Lebhafter Austausch mit Europa

18. Oktober 2017

Das Erasmus-Programm feiert seinen 30. Geburtstag: 1987 wurde das Bildungsprogramm von der Europäischen Union ins Leben gerufen, seitdem fördert es auf vielen Ebenen die Internationalisierung der Hochschullandschaft. 4,4 Millionen Studierende profitierten bisher davon. Erasmus weist eine einzigartige Erfolgsgeschichte auf, zu der auch die Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) ihren Teil beiträgt: Die JGU gehört zu den Hochschulen, die Erasmus besonders engagiert vorantreiben. Dafür wurde sie mehrfach ausgezeichnet.

Das europäische Erasmus-Programm ist ein Riesenerfolg in Mainz. Rainer Henkel-von Klaß und sein Team haben dazu eine umfangreiche Mappe mit Daten und Fakten zusammengestellt. "Wir arbeiten sehr transparent", kommentiert der Leiter der Abteilung Internationales der JGU lächelnd das Aufgebot an Unterlagen, das vor ihm auf dem Tisch liegt. Gemeinsam mit Lenka Tucek, die sich als ERASMUS-Hochschulkoordinatorin um die Studierendenmobilität an der JGU kümmert und mit Annegret Werner, die als Leiterin des EU-Servicepoints speziell die Erasmus-Praktika im Blick hat, will er von diesem Erfolg berichten.

Erasmus steht für "European Action Scheme for the Mobility of University Students". Wie der Name schon andeutet, startete das älteste Bildungsprogramm der Europäischen Union vor allem als Austauschprogramm für Studierende. Darin liegt bis heute seine Kernaufgabe. Mittlerweile unterstützt Erasmus zudem viele grenzüberschreitende Projekte in verschiedenen Bereichen der Bildung. Neben Studierenden profitieren davon auch Schülerinnen und Schüler, Lehrende und Hochschulpersonal. 2014 wurde mit Erasmus+ eine neue Phase eingeleitet: Das Angebot ist nun noch umfangreicher, differenzierter und flexibler. Weiter als zuvor reicht es über die europäischen Grenzen hinaus.

Erasmus für alle

Henkel-von Klaß hat die drei Jahrzehnte Erasmus an der JGU seit Beginn begleitet und mitgestaltet. "Vor Programmen wie Erasmus mussten Studierende ihren Auslandsaufenthalt mehr oder weniger selbst organisieren. Sie mussten sich um alle Details kümmern, auch um die administrativen Fragen. Es war oft ein Sprung ins kalte Wasser." Ob die jeweiligen Leistungen an einer ausländischen Gasthochschule später zu Hause anerkannt wurden, stand mehr oder weniger in den Sternen.

All das änderte sich grundlegend mit Erasmus. Ein Netz aus Partnerhochschulen entwickelte sich. In Vereinbarungen haben sich diese zu bestimmten Leistungen verpflichtet. "Jeder Erasmus-Studierende, der an die JGU kommt, bekommt ein Zimmer in einem der Studentenwohnheime, wenn er will", nennt Tucek ein einfaches Beispiel. Zudem wird möglichst vorher festgelegt, welche Kurse die Studierenden im Ausland belegen und inwieweit sie anerkannt werden.

"Jeder soll die Möglichkeit haben, an Erasmus teilzunehmen", sagt Tucek, "ob sozial Schwache, Studierende mit Kind oder mit Behinderung." Unter anderem helfen hier finanzielle Unterstützungen, die je nach Gastland bei 10 bis 14 Euro pro Tag liegen.

Qualitätssiegel für Mainz

Der Erasmus-Austausch fördert Sprachkenntnisse und Selbstständigkeit der Studierenden, sie lernen andere Länder und Kulturen kennen – und auch andere Lehr- und Lernkulturen. Der Austausch fördert viele Aspekte, die später im Berufsleben wichtig sind. "Erasmus war aber von vornherein auch ein politisches Programm", erinnert Henkel-von Klaß, "es fördert den europäischen Gedanken und schafft einen europäischen Hochschulraum." Das sei besonders wichtig in Zeiten, in denen das Fortbestehen der Europäischen Union so unsicher erscheint.

Die JGU war von Beginn an sehr aktiv im Bereich Erasmus. Tucek präsentiert eine Bilanz des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), der als Agentur die deutschen Erasmus-Aktivitäten betreut. "In Bezug auf die Erasmus-Mobilität belegen wir bundesweit immer einen der ersten fünf Plätze." Rund 700 Mainzer Studierenden ermöglichte Erasmus+ im vorigen Jahr einen Studienaufenthalt an einer der gut 400 ausländischen Partnerhochschulen der JGU. Hinzu kamen etwa 150 Praktika.

Vier Jahre in Folge bekam die JGU das Europäische Qualitätssiegel für besondere Verdienste im Erasmus-Austausch. "Die Austauschzahlen an der JGU sind seit vielen Jahren überdurchschnittlich hoch und stabil", sagt Werner. "An manchen deutschen Hochschulen sind die Zahlen nicht so konstant, sodass wir gefragt wurden: 'Wie macht ihr das?'"

Rezepte zum Erfolg

Henkel-von Klaß hat eine Antwort auf diese Frage parat: "Unsere Abteilung arbeitet sehr gut und vertrauensvoll mit den anderen Bereichen der JGU zusammen. Wir bekommen von allen Seiten Unterstützung. Das ist nicht selbstverständlich und trägt ganz entscheidend zum Erfolg des Erasmus-Programms an unserer Universität bei."

Tucek gibt eine weitere Antwort: "Nur wenige sind so organisiert wie wir. In den einzelnen Fächern und Instituten haben wir rund 140 Erasmus-Koordinatoren. Sie kümmern sich um die jeweiligen fachlichen Aspekte, wählen die Bewerberinnen und Bewerber aus und sprechen ab, welche Leistungen im Ausland zu erbringen sind. Wir von der Abteilung Internationales übernehmen dann den administrativen Teil."

Werner nennt einen dritten Aspekt: "Wir bringen uns bei den Studierenden immer wieder ins Gespräch. Wir machen zum Beispiel sehr viel Werbung vor Ort in den Fächern." Auch bei der Begrüßung der Erstsemester und der Begrüßung der ausländischen Studierenden ist die Abteilung immer mit von der Partie. Regelmäßige Informationsveranstaltungen, Infomaterial sowie Einzelsprechstunden runden das Angebot ab. "Wir setzen bei all diesen Aktivitäten gern auf Erlebnisberichte ehemaliger Erasmus-Studierender. Die bringen oft mehr als jede Statistik."

Generell blickt die JGU auf steigende Zahlen im Bereich Erasmus-Studienaufenthalte im Ausland – und bei den Praktika geht die Entwicklung noch steiler bergauf. "Dabei müssen die Studierenden hier mehr Eigeninitiative zeigen", bemerkt Werner, "sie suchen sich meist selbst einen Platz." Doch es gibt auch Projekte wie GET (German Educational Trainees Across Borders) in der Anglistik: "Jedes Jahr gehen um die 30 Studierende als assistierende Deutschlehrer an schottische Schulen. Das ist sehr beliebt."

Es geht noch besser

Alles läuft also gut. "Trotzdem haben wir noch Wünsche", erklärt Henkel-von Klaß. Der Austausch über Erasmus läuft nach dem Prinzip, dass etwa so viele Studierende ins Ausland gehen wie umgekehrt nach Mainz kommen. "Wir könnten die Zahlen steigern, indem wir Mainz noch attraktiver machen. Dafür sollten wir das englischsprachige Lehrangebot ausbauen. Wir sollten aber auch wieder Intensivkurse in Deutsch anbieten. Das haben wir schon einmal mit Erfolg gemacht."

"Mainz ist attraktiv", stellt Werner klar. "Das sagen uns viele Studierende, die hierherkommen und uns dann weiterempfehlen. Es gibt da tatsächlich so etwas wie einen Ansteckungseffekt. Aber Mainz ist im Ausland einfach nicht so bekannt wie etwa Berlin oder München."

Dennoch liegt die JGU ausgerechnet mit den Universitäten dieser Städte im Spitzenfeld bei der Erasmus-Studierendenmobilität. Sie kann sich also mit ihnen messen, da sind sich Henkel-von Klaß, Tucek und Werner sicher.