Doppelstudium und Flüchtlingsarbeit

8. Oktober 2018

Laura Jung studiert in gleich zwei Studiengängen an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU): Neben dem Master of Education in Geografie und Deutsch strebt sie einen Abschluss in "Deutsch als Fremdsprache" an. Interkulturelle Themen beschäftigen die 26-Jährige auch jenseits ihres Studiums. So engagiert sie sich in mehreren Initiativen der Flüchtlingshilfe. Ohne ihr Deutschlandstipendium könnte sie all das finanziell nur schwer bewältigen.

Mülltrennung ist in Deutschland ein Riesenthema, das immer wieder für Schlagzeilen und kontroverse Diskussionen sorgt. "Bei vielen hierzulande stößt es immer noch auf Ablehnung oder zumindest auf Desinteresse", meint Laura Jung. "In meinen Landeskunde-Kursen für Flüchtlinge spreche ich es aber immer wieder an, auch weil es mir persönlich sehr wichtig ist. Man könnte nun meinen, dass gerade Flüchtlinge andere Probleme haben als die korrekte Teilung von Müll. Anfangs sind sie auch total überfordert damit, aber dann zeigen die meisten sich sehr interessiert und sind bemüht, die Müllsorten richtig zuzuordnen. Ich denke, gerade solche scheinbar banalen Dinge sind oft ein wichtiger Schritt für die Integration."

Jung kann viel über ihre Flüchtlingsarbeit in Mainz erzählen. Dabei teilt sie immer wieder ganz besondere, überraschende Einblicke. Im Gespräch beschäftigt sie dieses Engagement sehr, sie betreibt es mit ähnlich viel Energie wie ihr Studium. "Ich sehe es als persönliche, aber auch professionelle Weiterentwicklung für meinen späteren Beruf als Lehrerin", sagt sie.

Suche nach passendem Stipendium

Die gebürtige Karlsruherin kam 2012 in die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt, um Geografie und Deutsch auf Lehramt zu studieren. Nach ihrem Bachelor entschied sie sich, im Master zusätzlich den Studiengang "Deutsch als Fremdsprache" zu belegen. "Gerade für das Lehramt finde ich es wichtig, diesen Aspekt mit hineinzunehmen", erklärt sie. "Es ist schade, dass es im regulären Deutschstudium gar kein Angebot dazu gibt. Wir beschäftigen uns dort drei Semester mit Mittelhochdeutsch, aber wir wissen am Ende nicht, wie wir mit Kindern und Jugendlichen umgehen sollen, die unsere Sprache nicht sprechen."

Vor vier Jahren beantragte Jung erstmals das Deutschlandstipendium. "Davor hatte ich mir andere Förderungsmöglichkeiten angeschaut, aber die passten oft nicht zu meinen Fächern oder sie waren politisch oder wirtschaftlich ausgerichtet. In einem Fall sagte man mir sogar nach einem Bewerbungsgespräch: 'Sie sind zu sozial eingestellt, das passt nicht zu uns.'"

Beim Deutschlandstipendien ist das kein Thema. Im Gegenteil: Es soll nicht nur herausragende Studienleistungen honorieren, sondern gerade Studierenden zugutekommen, die sich gesellschaftlich engagieren. Finanziert wird das Stipendium über Sponsoren verschiedenster Couleur, die einmalig 1.800 Euro geben. Dieser Betrag wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung um dieselbe Summe aufgestockt. Studierende werden so für ein Jahr mit 300 Euro monatlich unterstützt.

Viel Bedarf in der Flüchtlingshilfe

"Das gibt mir Freiraum", freut sich Jung. "Ohne das Deutschlandstipendium müsste ich mir Nebenjobs suchen. Ich hätte nicht so viel Zeit für mein Doppelstudium und die Flüchtlingsarbeit."

Im März 2016 meldete sich Jung in der Mainzer Flüchtlingsunterkunft Zwerchallee. "Dort haben sie mir erst mal aufgelistet, wo überall Bedarf besteht." Es gab und gibt nach wie vor viel zu tun. Die Studentin kümmerte sich insbesondere um Kinder. Kooperationen mit dem Staatstheater oder dem Gutenberg-Museum sollen deren Alltag bunter gestalten und die Integration vorantreiben.

"Ich merkte aber schnell, dass die Angebote allein nicht reichen. Wenn wir zum Beispiel einen Termin ausgemacht hatten, um den Druckladen im Gutenberg-Museum zu besuchen, kam einfach niemand." Darüber kann sich ein Helfer nun ärgern und aufgeben – oder sie oder er wird aktiv: "Ich bin zu den einzelnen Familien hingegangen und habe die Kinder selbst abgeholt." Das funktionierte.

"Oft wissen die Eltern einfach nicht, wie sie auf solch eine Einladung reagieren sollen", erklärt Jung. "Sie sind verunsichert. Im arabischen Raum wird eine Einladung erst ernst genommen, wenn sie mehrmals ausgesprochen wird, ansonsten wird sie eher als Höflichkeitsfloskel interpretiert. Solche verschiedenen Auffassungen und Gewohnheiten können schnell zu Missverständnissen führen."

Patenschaft und Deutschunterricht

Laura Jung hat auch die Patenschaft für einen Flüchtling übernommen. Sie hilft ihm bei Behördengängen oder Bewerbungen. "Vor allem geht es um sozialen Anschluss, um Kontakte mit den Leuten hier." Gerade bei der Gruppe der jungen Männer besteht in dieser Hinsicht viel Bedarf. "Um Familien kümmern sich die Leute eher, auch für Kinder finden sich Angebote, aber ab einem bestimmten Alter fühlen sich männliche Flüchtlinge ziemlich allein gelassen. Für sie gibt es nur wenig."

Auch der Schritt von der Flüchtlingsunterkunft in eine eigene Wohnung gestaltet sich schwierig. "Die Vermieter nehmen zuerst Berufstätige, dann Studierende. Flüchtlinge kommen zum Schluss, wenn überhaupt. Eine Chance haben sie eigentlich nur in WGs. Da konnten wir schon einige unterbringen."

Jung steht kurz vor dem Abschluss ihres Studiums, doch es wird noch eine Weile dauern, bis sie die entsprechenden Examina in der Tasche hat und als Lehrerin angestellt wird. In der Flüchtlingsunterkunft und bei der Caritas arbeitet sie längst als Deutschlehrerin.

"Im Auftrag einer privaten Stiftung unterrichte ich vier Grundschulkinder, die zwar gut in der Grundschule sind, deren Sprachkenntnisse aber noch nicht fürs Gymnasium reichen. Solche Fälle haben wir öfter. Bei einem Mädchen ist es uns bereits gelungen, sie auf ein ausreichendes Niveau zu bringen. Ich wundere mich jedes Mal, dass sie so begeistert bei der Sache sind. Schließlich ist das sehr anstrengend: Sie haben bis 15 Uhr Schule und kommen dann noch zweimal die Woche zu mir. Sie sind sehr stolz, dass sie mittlerweile besser Deutsch sprechen können als ihre Eltern."

Masterarbeit zur Hebung von Sprachniveaus

Jungs Lebensplanung wirkt wie aus einem Guss. Ihre Masterarbeit in Germanistik und Deutsch als Fremdsprache möchte sie über die Wirkung von Erzählweisen schreiben: "Ich werde Kindern mit geringen Deutschkenntnissen Geschichten erzählen und dabei komplexe Sätze und Nebensätze gebrauchen. Dann sollen sie die Geschichten nacherzählen. Ich will untersuchen, ob sich so ihr Sprachniveau heben lässt."

Im Beruf als Lehrerin will sie sich später um Kinder mit Förderbedarf in Deutsch kümmern. "Das wird in Zukunft eine immer größere Rolle an unseren Schulen spielen", vermutet sie. "Deswegen wundere ich mich, dass dieses Thema im Lehramtsstudium nicht dezidiert vorkommt." Jung hat sich einfach ihren eigenen Lehrplan zusammengestellt. Zwar brachte ihr das Doppelstudium mehr Arbeit, aber das scheint sie kaum zu kümmern.

Nach all diesen Erzählungen klingt es, als müsste ihr Tag 48 Stunden haben. Darauf angesprochen zuckt sie die Schultern: "Ich kriege das ganz gut auf die Reihe. Das Deutschlandstipendium hilft dabei."