Uni-Forschung im Zelt

16. September 2013

Beim 12. Wissenschaftsmarkt stellten sich Mainzer Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen vor. Rund 300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler präsentierten vor dem Staatstheater in der Innenstadt mehr als 40 Projekte. Auch die Johannes Gutenberg-Universität Mainz war mit Professoren, Studierenden, Modellen, Experimenten und einigem mehr dabei.

Der elfjährige Arne jagt Teilchen. Vielleicht erwischt er ja sogar ein superseltenes Higgs-Boson? Er hält einen Tablett-PC in Händen. Dort ist ein Experiment eines Protonenbeschleunigers zu sehen. Gut, nicht wirklich, es ist eine stark schematisierte Darstellung. Aber mit einer speziellen App kann Arne nachvollziehen, wie es für einen Forscher ist, wenn er auf die Suche nach Elementarteilchen geht.

"Wir haben die App bei der Universität Oxford gefunden", erklärt Uwe Link. Gemeinsam mit anderen Studierenden und einigen Professoren ist er für PRISMA, das Exzellenzcluster "Precision Physics, Fundamental Interactions and Structure of Matter" der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), auf dem Wissenschaftsmarkt 2013 der MAINZER WISSENSCHAFTSALLIANZ dabei. Dass es nicht ganz einfach ist, die Welt der Teilchenphysik für den Laien erfahrbar zu machen, weiß er.

"An den Texten für unsere Schautafeln haben wir wochenlang gearbeitet", erzählt Link. Es galt, die Experimente in einem Elektronenbeschleuniger in Alltagsszenen zu übersetzen. "Wenn wir zwei Teilchen aufeinanderprallen lassen, dann ist das so, wie wenn zwei Autos aufeinanderrasen. Es entsteht ein neues, schwereres Auto." Mancher Wissenschaftler mag angesichts dieser Vereinfachung die Nase rümpfen. Aber für Arne ist dies der erste Einstieg in einen fremden Mikrokosmos.

Wissenschaft zum Anfassen und Mitmachen

Für ein Wochenende lud die MAINZER WISSENSCHAFTSALLIANZ zum Wissenschaftsmarkt auf den Gutenberg-Platz. Bereits zum zwölften Mal stieg die Schau im Schatten des Staatstheaters. Erstmals allerdings zeigte sie sich in neuem Gewand und mit überarbeitetem Konzept. Vier große Zelte fassten Themengebiete zusammen, das hohe Forschungszelt mit transparenter Front überragte alles.

Natürlich wurden zur Eröffnung Reden gehalten, doch man fasste sich kurz. Prof. Dr.-Ing. Gerhard Muth, Vorstandsvorsitzender der MAINZER WISSENSCHAFTSALLIANZ und Präsident der Fachhochschule Mainz, versprach "Wissenschaft zum Anfassen, Mitmachen und Nachvollziehen". Der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling freute sich über einen "echten Publikumsmagneten", während Doris Ahnen, rheinland-pfälzische Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur, ergänzte: "Der Wissenschaftsmarkt ist so vielfältig, dass man sich kaum alles anschauen kann." Per Wunderkerze setzte Prof. Dr. Georg Krausch, Präsident der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, dann einen Akzent: Ein gasgefüllter Ballon verging in einer spektakulären Explosion. Nun durfte Arne jagen gehen.

Nicht nur für Jugendliche und Kinder, auch für Erwachsene bot der Mainzer Wissenschaftsmarkt einiges. Neugierige konnten auf jeder Ebene in die verschiedensten Fachgebiete einsteigen. Hier gab es Forschung im Spiel, im Experiment oder eben im Dialog mit Wissenschaftlern.

Teilchenbeschleuniger spart Energie

Prof. Dr. Kurt Aulenbacher vom Institut für Kernphysik erläutert unermüdlich ein Modell des Elektronenbeschleunigers MESA, der das Exzellenzcluster PRISMA in der Forschung weiter voranbringen soll. "Er ist zwanzigmal energieeffizienter als herkömmliche Beschleuniger", preist der Professor die geplante Anlage. MESA steht für "Mainz Energy Recovering Superconducting Accelerator". Gerade mal 30 Meter lang wird die Anlage sein – das ist sehr wenig für seine große Leistung. Im Modell verdeutlicht ein Lego-Männchen den Maßstab. "Kann das Ding in die Luft gehen?", fragt ein Besucher. "Nein, wenn etwas schiefläuft, schaltet es automatisch ab", beruhigt Aulenbacher.

Wenige Meter weiter schwebt ein kleines dampfendes Päckchen über einer ovalen Rennbahn. Es saust im Kreis, ohne die Bahn zu berühren. "Cool", seufzen zwei Mädchen begeistert, die sich an der schützenden Scheibe davor die Nase plattdrücken. Das trifft es ganz gut. Im dampfenden Päckchen verbirgt sich ein sogenannter Supraleiter. Damit er so schweben und rasen kann, musste er mit flüssigem Stickstoff heruntergekühlt werden. Die Bahn selbst besteht aus Magneten, mit denen der Leiter in Wechselwirkung tritt.

Die Graduiertenschule "Materials Science in Mainz" (MAINZ) der JGU demonstriert mit der Schwebebahn eine Eigenschaft von Supraleitern. Dr. Martin Jourdan vom Institut für Physik steht dahinter und erklärt den neugierigen Wissenschaftsmarkt-Besuchern das Experiment.

Bücher, E-Books, Umweltschutz

Doch es geht nicht nur um Physikalisches. Dr. Anke Vogel vom Institut für Buchwissenschaft der JGU stellt am Medienzelt das Projekt "Green Publishing" vor, den nachhaltigen Umgang mit Print-Produkten von den Rohmaterialien über die Produktion, den Transport und die Nutzung bis zur Entsorgung. Die Besucher dürfen raten: Wie viel Prozent der Bücher im deutschen Handel werden an die Verlage zurückgeschickt, weil sie sich nicht verkaufen lassen? "In Deutschland sind es 10 Prozent", sagt Vogel. "In Amerika sogar 40 Prozent."

Dies ist nur ein Aspekt, der im Zusammenhang mit umweltschonendem Publizieren interessant und bedenkenswert ist. Vogel räumt vor ihren Schautafeln unter anderem mit dem Vorurteil auf, dass E-Book-Reader grundsätzlich umweltfreundlicher sind als gedruckte Bücher. Auch die Reader müssen produziert werden und wie beim Handy sind dafür seltene Erden vonnöten. Zudem wird der Konsument animiert, sich ständig neue Modelle anzuschaffen.

Der Wissenschaftsmarkt 2013 bietet in seinen Zelten ein buntes, thematisch vielfältiges Programm sowie diverse Begleitveranstaltungen. Die Universitätsmedizin Mainz informiert über das Herz-Kreislauf-System, die Fachhochschule vermisst die Welt und das Naturhistorische Museum zeigt fossile Schätze.

Das längste Gedicht der Welt

Derweil mischen sich die Akteure des Lyriklabor mit Zylinder und Bauchladen unters Volk. Sie wollen das längste Gedicht der Welt erschaffen und jeder darf mitdichten. Das Labor entstand aus einem Gemeinschaftsprojekt von Universität und Fachhochschule, hat mittlerweile seinen eigenen Verein gegründet und überrascht regelmäßig durch seinen unkonventionellen Umgang mit Poesie. Auf Postkarten liefert es nun tierische Stichworte, auf die es Verse zu schmieden gilt. Was reimt sich auf Grottenolm?

Die 12. Mainzer Wissenschaftsmarkt hat vieles geboten und jeder kleine und große Besucher konnte hier Wissenschaft und Forschung hautnah erleben. Arne bekam nach seiner Jagd auf die Teilchen einen kleinen Button mit einem dreiäugigen lila Monster. "Strange Quark" stand darunter. "Cool!"