Lockere Talk-Runde zum Finale

5. Juli 2019

Zum Abschluss seiner Vorlesungsreihe "Die Macht der Düfte: Alles über das Riechen und wie es unser Leben bestimmt" lud Prof. Dr. Dr. Dr. med. habil. Hanns Hatt gleich eine ganze Reihe Gäste an die Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) ein: Der Inhaber der Gutenberg-Stiftungsprofessur 2019 sprach mit einer Winzerin, einem Sternekoch und einem Parfümeur über die Kunst, mit Düften zu arbeiten.

"Es hat mir unglaublichen Spaß gemacht", meint Prof. Dr. Dr. Dr. med. habil. Hanns Hatt. "Es war aber auch mehr Arbeit und es hat mich mehr belastet, als ich vorher gedacht hätte. Das gebe ich zu." Für ihn sei es eine Herausforderung gewesen, an neun Abenden und in neun abgeschlossenen Kapiteln über sein großes Thema, "Die Macht der Düfte", zu reden. "Doch ich habe es wahnsinnig gern getan."

Die Verabschiedung des 20. Inhabers der Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur fällt herzlich aus. JGU-Präsident Prof. Dr. Georg Krausch ist gekommen, um Hatt die traditionelle Urkunde mit der dazugehörigen Medaille zu übergeben: "Damit Sie sich an uns erinnern." Krausch deutet in den gut besetzten größten Hörsaal der Universität. "Ich hatte Ihnen gesagt, die Mainzer sind ein treues Publikum. Ich freue mich, dass die Stiftungsprofessur auch in diesem Jahr wieder solch ein Echo gefunden hat."

Großes Lob an die Mainzer

"Ich habe das große Interesse mehr meinem Thema zugeschrieben als mir selbst", erwidert Hatt. "Man kann sich das gar nicht vorstellen: Niemand kommt doch zehn Mal hintereinander, nur um zu riechen." Für die Mainzer hat der prominente Zellphysiologe im Gegenzug reichlich Lob parat. "Die Menschen hier sind unglaublich freundlich, sie haben eine ungeheure Frohnatur. Wenn man wie ich vom Ruhrgebiet kommt, ist man begeistert."

Zum Abschluss seiner Vorlesungsreihe präsentiert Hatt etwas Besonderes. Er bringt seine Wissenschaft hinein in andere Bereiche, die sich ebenfalls mit dem Duft und dem Riechen beschäftigen. Zudem wechselt der Ton: Diesmal gibt es keinen Vortrag, stattdessen hat sich eine lockere Talk-Runde auf dem Podium versammelt, die sich über das Thema "Wenn Duft zur Kunst wird – Winzer, Köche, Supernasen" unterhalten wird.

Marc vom Ende gehört zu den Supernasen. Der Parfümeur arbeitet für den weltweit viertgrößten Hersteller von Duft- und Aromastoffen. Die Mainzer Winzerin Eva Vollmer baute ein Weingut mit überregionalem Ruf auf. Und Philipp Stein, ebenfalls aus Mainz, wurde 2014 zum jüngsten deutschen Sternekoch gekürt. Als Moderatorin holte sich Hatt die Journalistin Patricia Küll hinzu. Vor einigen Monaten schaute er bei ihr in der SWR-Landesschau vorbei, um von seiner Stiftungsprofessur zu berichten. "Er fragte mich, ob ich nun auch Gast bei ihm sein möchte", erzählt Küll, die gern zusagte.

Zum Einstieg spürt Küll dem Ursprung von Hatts Forschung nach: "Sie sind über Schmetterlinge zum Riechen gekommen?" Tatsächlich holte der Nobelpreisträger Konrad Lorenz Hatt in den 1970er-Jahren ans berühmte Max-Planck-Institut Seewiesen bei München. "Sie suchten jemanden, der sich mit Schmetterlingen auskannte, und ich sammelte damals Schmetterlinge", meint Hatt lakonisch. Zwei Jahre beschäftigte er sich mit dem Geruchssinn dieser Insekten: "Wie findet so ein Nachtfalter-Mann seine Frau im Dunkeln, irgendwo im Wald? Die Frauen geben Duftstoffe ab." Über diese Pheromone war damals wenig bekannt. Hatt half, Licht ins Dunkel zu bringen. "Danach schaute ich, wie es beim Menschen aussieht. Darüber wusste man noch weniger."

Riechen als Kunst und Handwerk

Hatt dachte bereits von Beginn an über die Fachgrenzen hinaus und er suchte nicht nur den Dialog mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Sein Thema betrifft viele Lebensbereiche, also schaut er sich viel um. Ihn interessieren Berufe, die sich mit dem Riechen und dem Geschmack beschäftigen. Beides hängt schließlich eng zusammen. Nun ist er neugierig auf die Winzerin, den Koch und den Parfümeur.

"Gibt es eine Kunst des Riechens?", fragt Küll. Ist Riechen eine Kunst, oder ist es vielleicht nur ein einfaches Handwerk? "Das verschwimmt immer und immer öfter", meint Vollmer. Wie ein Künstler seine Farben aus den Töpfen hole, so hole sie als Winzerin die Aromen aus den Rebsorten. "Die hohe Kunst besteht darin, eine perfekte Cuvée zu kreieren." Hier komme das Geplante mit dem Künstlerischen und dem Emotionalen zusammen. Ähnlich sieht das Stein: Kochkunst bestehe in der Kunst der richtigen Zusammenstellung. "Eine Currysoße zu kochen und da den richtigen Punkt zu finden, die Ausgewogenheit, die Balance – darin sehe ich schon die Kunst."

"Als Kunst bezeichnet man ein Objekt, das keinen weiteren Nutzen hat", meint wiederum vom Ende. "Ein Stuhl kann in dem Sinn keine Kunst sein: Man kann drauf sitzen." Er selbst sieht sich in einem Spannungsfeld: Einerseits sollen Düfte durchaus kommerziellen Erfolg haben, andererseits ist ihm das kreative Spiel mit den Tausenden von Grundrohstoffen wichtig, die ihm zur Verfügung stehen. So schuf der Parfümeur einst den Geruch von Dollar-Noten als wichtigen Teil für ein Kunstwerk.

Alle drei sehen in der Komposition die Kunst ihres Berufs. "Dabei mischt man nicht einfach Komponenten zusammen", präzisiert Hatt. "Man muss eine Geschichte erzählen. Wer eine Duftgeschichte oder eine Weingeschichte erzählt, hat Erfolg." Mit ihrem speziellen Geschichtenerzählen haben seine drei Gäste einigen Erfolg. "Bis zu diesem Tag dachte ich, das ist gar nicht so kunstvoll, was wir tun", meint Vollmer dazu. "Aber wenn man darüber nachdenkt ..."

Ungewöhnliche Abschiedsveranstaltung

Der Talk mündet in einer Art Quiz: vom Ende hat einige Parfüms zum Proberiechen im Gepäck und Vollmer packt Weine aus, die sie in der Folge auf Wunsch mischen wird. Auf dem Tisch reihen sich die Gläser, im Saal steigt die Stimmung angesichts der fröhlichen Runde.

Immer wieder stechen die Gutenberg-Stiftungsprofessuren durch ungewöhnliche Vortrags- und Veranstaltungsformen hervor. Der Experimentalphysiker Prof. Dr. Dr h.c. Anton Zeilinger etwa brachte ein Theaterstück in den Hörsaal. Daran knüpft Hatt mit seinem entspannten Talk an. So klingt seine Vorlesungsreihe auf einer ungewöhnlichen Note aus.

Den Mainzern gibt der scheidende Stiftungsprofessor noch einmal jene Botschaft mit auf den Weg, die er über das Semester hinweg auf verschiedenste Weise mit Leidenschaft verbreitete: "Die Nase einsetzen! Das kann ich Ihnen nur raten." Lang anhaltender Applaus setzt ein
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