Themenparks im Fadenkreuz der Forschung

1. August 2013

Freizeit- und Themenparks sollen Spaß machen. Es geht um Nervenkitzel in der Achterbahn, um Show und Unterhaltung. Das genügt – oder? Der amerikanische Kulturanthropologe Scott A. Lukas hat die Parks zu seinem Spezialgebiet gemacht. Nun kam er als Gastprofessor an die Johannes Gutenberg-Universität Mainz, um davon zu berichten, um zu lehren, aber vor allem, um zu lernen.

Es ist gar nicht so leicht, Professor Scott A. Lukas über seine Forschung auszufragen. Zwar gibt der Kulturanthropologe gern Auskunft, aber er ist auch neugierig. Er will viel erfahren über seine Gesprächspartner, über das Land, in dem er zu Gast ist, über die Universität und ihre Studierenden.

"Ich hatte wunderbare Diskussionen hier", erzählt er. "Die Leute haben mir viele neue Ideen und Erkenntnisse gebracht. Besonders die Studierenden haben mich überrascht. Sie zeigen eine Fähigkeit zu reflektieren, wie ich sie aus Amerika kaum kenne."

Für ein Semester ist Lukas auf Einladung von Dr. Florian Freitag vom Fachbereich Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft in Germersheim und Juniorprofessor Dr. Filippo Carlà vom Historischen Seminar der JGU nach Deutschland gekommen. Die beiden riefen das Projekt "'Here You Leave Today' – Time and Temporality in Theme Parks" ins Leben. Finanziert wird Lukas' Aufenthalt vom universitären Zentrum für Interkulturelle Studien (ZIS).

Passt der Bürgerkrieg in den Park?

In drei Büchern hat der Kulturanthropologe Lukas verschiedenste Facetten seines Forschungsgebiets beleuchtet. Der Sammelband "The Themed Space", die Monografie "Theme Park" und das "Immersive Handbook: Designing Theme Parks and Consumer Spaces" führen nach Coney Island, nach Disney World oder auch zu Park-Plänen, die nie verwirklicht wurden. Lukas kennt die Orte und Projekte, von denen er schreibt. Er selbst war Trainer in "Six Flags AstroWorld".

In seinem ersten Vortrag in Germersheim ging es um "Coney Island and the 'History Magic' of Theme Parks", um den Verfall des berühmten New Yorker Vergnügungsparks und die Pläne zu seiner Revitalisierung. Unter anderem fragt sich Lukas, ob solche Parks sich als Orte eignen, um ernste Themen von sozialer oder kultureller Relevanz zu behandeln. Wünschen würde er es sich schon. "Aber ich bin da skeptisch."

Als Beispiel führt er einen von Disney geplanten Themenpark an, auf dessen Gelände der Amerikanische Bürgerkrieg im Mittelpunkt stehen sollte. Schnell kam Kritik von Historikern und von politischer Seite. So ein Park könne und dürfe den Krieg niemals authentisch darstellen. Es sei frivol, mit solch einem ernsten Thema in die Sphären des Kommerz hinabzusteigen. Das Projekt wurde nie realisiert.

Was ist wirklich authentisch?

Lukas fragt in diesem Zusammenhang: "Was ist wirklich authentisch? Ist Authentizität überhaupt herzustellen, ob im Museum oder im Freizeitpark?" Der Amerikaner gibt darauf nicht gleich eine einfache, schnell konsumierbare Antwort. Er diskutiert lieber. In Mainz hat er die Häuser am Marktplatz im Schatten des alten Doms gesehen. Sie wirken, als stammten sie aus längst vergangenen Jahrhunderten. Schaut man jedoch hinter die Fassaden, präsentiert sich übergangslos moderne Architektur unter der dünnen Schicht scheinbar historischer Patina. Nach alten Bildern wurden alte Fassaden neu geschaffen. Was ist hier authentisch?

In Lukas' Sommersemester-Proseminar an der JGU drehte sich alles um "The Cultures of Remaking". Damit behandelte er ein Phänomen, das nicht nur Häuserfassaden und Themenparks betrifft. In verschiedensten Bereichen ist die Neuinterpretation eines überkommenen Topos üblich. Gerade die Filmwelt lebt vom Remake. "Da wird ein Stoff für ein neues Publikum hergerichtet." Ein französischer Film etwa wird mit amerikanischen Schauspielern in amerikanischem Ambiente gedreht. "Dabei ändert sich auch schon mal die Geschichte, den aktuellen Zuschauer irritierende Dinge fallen vielleicht weg. Inwieweit ist das legitim oder produktiv?"

Wieder steht eine gute Frage im Raum, die diskutiert werden will. Den Studierenden bot Lukas dafür ein weiteres Beispiel: die "Make Over Shows", in denen Kandidaten gründlich aufpoliert werden. Sie bekommen ein neues Äußeres. Schicker soll es sein, zeitgemäßer und ansprechender. Auch in Deutschland gibt es solche Shows rund um das Remake von Menschen.

Welche Parks wollen die Studierenden?

"Die Studierenden waren sehr kritisch. Sie brachten den Begriff des inneren Selbst ins Spiel: Entspricht das neue Äußere noch dem inneren Selbst des Kandidaten?" Diese Frage trugen die Studierenden hinüber in die Sphäre der Theme Parks: Wenn in einem Disney Park der Amerikanische Bürgerkrieg inszeniert wird, muss da nicht der innere Kern dieses historischen Ereignisses im Mittelpunkt stehen? Wäre das eine Messgröße für Authentizität?

In seinem letzten Vortrag an der JGU sprach Lukas über "Theme Parks – From Cultural Remaking to Social Justice": Der Kulturanthropologe denkt immer tiefer darüber nach, ob Themen der sozialen Gerechtigkeit oder der Politik sich mit einem auf den Konsumenten orientierten Raum vereinen lassen.

Auch die Studierenden in seinem Proseminar konfrontierte er mit dieser Frage. Sie sollten entsprechende Parks entwerfen. "Eine Gruppe schlug einen historischen Park vor, in dem die Geschichte reinszeniert wird. Eine weitere war für ein Eco-Land, das ökologische Komplexe darstellte. Die dritte erarbeitete einen Park der Anti-Liebe. Sie wollten all das darstellen, was in der Liebe falsch laufen kann."

Ziehen ernste Themen Publikum an?

Lukas lobt: "Alle drei Vorschläge waren ungeheuer kreativ." Aber würden sie als wirtschaftliches Unternehmen überleben können? Hätten die Projekte das Zeug zum Publikumsmagneten? "Wir hatten da in der Diskussion unsere Zweifel."

Der Kulturanthropologe will ein Buch zu diesem Themenkomplex schreiben, wenn er zurück ist am kalifornischen Lake Tahoe Community College. Die Anregungen aus Mainz und Germersheim wird er im Gepäck haben.

Aber nun genug von Themenparks. Lukas hat noch so viele Fragen: "Wie ist das denn genau mit den Markthäusern in Mainz? Gab es da keinen Widerstand? Und wie sieht es mit dem Dom aus?"