Alte Präparate für moderne Lehre

27. April 2016

Die Zoologische Lehrsammlung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) wurde 1946 gegründet, im gleichen Jahr also, in dem die wiedergegründete Universität eröffnet wurde. Die Tausende von Präparaten finden ihren Einsatz in der Lehre vor allem beim Einüben der Bestimmung von Tierarten.

Auf dem Weg in die Räumlichkeiten der Zoologischen Lehrsammlung warnt Detlev Gregorczyk schon mal vor: "Erwarten Sie nicht zu viel." Der Präparator, der die Lehrsammlung des Instituts für Zoologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz betreut, führt durch einen Saal, in dem Studierende unter anderem das Bestimmen verschiedenster Tierarten lernen. Es geht hinein in ein enges Treppenhaus, auf dessen Absatz sich acht Metallschränke drängen.

"Das ist sie." Gregorczyk zückt seinen Schlüsselbund und öffnet den ersten Schrank. Hier stapeln sich Vogelpräparate, die sich deutlich von dem unterscheiden, was das Publikum üblicherweise in den Vitrinen von Museen geboten bekommt. Gregorczyk greift ein Exemplar heraus. Das Präparat ähnelt ein wenig einem Eis am Stiel. Der Vogelbalg steckt lang gestreckt auf einem Holzstab. Das feine Gefieder scheint hervorragend erhalten, die Augenhöhlen sind allerdings leer.

Steinkauz am Stiel

"Das ist ein junger Steinkauz." Gregorczyk selbst hat ihn präpariert. Ein Papierfähnchen gibt Auskunft über die genauen Maße des Tieres, den Fundort und das Funddatum: "Ingelheim, 5.12.96". Der Vogel wurde nicht getötet, um Teil der Zoologischen Lehrsammlung zu werden. "Er ertrank in einer Regentonne auf einer Pferdekoppel." Heute ergänzen oft solche durch Unfälle zu Tode gekommene Tiere die Sammlung.

Die bereits im Gründungsjahr der JGU entstandene Zoologische Lehrsammlung beinhaltet knapp 500 Vogelpräparate. Ein Großteil stammt von dem Chirurgen und Hobbyornithologen Otto Natorp, der 1956 verstarb. Die meisten Vögel sind genauso hergerichtet wie der Steinkauz. Es finden sich Spechte, Enten, Rabenvögel und vieles mehr. Gregorczyk nennt sie "wissenschaftliche Bälge". Es ist nur das erhalten, was zur Bestimmung eines Vogels notwendig und nützlich ist. "Solch ein Balg lässt sich mit relativ wenig Aufwand herstellen", erklärt der Präparator. Für die Lehre, für Bestimmungsübungen, ist so ein Stück ideal.

Gregorczyk zeigt weitere Exemplare. "Das ist ein Steinschmetzer." Dieser Vogel scheint beinahe lebendig zu sein. Er hockt auf einem Erdklumpen, duckt sich, neigt den Kopf und schaut mit schwarzen Knopfaugen in die Welt. "Einige von Natorps Präparaten sind von außerordentlicher Qualität", lobt Präparator Gregorczyk. "Manche sind so gut, dass wir es schade fanden, sie nur in den Schränken zu verwahren." Sie wanderten im Austausch mit weniger ansehnlichen, aber für die Lehre gut brauchbaren Exemplaren, ins Museum nach Dresden.

Exotisches und Alltägliches

Schrank um Schrank öffnet sich. Nicht nur Vögel finden sich: Mäuse sind zu sehen und in einem Schaukasten liegen die Knochen von Maulwürfen. "Bestimmungsübungen beziehen sich immer auf heimische Arten", erklärt der Präparator. "Trotzdem haben wir einige exotische Stücke." Es reihen sich Schädel von Krokodilen an die großer Schildkröten. Diese und viele weitere Stücke stammen von dem Zoologen Gerd Heinrich, dessen Privatsammlung der JGU zur Verfügung gestellt wurde.

Die unscheinbaren Schränke im Treppenhaus sind allerdings nur ein Teil der Sammlung. Gregorczyk führt in eine Kammer mit weiteren Schränken. Auch hier findet sich wieder Exotisches, etwa das Skelett eines Mondfisches oder ein jahrzehntealter Nilpferdschädel.

Gregorczyk zieht ein Schubfach mit einem ganzen Satz Marderschädeln heraus. Blendend weiß ruhen sie in Plastiktüten. Sie wirken beinahe schon zu perfekt, zu rein, um echt zu sein. "Wichtig ist, dass das Fett entfernt wird, dann hält sich so etwas sehr lange." Der Präparator selbst hat diese Schädel gebleicht. "Mit Persil", erläutert er lächelnd. "Das ist ideal geeignet. Es enthält ungeheuer viel Bleichmittel."

Von den Säugetieren geht es zu den Insekten. Maulwurfsgrillen und Libellen sind in Schaukästen zu bewundern. Jede Professorin und jeder Professor brachte im Laufe der Jahrzehnte sein Spezialgebiet mit an die JGU und das wirkte sich auch auf die Lehrsammlung aus. Auch Gastopoden sind reichlich vertreten. Schneckenhäuser und Muscheln drängen sich in den Schubladen.

Trends der Tierpräparation

Noch ein Schrank: Reptilien und Amphibien schwimmen in Alkohol. Bleiche Blindschleichen, Kröten, Mauereidechsen und sogar Salamander wurden so zu Dutzenden konserviert. "So etwas machen wir praktisch gar nicht mehr", stellt Gregorczyk klar. "Wir wollen und dürfen es auch gar nicht. Viele dieser Tiere stehen heute unter Naturschutz." Die meisten Nasspräparate stammen aus den 1960er-Jahren. Sie haben sich über die lange Zeit gut gehalten, nur die Farben sind verblichen.

"Erwarten Sie nicht zu viel", hatte Gregorczyk gesagt – und dann doch viel gezeigt. Tatsächlich kommt die Zoologische Lehrsammlung in unscheinbarem Gewand daher, doch der erste Eindruck täuscht. Sie enthält Tausende von Objekten, die Semester für Semester im Studium Verwendung finden. Und sie bietet einen Blick in die sich wandelnde Praxis der Tierpräparation und -präsentation.