Luther und der letzte Ritter

21. Mai 2015

Die Sonderausstellung "Ritter! Tod! Teufel? Franz von Sickingen und die Reformation" ist einer der Höhepunkte der laufenden Lutherdekade. Initiiert wurde sie von Prof. Dr. Wolfgang Breul von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Nach gut vier Jahren Vorbereitung ist sie nun bis zum Oktober 2015 im Mainzer Landesmuseum zu sehen.

Ein Ritter hoch zu Ross reitet durch eine düstere Schlucht. Prächtig wirkt er in seiner Rüstung, seine Lanze hat er geschultert, das Visier ist geöffnet. Neben ihm reitet der Tod auf einer müden Mähre, Schlangen zischeln um sein knöchernes Haupt. Er hält dem Ritter warnend ein Stundenglas vor. Und hinter dem Recken lauert der Teufel. Seine lange Schnauze ist weit geöffnet. Lacht der Gehörnte oder schnappt er gierig zu? Egal, den Ritter scheint das alles nicht anzufechten. Er muss weiter voran.

Der berühmte Kupferstich Albrecht Dürers ist gleich im Eingangsbereich der Ausstellung "Ritter! Tod! Teufel? Franz von Sickingen und die Reformation" im Landesmuseum Mainz zu bewundern. Das kleine Original wurde stark vergrößert, sodass die Figuren gewaltig vor den Besuchern aufragen. "Im 19. Jahrhundert war man überzeugt, dass dieser Ritter kein anderer sein kann als Franz von Sickingen", erzählt Dr. Andrea Stockhammer, Direktorin des Museums. Ein "S" neben Dürers Signatur scheint diese Überzeugung zu bestätigen.

Höhepunkt der Lutherdekade

Der Kupferstich von "Ritter, Tod und Teufel" aus dem Jahr 1513 inspirierte die Ausstellungsmacher zum Titel ihrer Schau. Mal heißt es, das Bild zeige einen christlichen Ritter, dann wieder ist von einem Raubritter die Rede. "Das spiegelt sehr gut die Ambivalenz in Sickingens Lebenslauf", meint Stockhammer.

Mit einer ganzen Reihe von Veranstaltungen begeht Rheinland-Pfalz die von der Bundesregierung und mehreren Kirchen ausgerufene Dekade "Luther 2017 – 500 Jahre Reformation". Sie führt hin zu einem großen Jubiläum: Am 31. Oktober 2017 jährt sich Martin Luthers Thesenanschlag an der Schlosskirche zu Wittenberg zum 500. Mal. "Ritter! Tod! Teufel? Franz von Sickingen und die Reformation" ist ein Höhepunkt dieser Lutherdekade.

Prof. Dr. Wolfgang Breul von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hatte die Idee zu der großen kulturhistorischen Sonderausstellung. "Man muss in Rheinland-Pfalz nicht lange nachdenken, welche Figur man in den Mittelpunkt einer solchen Ausstellung stellt", sagt er. Sickingen war einer der prominentesten Protagonisten seiner Epoche. Einerseits gilt er als der "letzte Ritter", der in gewaltigen Fehden seine Interessen durchsetzte, kurz bevor die Zeit der Fehden verging. Andererseits war er ein Freund und Förderer der Reformation. Seine Ebernburg wurde zur "Herberge der Gerechtigkeit". Hier trafen sich prominente Reformatoren.

Inszenierung trifft auf Wissenschaft

Gemeinsam mit Stockhammer leitet Breul die Ausstellung, die unter der Regie der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz in Kooperation mit der Evangelisch-Theologischen Fakultät der JGU entstand. 660.000 Euro kostete die Realisierung, rund 130 Exponate von verschiedensten Leihgebern sind auf 800 Quadratmetern zu sehen, darunter viele außergewöhnliche Stücke. Im Frühjahr 2011 begann die Arbeit. Die Handschrift der Kuratorin Dr. Karoline Feulner prägt weite Strecken der Schau: Inszenierung trifft hier auf Wissenschaft. Geschichte wird greifbar, hörbar und erlebbar.

"In sieben Sektionen zeichnen wir ein vielseitiges, schillerndes Bild", sagt Breul. In der Einführung wird der Kult ums Rittertum beleuchtet, der im 16. Jahrhundert betrieben wurde, obwohl eben jenes Rittertum gerade im Niedergang begriffen war. Eine Szene zeigt zwei Ritter im Kampf: Originalrüstungen sind zu sehen. Doch sie werden nicht statuarisch präsentiert, sondern wie in Aktion. Die Duellanten kämpfen mit Streithämmern. "Der Fußkampf war ein Teil des ritterlichen Turniers", erklärt Feulner. Die Teilnahme an solchen Vergnügungen war kostspielig. "Das ist vergleichbar mit heutigen Formel-1-Events."

In einer zweiten Sektion geht es um den Aufstieg Sickingens, um seine Fehden. Es folgt eine Abteilung zu Luthers Auftritt 1521 auf dem Wormser Reichstag. Eine Druckerpresse steht für die Verbreitung reformatorischer Ideen. "Die Reformation war tatsächlich ein Medienereignis", berichtet Breul. Was mit Gutenberg in Mainz begann, erreichte hier einen ersten Gipfelpunkt: Gedruckte Flugblätter erlaubten es, neues Gedankengut schnell und massenhaft zu verbreiten.

Sickingens letzte Fehde

Auch der "Herberge der Gerechtigkeit", Sickingens Ebernburg, ist eine Sektion gewidmet. Die fünfte Sektion führt dann zu einer weiteren Festung, der Burg Nanstein: Sickingen scheiterte in seiner letzten Fehde gegen ein Bündnis des Trierer Erzbischofs mit dem Hessischen Landgrafen Philipp und dem pfälzischen Kurfürsten. Er zog sich auf die Burg zurück, wo er 1518 starb.

Die letzten beiden Sektionen der Ausstellung führen über den Wirkungsraum und die Epoche Sickingens hinaus. Einerseits geht es um die Ritterschaft in den Adelsrepubliken Polen-Litauen, Böhmen und Mähren. "Die Reformation wäre viel bunter geworden, wenn diese Ritterschaft mehr Einfluss gehabt hätte", meint Breul. Die Vielfalt der Glaubensbekenntnisse führte im Osten zu außerordentlichen Toleranzvereinbarungen, in die selbst jüdische Gemeinden einbezogen wurden.

Zuletzt geht es um das Nachleben des "letzten Ritters", um seine Romantisierung und Heroisierung im 19. Jahrhundert und darüber hinaus: Sogar ein Comic aus dem Jahr 2011 beschäftigt sich mit dem streitbaren Sickingen.

Breites Rahmenprogramm

Die aktuelle Ausstellung "Ritter! Tod! Teufel?" bietet viele bedeutende, mitunter selten zu sehende Exponate. Die Schau setzt alles in ein sehr lebendiges Licht – und sie bietet noch allerlei drum herum. Nicht nur ein opulenter Ausstellungskatalog ist erarbeitet worden, eine Broschüre und ein extra Mitmachraum für Kinder entführen die kleinen Besucherinnen und Besucher ins 16. Jahrhundert. Neben den üblichen Führungen gibt es eine Ritterschule, in der Emil Hartmann, als Sickingen gewandet, in ritterliche Ideale und ritterlichen Kampf einführt.

Und an einer schmalen Wand hängt auch noch das Original jenes Kupferstichs von Albrecht Dürer. "Ritter, Tod und Teufel" ist klein, zwei Hände könnten das Bild bedecken. Doch für viele werden es gerade solch feine Details sein, die diese Ausstellung zu einem großen Ereignis machen.