Algorithmen schlagen "Wetten, dass ..?"

15. April 2013

Es ging um Videoaufzeichnungen von Vorlesungen, um Forschung für die Schule und um den Brückenschlag von den Geistes- zu den Naturwissenschaften: Zum dritten Mal bot der DIES LEGENDI an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) Anregungen für innovative Wege in der Lehre und damit reichlich Gesprächsstoff.

Es ist erst wenige Tage her, dass Prof. Dr. Georg Krausch als Präsident der JGU die Erstsemester begrüßte. Nun erzählt er beim DIES LEGENDI davon. "Die Rhein-Zeitung schrieb von einem Rekord, die Rheinpfalz von einem Ansturm, die Allgemeine Zeitung von einem Rekordansturm. Was sich dahinter verbirgt, ist viel Arbeit für uns, die wir die Lehre gestalten. Aber wir wollen die Lehre nicht als Belastung wahrnehmen, sondern als Herausforderung.“

Anregungen, wie die Universität kreativ mit der Herausforderung steigender Studierendenzahlen umgehen kann, gibt seit 2011 der jährliche DIES LEGENDI. Vom Gutenberg Lehrkolleg (GLK) organisiert, bietet dieser Tag eine Plattform, um Anregungen auszutauschen und aufzunehmen und Kontakte zu knüpfen. Hier stellen Dozierende ihre innovativen, vom GLK geförderten Lehrprojekte vor. Und hier zeichnet der Präsident alljährlich die Lehrpreisträgerinnen und Lehrpreisträger der JGU aus. "Diese Preise sind wichtig", betont Krausch, "vor allem, weil die Studierenden in ganz besonderer Weise mitbestimmen, wer diese Auszeichnungen bekommt."

Vorlesung als Video

Doch vor der Preisverleihung gibt es reichlich Programm. Etwa den Festvortrag von Prof. Dr. Oliver Vornberger von der Universität Osnabrück, Ars legendi-Preisträger des Jahres 2009 und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des GLK. "Film ab, Ton läuft – Bessere Lehre durch Vorlesungsaufzeichnung" ist sein Thema.

"Warum um alles in der Welt sollte ich mich in meiner Vorlesung filmen lassen?", fragt Vornberger ins Publikum. "Die Antwort ist ganz einfach: Die Studierenden lieben das. Sie haben mir versichert, sie liegen samstags abends im Bett und gucken nicht mehr Wetten, dass ..?, sondern schauen sich die Vorlesung an."

Die Aufzeichnung einer Vorlesung kann viel Arbeit bedeuten. Deswegen haben Vornberger und seine Kollegen am Osnabrücker Zentrum für virtuelle Lehre (virtUOS) mit "Matterhorn" ein Werkzeug geschaffen, das diesen Aufwand minimiert. Wer es verwenden will, braucht im Wesentlichen einen Beamer, einen Laptop, einen PC, ein Funkmikro und eine Webcam. "Alles in allem eine Investition von 3.000 Euro pro Hörsaal."

Uni trifft auf YouTube

Wer mutig ist, kann seine Veranstaltung auf YouTube hochladen. Vornberger selbst hat mit einem an sich nicht besonders attraktiv klingenden Vorlesungstitel zu Algorithmen mehr als 38.000 Aufrufe erreicht. Allerdings zeigt der Vortrag in Mainz, dass dies womöglich nicht nur an der Technik, sondern auch am Talent des Professors als akademischer Entertainer liegen könnte.

Die Vorteile der Videoaufzeichnung liegen für Vornberger auf der Hand: Studierende können die Aufzeichnung vor- und zurückspulen, anhalten und wiederholen. "Sie können ihr eigenes Lerntempo wählen." Die Lehrenden fühlen sich zwar meist erst einmal unter Druck. "Denn wenn man weiß, dass eine Vorlesung aufgezeichnet wird, macht man sich mehr Mühe." Genau das aber erhöhe letztlich die Qualität des Vortrags. "Die Herausforderung ist nun, eine stimmige Sequenz von Lehreinheiten zu erarbeiten."

Vornberger ist sich nicht sicher, wie weit seine Methode die Lehre verändern wird, eines aber prognostiziert er schon jetzt: "Bei der medialen Berieselung, die wir heute haben, können wir die Studierenden auf Dauer in einem normalen Hörsaal nicht mehr bei der Stange halten."

Von forschenden Schülern

Im Anschluss an Vornbergers richtungsweisenden Vortrag bietet der DIES LEGENDI 2013 Einblicke in die Lehrpraxis der JGU: Dozentinnen und Dozenten stellen vier vom Gutenberg Lehrkolleg geförderte Projekte vor.

So präsentiert Prof. Dr. Daniel Dreesmann von der AG Didaktik der Biologie das Projekt "Forschungsorientierte Lehre im Lehramtsstudium" vor, kurz FOR-LA. Es geht darum, Praktiken der Forschung über die angehenden Lehrerinnen und Lehrer an die Schulen zu bringen. "Wir wollen die Schülerinnen und Schüler zu ersten eigenen Forschungen animieren", sagt Dreesmann.

Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Biologieunterricht. Ein Beispiel ist die Bestimmung von Tieren und Pflanzen. "Die Artenkenntnisse der Schüler sind als desolat zu betrachten." Eine einfache Fragestellung kann motivieren: "Wie heißt der Vogel, den ich auf dem Schulweg gesehen habe?" Schon ist der Anfang gemacht.

Mit Unterstützung von FOR-LA konzipieren Studierende zwei- bis vierstündige Unterrichtseinheiten für die Schule. "Wir würden dieses Angebot gern verstetigen", so Dreesmann und gibt zu bedenken: "Dafür brauchen wir zusätzliches Personal. Innovative Lehre ist letztlich nicht zum Nulltarif zu haben."

Beauty and the Brain

Juniorprof. Dr. Sibylle Baumbach und Prof. Dr. Anja Müller-Wood vom Department of English and Linguistics stellen ein ganz anders geartetes, interdisziplinäres Lehrprojekt vor. Mit der Reihe "Beauty and the Brain: Literature and the Mind" schlagen sie den Bogen von den Geistes- hin zu den Naturwissenschaften, eine Verbindung, die laut Müller-Wood immer mehr an Relevanz gewinnt und neue Einblicke verspricht, "auch wenn viele Kollegen aus der Geisteswissenschaft das noch für Teufelszeug halten".

Ein Kernpunkt von "Beauty and the Brain" sind öffentliche Gastvorträge prominenter Fachleute aus der Linguistik, den Neurowissenschaften und vielen anderen Disziplinen. Doch dabei bleibt es nicht. Studierende können sich in Seminaren auf diese Vorträge vorbereiten und sie bekommen die Möglichkeit, die jeweiligen Referenten vorher zu treffen, um mit ihnen zu diskutieren. "Wir wollen Studierende mit aktueller Forschung in Kontakt bringen", erläutert Baumbach. "Und wir wollen ein Vernetzung schaffen, eine Mainzer Academic Community."

Der Zeitplan für den DIES LEGENDI ist straff: Je eine halbe Stunde ist Zeit für die Vorstellung der innovativen Lehrprojekte, dann geht es schon ins Finale und an die Preisverleihung, die Krausch am Herzen liegt. "Lehre und Forschung sind uns gleichermaßen wichtig", betont der Universitätspräsident. "Wir wollen auch in der Lehre immer besser, immer exzellenter, werden."