Soziale Vernetzung im digitalen Studienalltag

18. März 2021

Mit #sozialvernetztbleiben startet eine fach- und einrichtungsübergreifende Initiative an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). In Zeiten der Pandemie soll sie Lehrenden und Studierenden konkrete Tipps und Hilfen an die Hand geben, um soziale Interaktion in der digitalen Lehre zu fördern.

"Es ist relativ leicht, von oben etwas anzuordnen. Viel schwieriger ist es, die Menschen wirklich mitzunehmen", meint Prof. Dr. Stephan Jolie, JGU-Vizepräsident für Studium und Lehre. Als angesichts der Corona-Pandemie kurz vor Beginn des Sommersemesters 2020 der erste Lockdown ausgerufen wurde, musste die Leitung der Universität schnell reagieren. Es galt, unverzüglich auf digitale Formate umzuschalten. "Ich denke, das ist uns recht gut gelungen", stellt Jolie fest, "besser sogar als vielen anderen Universitäten." An die 8.000 Lehrangebote konnten innerhalb weniger Wochen digital realisiert werden, nicht zuletzt auch dank des außergewöhnlichen Engagements aller Beteiligten.

"Wir stießen auf viel Unterstützung und Verständnis", freut sich der Vizepräsident rückblickend. Ein wichtiger Grundstein war gelegt. "Doch im nächsten Schritt ging es uns darum, alle ins Boot zu holen: Studierende, Lehrende und unser Personal aus der Verwaltung. Sie alle sollten aktiv werden und Ideen austauschen, wie das anstehende Wintersemester gestaltet werden könnte. Jeder sollte sich einbringen können."

Erster Gutenberg Ideeathlon

Die JGU lud für den 24. August 2020 zum ersten Gutenberg Ideeathlon. "Wir orientierten uns am Format des Hackathons, nur ging es bei unserer Veranstaltung nicht um Software, sondern um Konzepte, wie sich digitale Lehre konkret umsetzen lässt, wie ein hybrides Semester an der JGU aussehen könnte. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten Challenges formulieren: Wo liegen die Herausforderungen im Lehren und Lernen und wie lassen sie sich bewältigen?" Rund 100 Interessierte machten sich in zehn Arbeitsgruppen zwei Monate lang Gedanken. Am DIES LEGENDI des Gutenberg Lehrkollegs (GLK) der JGU präsentierten sie ihre Überlegungen: Eine Gruppe fragte, wie sich die unter den gegebenen Umständen sehr eingeschränkten Möglichkeiten der Präsenz sinnvoll in die vorwiegend digitale Lehre integrieren lassen. Eine andere stellte ein "Digitales Planspiel um Studienangebote" vor. Es ging um Datensicherheit und die Situation der Erstsemester, um Selbstmanagement und einiges mehr.

Viele Vorschläge des Ideeathlons gründeten sich auf der Hoffnung, dass ein hybrides Wintersemester möglich sein würde. Diese Hoffnung schwand. "Doch die erarbeiteten Konzepte sind ungeheuer wertvoll", betont Jolie. "Sie können uns helfen, die Herausforderungen, denen wir uns immer noch gegenübersehen, zu bewältigen."

Als der Ideeathlon am 19. Oktober 2020 offiziell beendet war, lösten sich die Arbeitsgruppen nicht einfach auf, einige feilten weiter an ihren Vorschlägen – und so entstand jüngst ein Projekt, das so ziemlich jede Lehrveranstaltung an der JGU bereichern könnte: Mit #sozialvernetztbleiben geht in diesen Tagen eine fach- und einrichtungsübergreifende Initiative an den Start, die sowohl Lehrenden als auch Studierenden sehr konkrete Tipps und Hilfen rund ums Lehren und Lernen unter den Bedingungen der Pandemie an die Hand gibt.

Gefühl des Studierens in den Vordergrund stellen

"Wir wollen Kommunikation in Gang bringen", fasst Dr. Maria Gropalis, Leiterin der Psychotherapeutischen Beratungsstelle (PBS) der JGU, die Idee der Initiative in wenigen Worten zusammen. "Im vorigen Sommersemester konzentrierte sich die Universität erst einmal darauf, was technisch möglich ist. Es ging um ganz grundsätzliche Fragen, wie sich digitale Formate realisieren lassen, was sinnvoll scheint. Wir brachten zum Beispiel die asynchrone Lehre voran, weil sie sich gut zur Inhaltsvermittlung eignet. Die Interaktion zwischen Studierenden und Lehrenden oder den Studierenden untereinander hatten wir dabei zu Beginn nicht ganz so stark im Blick. Das änderte sich zwar allmählich, doch in diesem Bereich gibt es immer noch einiges zu tun. Nun können wir sagen: Okay, wir haben zwei Semester gestemmt, es funktioniert so weit, lasst uns nun schauen, wie wir das Gefühl des Studierens mehr in den Vordergrund stellen können."

Gropalis und ihre Mitarbeiterin Anna Janßen arbeiteten beim Ideeathlon in einer Gruppe mit, die sich unter dem Titel "Zusammen gegen das Gefühl der sozialen Isolation" Gedanken machte, wie sich im digital geprägten Studienalltag die Kontakte zwischen den Studierenden intensivieren lassen: Was hilft gegen Vereinsamung? Wie werden echte Dialoge angestoßen? Wie kann ein Gefühl von Gemeinschaft entstehen? "Eine Kollegin vom Deutschen Institut war dabei, die Abteilung Internationales sowie die Stabsstelle Gleichstellung und Diversität waren vertreten – und natürlich Studierende, die wichtige Impulse gaben", erzählt Gropalis.

Als vorläufiges Ergebnis präsentierte die Gruppe beim DIES LEGENDI zwei Listen mit niedrigschwelligen Tipps, wie Lehrende und Studierende soziale Interaktion im Studienalltag fördern können. Die Vorschläge überzeugten, beim Publikumsvoting belegten sie den ersten Platz. Dem Konzept wurden zudem gute Chancen für eine konkrete Umsetzung und eine breite Wirkung bescheinigt.

Trust Buddies helfen Netze spannen

"Wir raten zum Beispiel den Lehrenden, dass sie die Studierenden mit konkreten Aufgaben zur Kommunikation motivieren sollten", erläutert Janßen. "Die Studierenden brauchen gemeinsame Ziele, an denen Sie arbeiten können. Das ist ganz wichtig. Die Aufforderung, sich einfach im Internet zu treffen, reicht nicht aus. Es muss etwas Konkretes zu tun geben." – "Auf Studierendenseite schlagen wir vor, in jeder Lehrveranstaltung möglichst ein oder zwei Trust Buddies zu wählen", fährt Gropalis fort. "Das sind Studierende, die sich freiwillig um die Pflege sozialer Kontakte kümmern, indem sie etwa spezielle Online-Veranstaltungen organisieren."

Über die Initiative #sozialvernetzbleiben werden die Ideen der Arbeitsgruppe nun weiterentwickelt und einer breiteren Öffentlichkeit vermittelt. "Wir planen aktuell einen Werbe-Rundumschlag, um uns bekannter zu machen, und dann im Sommersemester so richtig aktiv werden zu können", kündigt Gropalis an. Im Learning Management System (LMS) Moodle wurde ein Kurs für Lehrende und Studierende eingerichtet, der neben den bereits erwähnten Tipps weiterführende Informationen und Angebote vermittelt. "Außerdem entwickeln wir derzeit eine Schulung für die Trust Buddies, die digital stattfindet und von der Psychotherapeutischen Beratungsstelle organisiert wird", so Janßen. Das Engagement der betreffenden Studierenden wird mit einem Zertifikat gewürdigt. "Und wir stehen mit unserer Expertise zur Verfügung, falls es Probleme oder Nachfragen geben sollte."

"Wir haben viel geleistet in der technischen Umsetzung, jetzt gehen wir in die Teamarbeit", sagt Jolie. #sozialvernetztbleiben soll die digitale Lehre an der JGU einen großen Schritt voran- und die Menschen hinter ihren Bildschirmen zusammenbringen.