20 Jahre interkulturelle Forschung

14. Oktober 2017

Das Zentrum für Interkulturelle Studien (ZIS) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) feiert im November 2017 sein 20-jähriges Bestehen. Im Rückblick schauen ZIS-Sprecher Prof. Dr. Anton Escher und die wissenschaftliche Koordinatorin des Zentrums, Heike C. Spickermann, auf die Geschichte und die Leistungen dieser außergewöhnlichen Institution.

"Wir haben viel auf die Beine gestellt", freut sich Prof. Dr. Anton Escher im Rückblick auf 20 Jahre Zentrum für Interkulturelle Studien. Der Kulturgeograf und ZIS-Sprecher stellt die Leistungsfähigkeit, Vielseitigkeit und Effektivität des interdisziplinären Zentrums auf dem Gutenberg-Campus heraus, das er seit 2006 leitet. "Wie Deine Vorgänger hast Du dem ZIS wichtige Impulse gegeben und eine sehr gute Förderpolitik etabliert", betont Heike C. Spickermann, die wissenschaftliche Koordinatorin des ZIS. Mit Escher habe sich das ZIS ganz besonders auf die breite Forschung konzentriert.

Spickermann und Escher sind zusammengekommen, um im Vorfeld der Feierlichkeiten zum 20-jährigen Bestehen des ZIS Anfang November ein wenig zurückzublicken und Bilanz zu ziehen. Auf dem Tisch vor ihnen liegen Plakate, die für die Vorträge von ZIS-Gastprofessorinnen und -professoren werben. Zahlreiche Flyer zu verschiedensten Tagungen und Veranstaltungen finden sich hier ebenso wie die Bände der vom ZIS aufgelegten Schriftenreihe "Intercultural Studies".

Interkulturell und interdisziplinär

Von Beginn an war klar, dass das ZIS interkulturell und interdisziplinär arbeiten sollte. Und so geht es in seinen Projekten um Migration und Mobilität, um kulturelle Selbst- und Fremdbeschreibung, um Kulturkontakte und -konflikte, um Probleme der Globalisierung, Geschlechterdifferenzen und vieles mehr. "Die Interdisziplinarität wurde früher immer wieder als schwierig kritisiert", erinnert sich Spickermann. "Fächerübergreifend zu forschen hatte eine politische Komponente: Die Fachbereiche oder Fakultäten waren autonom, sie wollten sich nicht in ihre Arbeit hineinreden lassen", ergänzt Escher. "Und Interkulturalität war so ein Catch-all-Begriff. Da schien einfach alles hineinzupassen."

Dem ersten ZIS-Sprecher, Prof. Dr. Dieter Lamping, und seinem Nachfolger, Prof. Dr. Alfred Hornung, gelang es dennoch, das Zentrum fest an der JGU zu etablieren. Sie brachten zahlreiche Initiativen auf den Weg und knüpften ein weites Netz aus internationalen Kontakten. "Das ZIS ist eines von drei, vier Instituten dieser Art bundesweit, das tatsächlich weltweit eingebunden ist", betont Escher. Unter anderem ist es Mitglied im Consortium of Humanities Centers and Institutes.

Mainzer Migrationsstudie

"Vor zehn Jahren hieß es: Wir organisieren um, die vielzähligen verschiedenen Zentren der JGU werden aufgelöst. Zwei allerdings blieben bestehen, eines davon waren wir", erinnert sich Escher. Zwei Jahre später kam das ZIS nochmals auf den Prüfstand. "Glücklicherweise erkannte der Präsident der JGU, Prof. Dr. Georg Krausch, dass Interkulturalität eine immer größere Rolle spielen würde." In der Folge betonte Krausch mehrfach die weitreichende und übergreifende Bedeutung des Zentrums.

Heute fallen Begriffe wie interdisziplinär und interkulturell in nahezu jeder Diskussion. Fächerübergreifendes Arbeiten ist heute oft eine Grundvoraussetzung, um sich überhaupt für Forschungsförderung zu qualifizieren. "Mittlerweile ist auch die Notwendigkeit interkultureller Forschung allgemein anerkannt", sagt Spickermann.

Was diese Forschung leisten kann, hat das ZIS immer wieder gezeigt. Im Jahr 2011 etwa stellte es gemeinsam mit der Stadt Mainz und dem Geografischen Institut der JGU eine höchst differenzierte Migrationsstudie vor, die nicht nur die unterschiedlichen Migrationsgruppen der Stadt kartierte, sondern auch die Lebensstile und -entwürfe der Menschen unter die Lupe nahm. "Über 90 Prozent wollen in Zufriedenheit hier leben", skizziert Escher eines der Ergebnisse. "Ihre Wünsche und Ziele unterscheiden sich kaum von denen gebürtiger Mainzer."

Neuseelands Versöhnungsprozess

Der Professor zieht ein Buch zwischen den Plakaten und Flyern hervor. "Hierauf bin ich besonders stolz", sagt er. "Reconciliation, Representation and Indigeneity. Biculturalism in Aotearoa New Zealand", herausgegeben von Peter Adds, Brigitte Bönisch-Brednich, Richard S. Hill und Graeme Whimp, führt nach Neuseeland. Dieser vierte Band der "Intercultural Studies"-Reihe des ZIS beschäftigt sich mit dem Versöhnungsprozess zwischen der indigenen Bevölkerung, den Māori, die ihre Heimat Aotearoa nennen, und den Nachkommen der europäischen Einwanderer. In den 1970er-Jahren kam dieser Prozess endlich in Gang und führte zu tief greifenden Veränderungen.

"Es ist uns gelungen, alle am Versöhnungsprozess maßgeblich Beteiligten zu Wort kommen zu lassen. Auf unserer Tagung in Neuseeland trafen Menschen aufeinander, die normalerweise gar nicht miteinander sprechen." Wie so oft halfen die umfangreichen internationalen Kontakte des ZIS, dieses Treffen möglich zu machen.

Das Spektrum der ZIS-Projekte ist breit. Rund 200 Forscherinnen und Forscher verschiedenster Fächer haben dazu beigetragen. "Wir sind keine einsame Insel, sondern ein Zentrum, von dem Impulse ausgehen und das vernetzt", betont Spickermann. Viele Projekte werden in Kooperation mit anderen Fächern angestoßen und in der Folge von weiteren Institutionen unterstützt. "Mittlerweile ist recht bekannt, wie aktiv unsere Forscherinnen und Forscher sind, wenn es darum geht, Drittmittel einzuwerben", sagt Escher.

Was kann Interkulturalitätsforschung?

"Wir sind auch sehr flexibel und reagieren schnell, wenn es darum geht, Mittel bereitzustellen", ergänzt Spickermann. "Wir können oft mit relativ niedrigen Summen sehr gut weiterhelfen. Manchmal geht es um 2.000 Euro, die noch nötig sind, um eine Tagung zu realisieren, oder junge Forschende brauchen noch 500 Euro für ihr Projekt. Grundsätzlich sind wir sehr aktiv in der Nachwuchsförderung, und wir unterstützen oft Vorhaben, die durch Raster der Grundlagenforschung fallen."

Sechs, sieben Gastprofessuren und -dozenturen im Jahr, acht oder mehr Tagungen, dazu zahlreiche Veröffentlichungen, die sich auch jenseits der eigenen Schriftenreihe niederschlagen – das ist die jährliche Bilanz des ZIS. Dies alles ist nur möglich, weil auch die Fachbereiche der JGU das Zentrum mittragen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedenster Disziplinen sitzen im Koordinationsausschuss des ZIS, in dem Theologen auf Philologinnen, Geowissenschaftlerinnen auf Historiker treffen.

"Seit einigen Jahren sind auch die Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaften aus Germersheim in der Forschung sehr aktiv", ergänzt Spickermann. Von dort habe das Zentrum mit Prof. Dr. Dilek Dizdar eine hervorragende stellvertretende Sprecherin gewonnen. "Sie ist auch international fantastisch vernetzt."

Bei der anstehenden Geburtstagsfeier des ZIS wird es bunt zugehen. Unterhaltung und Forschung sollen sich die Klinke in die Hand geben. "Am ersten Tag wird die Feierstunde stattfinden und es wird bestimmt sehr unterhaltsam", kündigt Escher an. Am zweiten Tag widmen sich Forschende verschiedenster Couleur vor allem der Frage, was Interkulturalitätsforschung leisten kann. Das ZIS hat in den vergangenen 20 Jahren seines Bestehens bereits eine Vielzahl von Antworten präsentiert.