Zündendes Konzept zur Förderung engagierter Studierender

15.07.2021

Wer ein Deutschlandstipendium stiftet, hat es einfach: Im Prinzip reicht die Überweisung von 1.800 Euro völlig aus. Doch wer möchte, bekommt dafür viel mehr als nur eine Spendenquittung: Dr. Kristina Pfarr und Anja Noky vom Bereich Universitätsförderung und Alumni der JGU skizzieren, wie sich das Stipendium in den ersten zehn Jahren seines Bestehens entwickelt hat, was es für die Studierenden bedeutet und für Spenderinnen und Spender bedeuten kann.

"Wir waren von Anfang an mit dabei", erzählt Dr. Kristina Pfarr. "Die JGU hatte 2007 begonnen, ein eigenes Fundraising aufzubauen. Da kam für uns die Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, das Deutschlandstipendium ins Leben zu rufen, also gerade recht. Obwohl uns bewusst war, dass es ein komplexes Projekt sein würde, stiegen wir 2011 direkt mit 90 Stipendien ein."

Die Leiterin des Bereichs Universitätsförderung und Alumni der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) weiß, dass andere Universitäten sich zu Beginn zögerlich zeigten. Doch das neue Konzept setzte sich durch: Im Jahr 2014 nutzten bereits rund drei Viertel der deutschen Hochschulen das Stipendium. Allein 2019 kamen 28.159 Studierende in den Genuss der Förderung. "Und wir konnten die Zahl unserer Deutschlandstipendien mehr als verdoppeln: Im vorigen Jahr lag sie bei 229."

Die Idee ist bestechend einfach: Wer ein Deutschlandstipendium stiften möchte, spendet einmalig 1.800 Euro. Das Bundesministerium legt noch mal 1.800 Euro drauf. Die Empfängerinnen und Empfänger bekommen dann ein Jahr lang Monat für Monat 300 Euro. "Das Stipendium soll helfen, eine Stiftungskultur in Deutschland zu etablieren", erklärt Pfarr. "Denn im Vergleich zu den angloamerikanischen Ländern sind wir in dieser Hinsicht ein ganzes Stück hintendran."

620 Bewerbungen auf 229 Stipendien

Anja Noky zeichnet an der JGU verantwortlich für das eigens aufgelegte Programm rund ums Deutschlandstipendium. "Wir sorgen dafür, dass unsere Förderer im Prinzip nur noch das Geld überweisen müssen", sagt sie. "Den Rest übernehmen wir." Dieser Rest hat es allerdings in sich.

Es beginnt mit denjenigen, die sich für ein Deutschlandstipendium bewerben. "Im vorigen Jahr waren es 620 Studierende", erzählt Noky. Für eine Förderung kommen all jene in Frage, die einerseits herausragende Leistungen im Studium vorweisen können, sich andererseits aber auch sozial, gesellschaftlich oder politisch engagieren. "Daneben berücksichtigen wir auch die Lebensumstände: Ist jemand zum Beispiel alleinerziehend oder betreut die Eltern? Wie sieht das Umfeld grundsätzlich aus? Ein Migrationshintergrund oder besondere Umstände können eine Rolle spielen. Krankheiten und Behinderungen ebenso."

Grundsätzlich wählen die Fachbereiche geeignete Kandidatinnen und Kandidaten aus, die jeweils ein Motivationsschreiben, einen Lebenslauf und diverse Leistungsnachweise vorgelegt haben müssen. Zur Beurteilung ist eine fachbereichsinterne Förderkommission aus Professorinnen und Professoren, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Studierenden zuständig. An der JGU kommen zudem auch Studienanfängerinnen und -anfänger für ein Deutschlandstipendium infrage. Sie werden zentral von einem eigenen Gremium begutachtet. "Wirklich all unsere Studierenden sollen, wenn sie die entsprechenden Kriterien erfüllen, eine Chance haben", betont Noky. "Wir sind jedes Mal erstaunt über die unglaubliche Leistungsdichte, die uns bei den Bewerberinnen und Bewerben begegnet", ergänzt Pfarr. "Das gilt gerade auch für die Erstsemester."

Nun allerdings müssen die Förderinnen und Förderer für diese außergewöhnlichen Studierenden gefunden werden. "Wir versuchen, einen möglichst persönlichen Kontakt aufzubauen", so Noky. Standardisierte Werbung fürs Deutschlandstipendium geht nicht hinaus. "Stattdessen telefoniere ich viel und lerne die Menschen kennen."

Mehrwert für Studierende und Förderer

Das ist auch wichtig für den nächsten Schritt: das Matching. Die Studierenden werden nämlich nicht zufällig verteilt. "Ich schaue, was unsere Förderer antreibt, was sie möchten und wer zu ihnen passt. Wir haben zum Beispiel einen Professor für Kardiologie, der privat fördert. Ihm würde ich eher Studierende aus der Medizin oder aus einem verwandten Bereich zuteilen. Ein Unternehmen dagegen wünscht sich vielleicht jemanden aus den Wirtschaftswissenschaften."

Dieses Matching ist aufwendig, zugleich aber ein Faktor, der das Deutschlandstipendium an der JGU erfolgreich macht. "Jede Stifterin, jeder Stifter kann wählen, wie sie oder er das Verhältnis zu den Stipendiatinnen und Stipendiaten gestaltet. Manche möchten eher im Hintergrund bleiben, andere suchen den Austausch. Für Firmen ist es natürlich attraktiv, auf diesem Weg potenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für sich zu interessieren. Einige laden sogar zu eigenen Treffen ein." Ein besonderer Höhepunkt des Förderjahrs ist das festliche Dinner auf dem Hofgut Laubenheimer Höhe auf Einladung des Präsidenten der JGU: Prof. Dr. Georg Krausch begrüßt an diesem Abend jede Förderin und jeden Förderer persönlich. In ungezwungener und doch feierlicher Atmosphäre haben die Stipendiatinnen und Stipendiaten reichlich Zeit für einen Austausch mit ihren Förderern.

"Bei solchen Gelegenheiten merken wir, dass für die Studierenden beileibe nicht nur das Geld eine Rolle spielt, auch wenn es sehr hilft", erzählt Pfarr. "Es kommt ein Faktor hinzu, den viele unterschätzen: Die Stipendiatinnen und Stipendiaten sehen, dass ihr Engagement und ihre Leistungen wirklich wahrgenommen, dass sie honoriert werden."

"Wir bemühen uns, einen Mehrwert zu schaffen", meint Noky. Eine eigene Stipendiatengruppe im Gutenberg-Netzwerk ist mittlerweile im Aufbau, aber daneben sieht sie auch die vielen individuellen Verflechtungen, die sich ergeben: "Ich kenne eine Studentin, die Weihnachten mit ihren Förderern feiert. Wir haben auch ein Ehepaar: Er fördert im Bereich Jura, sie in der Musik – und beide sind sehr am Kontakt zu den Studierenden interessiert. Solche Aspekte fördern wir, wo es nur geht."

Erfolgsrezept hat sich bewährt

In Zeiten der Pandemie ist leider manches schwieriger geworden: Feiern sind kaum möglich und auch persönliche Kontakte leiden. "Umso mehr freut es uns, dass einige unserer Förderinnen und Förderer sagen: Gerade in dieser Situation möchte ich ein Stipendium stiften. Das ist im Moment besonders wichtig."

Wer ein Deutschlandstipendium finanziert, geht in der Regel keine langfristige Verpflichtung ein: Mit der einmaligen Zahlung der 1.800 Euro ist eigentlich alles getan. "Das bedeutet für uns aber auch, dass wir jedes Jahr wieder bei null anfangen", gibt Pfarr zu bedenken. "Jedes Jahr müssen wir neue Stipendiengeber finden." Tatsächlich funktioniert dies allerdings jedes Jahr besser. "2020 konnten wir 20 Privatpersonen, 18 Unternehmen und 14 Stiftungen fürs Deutschlandstipendium gewinnen", erzählt Noky. "Viele von ihnen unterstützen gleich mehrere Studierende." Pfarr meint: "Es ist vor allem das Konzept des Stipendiums, das überzeugt. Es ist ein Erfolgsrezept, das sich nun schon über zehn Jahre bewährt."

Doch Platz für weiteres Engagement bleibt allemal, da lässt sie keine Zweifel aufkommen: "Bei mindestens 600 Bewerbungen gehen in jedem Jahr viele Studierende leer aus, die eigentlich ein Deutschlandstipendium verdient hätten. Gerade sehr gute Bewerbungen in den Geisteswissenschaften können wir oft weniger berücksichtigen." Dies würden Noky und Pfarr gern ändern. Sie arbeiten daran – auch zum zehnten Geburtstag des Deutschlandstipendiums.