ausland für ein Studium an der JGU zu begeistern. Das ISSK hat dafür in den vergangenen Jahren viele Verbindungen rund um den Globus aufgebaut. Nun soll das Netz noch enger geknüpft werden. Dosch-Reuting will davon berichten, doch nicht allein: "So ein Projekt kann man nur mit einem Team stemmen", betont sie, bevor sie Dr. Dorota Piestrak-Demirezen, Romina Agostino und Sascha Fränkel vorstellt. Die drei unterrichten am ISSK und arbeiten an wichtigen Knotenpunkten im neuen Netz.

Kooperationsverträge mit Auslandsschulen

In fast allen Bundesländern gibt es Studienkollegs. Ihre Kurse befähigen Ausländerinnen und Ausländer ohne direkten Hochschulzugang, an deutschen Universitäten zu studieren. Dabei geht es neben dem Spracherwerb auch um die Vorbereitung auf verschiedenste Fachrichtungen. Es ist also naheliegend, von hier aus die Bemühungen um Bewerberinnen und Bewerber aus dem Ausland zu koordinieren und voranzutreiben.

"Wir haben vor einigen Jahren festgestellt, dass die Zahl der Studierenden aus dem Ausland an der JGU rückläufig ist", beginnt Dosch-Reuting. "Wir haben uns gefragt: Läuft das an anderen Unis besser?" Berlin und München sind im Ausland entschieden bekannter als Mainz, das zieht junge Menschen an – auch wenn es um ein Studium geht. Doch es ist nicht nur die Prominenz dieser Städte, die ihre Universitäten so erfolgreich macht.

Auf einer Hochschulmesse in Kolumbien stieß Dosch-Reuting auf eine entscheidende Ursache für deren Erfolg: "Sie haben Kooperationsverträge mit deutschen Auslandsschulen. Das sind Schulen, in denen die Kinder von Beginn an bilingual unterrichtet werden. Sie bringen also sehr gute Deutschkenntnisse und allgemein eine Affinität zu Deutschland mit." Das Bildungsniveau in diesen hervorragend ausgestatteten Schulen ist hoch, die Absolventinnen und Absolventen sind besonders geeignet für ein Auslandsstudium. "Ich kam zurück und dachte: Okay, da steigen wir mit ein. Wir arbeiten ein tolles Angebot aus, das unsere Universität für diese jungen Leute interessant macht."

Wer sich für ein Studium an einer deutschen Hochschule bewirbt, muss in aller Regel eine lange Anreise in Kauf nehmen, um die Aufnahmeprüfung zu absolvieren. "Die Durchfallquote ist recht hoch, sie liegt zwischen 50 und 60 Prozent. Wir haben gesagt: Das ist unwirtschaftlich. Wir bieten eine elektronische Prüfung vor Ort in den Auslandsschulen an. Es muss also niemand extra nach Deutschland anreisen."

Online-Prüfungen weltweit

Fränkel nimmt den Faden auf: "Dafür mussten wir aber natürlich erst eine entsprechende Infrastruktur schaffen." Er unterrichtet Informatik und Mathematik am ISSK, ist also der richtige Mann für dieses Problem. "Wir haben eng mit dem Zentrum für Datenverarbeitung hier auf dem Gutenberg-Campus zusammengearbeitet, um die Rechnerstrukturen der Schulen an unsere anzupassen. Da gab es tatsächlich einige Punkte zu beachten." Unter anderem mussten auch Schummeleien ausgeschlossen werden. "Wir wurden vom ZDV geschult und werden bis heute bei der Vorbereitung und Durchführung aller Prüfungen tatkräftig unterstützt."

Parallel begann Dosch-Reuting, deutsche Auslandsschulen für Mainz zu interessieren. Besonders im Fokus stand dabei das brasilianische Colégio Visconde de Porto Seguro in Sao Paulo, mit 10.000 Schülerinnen und Schülern die größte deutsche Auslandsschule überhaupt. "Die Schule öffnete natürlich nicht automatisch die Türen für uns", räumt Dosch-Reuting ein. "Daher verbanden wir das Ganze mit einer Auslandsreise unseres Präsidenten."

Prof. Dr. Georg Krausch unterstützte die Initiative gern. Dies war eine von vielen Reisen, mal mit und mal ohne ihn. Zwei Schulen in Ecuador, zwei in Kolumbien und fünf in Brasilien stiegen ein. Verträge mit zwei weiteren Schulen in Argentinien sind in Vorbereitung. In Asien kamen Institute aus der vietnamesischen Region Hanoi hinzu, aus China bekundeten die Regionen Shanghai, Fuzhou und Chengdu ihr Interesse.

"Nun hatten wir die elektronischen Aufnahmeprüfungen und die Partner", fährt Dosch-Reuting fort. "Als nächstes stellten wir uns die Frage: Wie können sich die Schülerinnen und Schüler optimal auf die Prüfung vorbereiten?" Piestrak-Demirezen hat die Antwort parat: "Wir entwickelten multimediale Online-Kurse mit interaktiven Lern- und Übungseinheiten sowie mit prüfungsvorbereitenden Übungstests." Damit können sich Schülerinnen und Schüler nicht nur auf die Prüfung selbst vorbereiten – ihnen werden darüber hinaus Grundlagen der jeweiligen Fächer vermittelt, die als Basis und Vorentlastung des Präsenzunterrichts am ISSK dienen. "Ausländische Studierende sind eine sehr heterogene Gruppe, die wir im ISSK üblicherweise auf ein Lernniveau bringen müssen. Mit unseren Kursen konnten wir dafür Vorarbeit leisten."

Rundum-Service für Studierende

Nicht nur für die Online-Kurse stehen Ansprechpartnerinnen und -partner am ISSK bereit. Auch um die Fachberaterinnen und Fachberater an den deutschen Auslandsschulen kümmert sich das Kolleg. Agostino lernte und unterrichtete selbst an einer solchen Schule in Argentinien, nun betreut sie die Schnittstelle zwischen der JGU und den Schulen. "Wir bieten unter anderem Online-Sprechstunden für Schülerinnen und Schüler, Betreuerinnen und Betreuer, aber auch für Eltern an." Hinzu kommen reichlich Materialien wie etwa Broschüren und Filme in der jeweiligen Landessprache.

"Wir sind dann noch ein Stück weiter gegangen", erklärt Dosch-Reuting. "Natürlich machen sich Eltern Sorgen, wenn ihr wohlbehütetes Kind ins Ausland geht. Wo kommt es unter? Ist es auch sicher?" Sie nahm Kontakt mit dem Studierendenwerk Mainz auf und mit dessen Unterstützung lassen sich nun direkt vom Herkunftsland der Studierenden aus die Zimmer buchen. Zudem stehen JGU-Studierende in diversen Buddy-Projekten bereit, um den Neuankömmlingen weiterzuhelfen, und auch ein Kultur- und Freizeitangebot hat das Studierendenwerk zusammengestellt.

Nun fehlt nur noch eins: Eine durchschlagende Präsentation der einzelnen Fachbereiche der JGU für die ausländischen Interessenten. An der JGU lässt sich so ziemlich alles studieren: 75 Fächer mit insgesamt 242 Studienangeboten decken ein ungeheuer breites Spektrum ab. "Dafür müssen wir aber werben", betont Dosch-Reuting. Die erwähnten Plakate in den ISSK-Fluren sind da nur ein erster Schritt.

Fachbereiche im Fokus

"Ich habe Kontakt mit der Dekanin des Fachbereichs Physik, Mathematik und Informatik aufgenommen. Sie war sofort begeistert davon, ihren Fachbereich vorzustellen." Prof. Dr. Concettina Sfienti stieg euphorisch ein, als Mitte Februar 2017 eine Delegation des brasilianischen Colégio Visconde de Porto Seguro zur Unterzeichnung des Kooperationsabkommens mit der JGU nach Mainz kam. Sie stellte ein eindrucksvolles Tagesprogramm mit spektakulären Führungen für die Gäste zusammen.

"Unsere Gäste waren begeistert", sagt Dosch-Reuting. "Im September kommt nun eine 40-köpfige Schülergruppe aus Brasilien nach Deutschland. Ursprünglich stand Mainz gar nicht auf dem Reiseplan. Das hat die Delegation nachträglich noch geändert." Gemeinsam mit Sfienti will Dosch-Reuting den Fachbereich Physik, Mathematik und Informatik weiter durch Online-Präsentationen, aber auch direkt vor Ort für die Studierenden am ISSK bekannter machen.

"Die JGU hat viel zu bieten", sagt Dosch-Reuting. "Ein Studium hier ist attraktiv. Das muss im Ausland nur noch bekannter werden." Daran arbeitet sie mit vielen Partnerinnen und Partnern. Die Absolventinnen und Absolventen der deutschen Auslandsschulen sind umworben, nun wirbt Mainz ganz vorn mit. "Es wird so weit kommen, dass wir uns die Besten herauspicken können", prognostiziert Dosch-Reuting selbstbewusst. "Andere Hochschulen fragen schon nach unserem Konzept", erzählt sie.