Zeitung 2.0: Liest Du schon die Zukunft?

15. Oktober 2012

Gastbeitrag des Projekts "Visionen Wissenschaft 2020"

In den Herbstferien 2012 warfen 14 Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren im Ferienkurs "Visionen Wissenschaft 2020 – Zukunft medial gestalten" einen visionären Blick auf die Entwicklungen in den Print-, Bewegtbild- und Onlinemedien der nächsten zehn Jahre. Sie versuchten sich in der kreativen Verbindung von Wissenschaft und Medien und erstellten eigenständig multimediale Medieninhalte. Der folgende Beitrag ist ein Beispiel dieser Projektarbeit, im Original erschienen in der Projektzeitung "Smartpress".

Schon vor mehr als 360 Jahren erschien die erste Tageszeitung. Ihren Höhepunkt erlebte dieses Medienprodukt Anfang des 20. Jahrhunderts. Bis heute hat sich die Zeitung durchgesetzt und ist ein beliebtes Medium, um sich über aktuelle Geschehnisse in der ganzen Welt zu informieren. Doch immer neue Medienprodukte erobern den Markt und es scheint, als ob die Zeitung von der heutigen Technik abgelöst wird und immer weniger Begeisterte anzieht.

Die Zeitung 1.0

Morgens, 6:30 Uhr: Der Wecker klingelt. Ich freue mich schon auf meinen Frühstückskaffee und die Tageszeitung dazu. Während der Kaffee langsam in die Kanne läuft und der Duft des vertrauten Getränks das ganze Haus erfüllt, laufe ich nach draußen und hole mir meine Tageszeitung aus dem Briefkasten.

Als der Kaffee fertig ist, setze ich mich und genieße das tägliche morgendliche Ritual mit Kaffee und Zeitung am Frühstückstisch. Niemals würde ich mich von diesem Ritual trennen wollen, doch die Überschrift des Artikels auf der ersten Seite beunruhigt mich doch.

"Zeitung am Aussterben?" steht dort. Ich stelle die Kaffeetasse zur Seite und beginne mit dem Lesen des Artikels. Neue Medien lösen die Zeitung ab, weltweite Nachrichten werden lieber im Internet, am PC oder auf dem Tablet gelesen als auf ein paar Seiten bloßen Papiers. Doch gerade in der Zeit von Wirtschaftskrisen und sinkenden Arbeitsplätzen ist die Zeitung ein wichtiger Arbeitgeber, nicht nur für mich als Redakteur.

Auch meine Kollegen in der Redaktion, in der ich wenig später ankomme, haben den Artikel gelesen, der nun Gesprächsthema Nr. 1 ist. "Dem Internet kann man doch nicht glauben. Jeder kann da veröffentlichen, was er will. Wir Redakteure aber sind für unsere Berichte immer live bei Geschehnissen dabei und wissen, wovon wir schreiben. Man kann doch keinem Artikel im Internet trauen", klagt Manfred, mein Kollege, der schon seit mehr als 30 Jahren mit mir das Büro teilt.

"Zeitungen informieren über Themen, die man sich im Internet vielleicht gar nicht anguckt. Zum Beispiel über die dritte Welt", argumentiert ein freier Mitarbeiter. "Zeitungen informieren auch über das, wonach man im Internet erst selbst aktiv suchen muss", fügt ein anderer Kollege hinzu.

Da denke ich an meine Mutter: Wenn es keine Zeitung mehr gibt, wie sollen Menschen im Alter 60+ an Nachrichten gelangen? Denn mit großer Wahrscheinlichkeit hat diese Zielgruppe kein Internet. "Lothar, Lothar", werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Und Herbert erzählt von seinem aktuellen Artikel über Müllentsorgung. "Und womit sollen wir unsere Biomülltonne auslegen, wenn es kein Zeitungspapier mehr gibt?", wirft Herbert mit einem Schmunzeln in die Runde und ein Augenrollen geht durch den Kollegenkreis.

Die Zeitung 2.0

Auf Facebook hat heute jemand die Frage gepostet, ob die klassische Zeitung, wie wir sie kennen, Bestand haben wird. Per Smartphone informiere ich mich über die Geschichte der Zeitung und stelle fest, dass die seit 360 Jahren bestehende Zeitung in Papierform für Online-Leser, so wie ich einer bin, immer uninteressanter wird. Also ist doch klar, dass ich lieber ein paar Euro für meinen monatlichen Internetvertrag ausgebe, als mir jeden Tag eine Zeitung für 2,50 Euro zu kaufen und darin vielleicht Artikel zu lesen, die entweder viel zu lang, viel zu uninteressant und längst Schnee von gestern sind.

Ich weiß, dass bereits sehr viele Verlage wegen zu geringer Abonnentenzahlen ihr Zeitungsgeschäft aufgeben mussten. Das liegt unter anderem daran, dass die Kernlesergesellschaft in der Altersgruppe 50+ liegt und die jüngeren Generationen größtenteils das Internet nutzen.

Total empört verfasse ich meinen Kommentar zu einem Artikel, in dem behauptet wird, dass das Internet die Existenz von Zeitungen bedroht und zerstört. Aber ist es im 21. Jahrhundert allein angesichts der hohen Kohlendioxidausstöße bei der Herstellung und auch bei der Entsorgung von Zeitungspapier nicht endlich an der Zeit, sich vorurteilsfrei mit dem Internet auseinanderzusetzen?