Expedition in ein Universum der Kunst

12. Februar 2013

Regelmäßig lädt die Kunsthochschule Mainz zum Rundgang durch ihr Haus. In den Ateliers sind vier Tage lang die Arbeiten von rund 140 Studierenden zu sehen. Es gibt reichlich Gelegenheit zum Austausch und zur Diskussion oder einfach zum Schauen und Staunen.

Seltsame Wesen stehen im Raum. Ein Ding mit einem Tellerkopf ragt schlank auf. Davor streckt ein käferartiges Etwas seine sechs Stummelbeine in die Luft. Es scheint, als liege es auf dem Rücken, hilflos ausgeliefert. "Ich nenne sie Sonderlinge", sagt Carola Ali Oussalah aus der Klasse Bildhauerei der Kunsthochschule Mainz. Vier ihrer Sonderlinge stellt sie aus. "Meine Herde ist aber eigentlich größer", fügt sie lächelnd hinzu.

Die Studentin hat ihre Geschöpfe aus Plastikmüll zusammengesetzt. Salatdressingflaschen wurden zu Beinen. Ausgegossen und lackiert entstanden massive Skulpturen, Zwitter aus organischen und anorganischen Formen. "Sie sollen Assoziationen wecken", meint Ali Oussalah. "Im gewissen Sinn sind es Wolpertinger", ergänzt Prof. Sabine Groß.

Eine Tribüne lädt ein zum Zuschauen. Sie gibt den Blick frei in ein Tiergehege mit Klettergerüst, Baumstümpfen und imitiertem Felsgestein. Stroh und angefressene Äpfel liegen herum. Mehr Klischee geht kaum. Es fehlt nur der Gorilla oder die Leoparden.

Tier und Theaterkulisse

"Ich will die Theaterkulisse mit dem Tier verbinden", erklärt Maria Brinkmann. Zoo und Theater haben für sie viel gemein. "Im Zoo will man unterhalten werden vom Tier." Das Tier verweigert sie den Neugierigen, dafür werden die Details im Gehege zu Kunstobjekten. Stereotype der Tierhaltung bekommen einen neuen Kontext und der Zuschauer auf der Tribüne wird Teil dieser Arbeit.

Der Rundgang durch die Kunsthochschule Mainz bietet viel. Der Besucher kann gar nicht alles fassen. Jedes Gangstück, jeder Raum bietet Neues, Anderes, scheinbar Fremdes oder Vertrautes. Dort plätschert ein Brunnen in einem blechernen Waschzuber, gehalten von einem Einkaufswagen ... Da dreht sich eine männliche Ballerina mit baumelndem Gemächt ... Der Kopf einer Elchkuh, zusammengefügt aus Stoffstücken, hängt wie eine Trophäe an der Wand.

"Unser Rundgang hier in Mainz ist kein singuläres Phänomen", erklärt Prof. Dieter Kiessling. "Andere Kunsthochschulen bieten ihn auch an." Gern geschieht das jeweils zum selben Termin, etwa parallel mit Münster und Frankfurt. Kiessling, Leiter der Klasse Medienkunst an der Kunsthochschule Mainz, bildet zusammen mit Dr. Justus Jonas und den Studentinnen Judith Walz und Sabrina Geckeis das Organisationsteam des Rundgangs. "Das ist ein 4-Tage-Marathon", meint Walz auch mit anerkennendem Blick auf das Engagement der Studierenden.

Studierende und ihre Arbeiten

"Wir wollen mehr Leute erreichen als die Jahre zuvor", erklärt Kiessling. "Wir wollen mehr Multiplikatoren ansprechen. Galeristen, Künstler, aber natürlich auch das Publikum, die Mainzer." Das Plakat zum Rundgang hängt denn auch an vielen Litfaßsäulen in der Stadt, eine Postkartenserie soll Studierende locken, ein Rahmenprogramm bietet Filme, Gesprächsrunden oder auch einfach Party.

"Sie sehen hier Dinge, die im Entstehen sind. Bei vielen unserer Studierenden kann man noch nicht sagen, dass sie fertige Künstler sind. Aber sie sind auf dem Weg und daran kann das Publikum teilhaben." Atelierräume wurden zu Galerien umfunktioniert. "Das ist eine Gelegenheit für jeden Studierenden, die Arbeiten des Jahres zu präsentieren und zu diskutieren. Das Haus hat sich in Bewegung und in Schwung gebracht."

"Auch für uns Studierende ist das spannend", sagt Walz. "Wir können sehen, was die anderen machen." Zudem sei es eine Herausforderung, im Gruppenprozess die temporären Galerien zu schaffen, Raumkonzepte zu entwickeln: Wer darf wie viel ausstellen? Wer bekommt welchen und wie viel Platz? "Alle müssen Kompromisse schließen und das auch aushalten", so Kiessling.

Fotografie, Film und noch viel mehr

Zehn Klassen stellen aus, acht im Haupthaus der Kunsthochschule Mainz nahe dem Universitätscampus, zwei in der Außenstelle in der Mainzer Neustadt. Von Malerei über Zeichnung, Bildhauerei, Fotografie und Film bis hin zur Medienkunst ist alles dabei. Rund 140 Studierende nehmen Teil und Anteil. "Wir sind eine relativ kleine Kunsthochschule", berichtet Kiessling. "Aber die Studierenden kommen gern zu uns. Hier können sie sich gut entfalten und jeder einzelne wird beachtet."

Donghee Huh hat eine riesige Popcornmaschine in den Raum gestellt, einen abgewandelten Scheffler-Reflektor, der sonst eigentlich Sonnenenergie sammelt, um Wasser zu erhitzen. In ihre begehbare Konstruktion aus Karton und Silberfolie hat die Studentin Popcorn gestreut. "Explodieren!" nennt sie ihr Werk.

"Um das angebliche Fehlverhalten seiner Nachbarn zu dokumentieren, bezahlte der Beweisführer DM 45", heißt Britta Kirsts Arbeit. Auf Holzleisten präsentiert sie eine Reihe von Polaroid-Fotos, Fundstücke allesamt. Irgendein Zeitgenosse hat falsch parkende Autos und andere Ordnungswidrigkeiten festgehalten und dann doch verloren. "Was macht man mit solchen Fundsachen?", fragt Kirst. Die Antwort hängt hier: Ausstellen natürlich.

So viele Eindrücke, so viele Arbeiten

Ein Projektor wirft ein trapezförmiges, scheinbar abstraktes Bild an die Wand. Flächen sind zu sehen, schwer definierbare Formen und Farbschlieren. Lisa Weber aus der Klasse Medienkunst filmte eine Tischplatte. "Das Sonnenlicht fällt durch aufgestellte Gläser auf den Tisch." Zu Beginn der Filmsequenz ist das noch eher zu erkennen. Es stehen zuerst wenige Gläser. Dann kommen weitere hinzu, Flüssigkeiten bringen Grün und Rot ins Bild. Ein außergewöhnliches Stillleben entfaltet sich.

Und im nächsten Raum ist auf einer Leinwand eine Filmsequenz mit einem Bett zu sehen, das auf einem Fluss treibt, Regen setzt ein ... Ein Guckkasten aus mehreren Ebenen birgt eine häusliche Szene und macht den Zuschauer zum Voyeur ... Maschinen surren in der Dunkelheit ... Ein Haufen aus Müll und Folie scheint zu atmen ... Eine Fratze schreit in grellen Farben ... Eine schwarze Landschaft schwebt ... Farben ... Fotos ... Zeichnungen ... Installationen ...

(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Katharina Schlosser)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Katharina Schlosser)(Foto: Katharina Schlosser)(Foto: Katharina Schlosser)(Foto: Katharina Schlosser)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Katharina Schlosser)(Foto: Katharina Schlosser)(Foto: Katharina Schlosser)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Katharina Schlosser)(Foto: Katharina Schlosser)(Foto: Katharina Schlosser)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Katharina Schlosser)(Foto: Katharina Schlosser)(Foto: Katharina Schlosser)(Foto: Katharina Schlosser)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Katharina Schlosser)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Katharina Schlosser)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Katharina Schlosser)(Foto: Katharina Schlosser)(Foto: Katharina Schlosser)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Katharina Schlosser)(Foto: Katharina Schlosser)(Foto: Katharina Schlosser)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Katharina Schlosser)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Peter Pulkowski)(Foto: Peter Pulkowski)