Jesus kannte keine Schokolade

30. Januar 2012

Nicht mal zwei Jahre alt ist die Grüne Schule im Botanischen Garten der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Und schon hat sie sich als Bildungseinrichtung für jung und alt etabliert. Im Jahr 2011 kamen rund 4.700 Besucher. Zudem zeichneten die UNESCO, das Land Rheinland-Pfalz und die Architektenkammer diese ungewöhnliche Einrichtung aus.

Die Mörser stehen bereit, geröstete Kakaobohnen warten darauf, zu Schokolade verarbeitet zu werden, und ein Projektor wirft das Logo einer berühmten Quizshow an die Wand: "Wer wird Millionär?" Die Grüne Schule hat sich für einen Vormittag in eine Schokoladenwerkstatt verwandelt. Gleich werden 24 Schüler erkunden, wo Schokolade überhaupt herkommt, wie sie entsteht und wie der weltweite Handel mit der süßen Verführung funktioniert.

"Normalerweise ist das ein Angebot für Jüngere", erzählt Dr. Ute Becker. "Aber die Klasse hat es sich extra gewünscht, deswegen haben wir es für sie modifiziert." Als wissenschaftliche Mitarbeiterin leitet Becker die Schule auf dem Gelände des Botanischen Gartens der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Ihre Schokoladenwerkstatt ist Teil eine Kursreihe unter dem Titel "Fairführung", die sie gemeinsam mit dem Weltladen Mainz erarbeitet hat.

Fairführung mit Kakao

Die 10c des Mainzer Schlossgymnasiums trudelt ein und auf die Quizshow springen die Jugendlichen sofort an, auch wenn es nur Kakaobohnen statt Euro für die richtigen Antworten gibt. "Wann wurden die ersten Kakaopflanzen angebaut?", lautet die erste Frage. "Vor a) 4.000 Jahren, b) 1.000 Jahren, c) 500 Jahren oder d) 100 Jahren?" Auf die richtige Antwort tippen die wenigsten: 4.000 Jahre. "Dann hat Jesus ja auch schon Schokolade gegessen", wirft Lukas ein. Seine Mitschüler feixen. "Hätte er machen können, wenn er da gelebt hätte, wo Kakao herkommt", meint Gifty Amo-Antwi. Sie ist Mitarbeiterin der Weltladens und führt gemeinsam mit Becker durch die Schokoladenwerkstatt.

Im Juni 2010 öffnete die Grüne Schule nach einjähriger Bauzeit als außerschulischer Lernort des Fachbereichs Biologie der Universität Mainz. 370.000 Euro kostete das Gebäude, das im Wesentlichen aus einem Raum besteht. Die Architekten Hans Harms und Michael Eckert gaben ihr die Form eines sprießenden Keimlings. Lichtleisten im Inneren erinnern an Wurzelwerk und die große Fensterfront bietet einen weiten Blick in den Botanischen Garten.

Schönheit der Pflanzen erleben

Erst sollte der Bau über private Spenden finanziert werden. Die emeritierte Professorin Elisabeth Gateff gab 50.000 Euro. "Kinder sehen so viel Hässliches, da ist es wichtig, die Schönheit von Pflanzen zu erleben", sagte sie am Rande der Eröffnung der Grünen Schule. Ihr großzügiger Beitrag rief Universitätspräsident Prof. Georg Krausch auf den Plan. Wenn eine Privatperson so viel Geld spende, dürften sich Uni und Land auch nicht lumpen lassen, fand er. Krausch fragte bei Bildungsministerin Doris Ahnen an, ob sich Land und Hochschule nicht den Restbetrag teilen könnten. Damit stand die Finanzierung.

Die 10c ist inzwischen unterwegs zu den Gewächshäusern des Botanischen Gartens. Es gilt, in der Vegetation des Regenwalds die Kakaopflanze, den Zuckerrohr oder die Öl spendende Palme zu entdecken. Die Schüler haben eine Menge Fragen: "Wie lange dauert es, bis Kakao geerntet werden kann?" oder "Wie bekommt man Kakaobutter?" Im Dickicht liegt Informationsmaterial, das Antwort gibt. "Boah, guck mal, ein Pfeilgiftfrosch", staunt Serhat vor einem Terrarium. Gut, das gehört jetzt nicht direkt zum Programm, aber gucken wird ja erlaubt sein.

Die Grüne Schule bietet Kurse und Führungen für jede Altersgruppe, darauf legt Becker Wert. Rund 4.700 Kinder und Erwachsene kamen allein 2011. "Wir verzeichnen Steigerungsraten von 50 Prozent."

Auszeichnungen für die Schule

Obwohl die Einrichtung noch jung ist, erregt sie bereits viel Aufmerksamkeit. So zeichnete das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur sie als "Schulnahe Umwelterziehungseinrichtung in Rheinland-Pfalz (SchUR)" aus, die Reihe "Fairführung" wurde zum offiziellen Projekt der UNESCO-Weltdekade "Bildung für nachhaltige Entwicklung" und die Architektenkammer des Landes sieht in dem Gebäude ein herausragendes Beispiel zeitgenössischer Architektur.

Das allerdings kümmert die Schüler der 10c wenig. Nach dem Gang durch die Gewächshäuser erfahren sie, wer wie viel an der Schokolade verdient: der Kakaobauer wenig, Firmen und Handel viel. Dann dürfen alle selbst Hand anlegen und Schokolade herstellen. Die gerösteten Bohnen leisten zwar Widerstand beim Schälen, doch irgendwann liegen sie im Mörser und werden zu feinem Staub. Noch Zucker dazu, Palmöl - und schon ist die Paste fertig. "Das schmeckt besser als im Laden", staunt Serhat.

Zum Schluss sagen die Schüler ihre Meinung zu zweieinhalb Stunden Schokoladenwerkstatt. "Interessant" war es, "cool" und "sehr okay", heißt es in der Runde. "Das ist ehrlich. Die halten nie die Klappe, wenn ihnen was nicht passt", kommentiert Lehrerin Anna Monreal zufrieden. Nächste Woche kommt sie wieder, mit einer anderen Klasse.