Aktionswoche gegen Diskriminierung

11. Juni 2014

Auch in diesem Jahr findet an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) wieder das "festival contre le racisme" statt. Der AStA und die Hochschulleitung laden ein zu Theater und Vorträgen, zu Diskussionen und zu der Ausstellung "Opfer rechter Gewalt seit 1990". Die Aktionswoche ist ein bundesweites Zeichen gegen Rassismus und Diskriminierung.

Schwarz sind die Stellwände und schwarz-weiß die Porträts darauf, die grob gerastert und wie durch eine Nebelwand daherkommen. Die Texte unter den Bildern bieten knappe Beschreibungen, der Ton bleibt sachlich.

"Gustav Schneeclaus, 53 Jahre, Seemann: Weil er Hitler als 'großen Verbrecher' bezeichnet hatte, wurde er am 18. Mai 1992 in Buxtehude von Nazi-Skinheads so schwer misshandelt, dass er an den Folgen starb."

Neben Bild und Text prangt bunt eine Ansichtskarte, die fröhlich die deutsche Hauptstadt bewirbt: "Einfach dufte, unser Berlin." In diesem Kontext wird aus dem touristischen Slogan ein bitterer Kommentar.

169 Opfer rechter Gewalt

Für drei Tage ist im Philosophicum und im Haus Recht und Wirtschaft auf dem Gutenberg-Campus die Ausstellung "Opfer rechter Gewalt seit 1990" zu sehen. Rebecca Former porträtierte 169 Menschen, die seit der Wiedervereinigung ihr Leben lassen mussten. Sie wurden getötet von Rechtsradikalen, kamen um bei Brandanschlägen auf Wohnungen und Flüchtlingsheime.

Der Allgemeine Studierendenausschuss, kurz AStA, der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat diese Wanderausstellung nach Mainz geholt. Sie ist Teil der bundesweiten Aktionswoche "festival contre le racisme". Mit ihr wenden sich studentische Organisationen in der gesamten Republik gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, Homophobie und Diskriminierung.

"Als der AStA uns gefragt hat, ob wir es unterstützen, dass diese Ausstellung nach Mainz kommt, haben wir Ja gesagt – ganz entschieden Ja", so JGU-Präsident Prof. Dr. Georg Krausch bei der feierlichen Eröffnung der Aktionswoche im Philosophicum. "Ich war entsetzt. Ich hätte nie gedacht, dass seit der Wiedervereinigung 169 Menschen Opfer von rechter Gewalt geworden sind." Das Thema Rassismus und Rechtsradikalismus sei leider immer noch aktuell. Dagegen müsse man angehen. "Es ist nötig, Toleranz und Zivilcourage zu zeigen."

Brandanschlag in Solingen

Eine junge Frau lächelt auf dem Schwarz-Weiß-Porträt. "Hatice Genç, 18 Jahre: Sie starb am 29. Mai 1993 bei einem Brandanschlag auf das von der Familie Genç bewohnte Haus in Solingen." Daneben ist wieder eine Postkarte zu sehen: Putzige Teddybären in volkstümlichen Trachten entbieten "Grüße aus Oberbayern".

Dennys Jochum zeichnet gemeinsam mit Sophia Kuhnle und Christian Dimter vom Arbeitsbereich für Politische Bildung des AStA für die Aktionswoche in Mainz verantwortlich. Er reiste zu einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des Solinger Brandanschlags und erinnert sich: "In Solingen wird dieses Thema ungern angesprochen." Ähnliches habe er in Rostock erlebt. "Dieser Wille, sich noch mal mit den Anschlägen zu befassen, fehlt komplett. Wir haben oft den Satz 'Man soll es gut sein lassen' gehört. Aber das kann man nicht. Wir wollen es nicht gut sein lassen."

Kuhnle sieht das genauso: "Wir wurden öfter gefragt, ob man das noch braucht, eine Aktionswoche gegen Diskriminierung. Hier an der Uni wären doch alle tolerant. Aber dann schaut man auf das Ergebnis der Europa-Wahl und sieht, dass ausländerfeindliche Parteien zugelegt haben. Es ist also immer noch wichtig, so ein Festival zu organisieren."

Diskriminierung im Fußball

Die Ausstellung ist nur eine von sieben Veranstaltungen. Unter anderem tritt das Theaterprojekt "Heroes" im Philosophicum auf: Junge Männer aus sogenannten Ehrenkulturen bringen Themen wie Identität, Geschlechterrollen, Menschenrechte und Ehre auf die Bühne. Nach einschlägigen Straftaten setzten sie sich mit ihren überkommenen Sichtweisen auseinander. Heute besuchen sie Schulklassen und Jugendeinrichtungen, sie bieten Workshops an, klären auf – und bereichern das "festival contre le racisme".

"Wir wissen, dass es nicht einfach ist, ein breites Publikum mit so einer Aktionswoche anzusprechen", sagt Kuhnle. "Darauf haben wir uns eingestellt. Mit Fußball zum Beispiel identifiziert sich kurz vor der WM fast jeder. Also bieten wir in der 'Bar jeder Sicht' in der Mainzer Altstadt einen Vortrag von Josef Gabler an." Der Berliner Politikwissenschaftler spricht über Diskriminierung im Fußball.

Vieles hat das Mainzer "festival contre le racisme" zu bieten: Neben Vorträgen und Theater gibt es Musik, Diskussionen und ein Sonderheft des Vereins "FreiDenker" mit Texten von jungen Literatinnen und Literaten zum Thema. "Alle gegen keinen – Ich bin Mensch" ist die kleine Anthologie überschrieben.

Tafeln erinnern an Taten

Für Sophia Kuhnle ist die Ausstellung "Opfer rechter Gewalt" besonders wichtig. "Da bleiben viele Studierende stehen, auch wenn sie sich sonst vielleicht nicht für das Thema interessieren." Recht hat sie. Ob im Haus Recht und Wirtschaft oder im Philosophicum: Immer wieder halten Menschen vor den Tafeln inne, lesen und schauen.

"Legrand Makodila Mbongo, 5 Jahre: Er verbrannte in der Nacht zum 18. Januar 1996 bei einem Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim in Lübeck." – "Jan W., 45 Jahre, Bauarbeiter: Am 26. Juli 1994 wurde der Pole von einer Gruppe junger Deutscher in die Berliner Spree getrieben und gewaltsam daran gehindert, ans Ufer zurückzuschwimmen. Er ertrank." – "Patricia Wright, 23 Jahre: Am 3. Februar 1996 wurde sie in Bergisch Gladbach von dem Neonazi Thomas Lemke getötet, weil sie einen 'Nazis raus'-Aufnäher an der Jacke trug."