Nachwuchswissenschaftler treffen Nobelpreisträger

1. September 2015

65 Nobelpreisträger kamen zum diesjährigen Nobel Laureate Meeting auf die Bodensee-Insel Lindau. Sie trafen auf 650 Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus aller Welt, darunter auch vier Gäste von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU): Die Pharmazie-Doktorandin Ira Schmid und Thomas Böse, Doktorand am Institut für Pathologie der Universitätsmedizin Mainz, erzählen von dem Treffen.

Ein Nobelpreisträger erklärt in 30 Minuten die Grundlagen der Quantenmechanik. "Er sprang wild herum", erzählt Ira Schmid. "Wenn ich ein Teilchen wäre, wäre ich zugleich hier, hier und hier", rief William D. Phillips seinem jungen Publikum zu. So veranschaulichte er eines der schwer zu verstehenden Details der Quantenmechanik: Ein Elementarteilchen kann an mehreren Orten zugleich sein. "It's weird", setzte der Physiker denn auch hinzu.

"Er hat mit unheimlich viel Humor erzählt", erinnert sich Schmid an den Vortrag des 66-Jährigen, "und er hat so erklärt, dass es jeder begreifen konnte. Er gehörte zu denen, die sehr zugänglich waren und eigentlich alles mitmachten." Phillips meinte zu ihr: "Das hier ist das beste von all den Meetings, die ich besuche. Nirgends werde ich so herumkutschiert. Außerdem sind da diese vielen jungen Leute. Es ist interessant, was sie alles fragen."

Gäste aus 90 Ländern

Zwei Nachwuchswissenschaftlerinnen und zwei Nachwuchswissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz waren zum 65. Lindau Nobel Laureate Meeting eingeladen. Ira Schmid vom Institut für Pharmazie und Biochemie – Therapeutische Lebenswissenschaften, Thomas Böse vom Institut für Pathologie der Universitätsmedizin Mainz sowie Vera Gülpers und Dr. Miha Mihovilovic vom Institut für Kernphysik der JGU machten sich Ende Juni auf die Reise zum Bodensee, um 65 Nobelpreisträger zu treffen. Insgesamt 650 Studierende, Doktorandinnen und Doktoranden sowie Postdocs aus 90 Ländern waren zum diesjährigen Treffen eingeladen.

Juniorprof. Dr. Peter Wich vom Institut für Pharmazie und Biochemie der JGU organisierte für Böse und Schmid die Teilnahme an der außergewöhnlichen Tagung. "2005 war ich selbst als Doktorand dort. Es war eine sehr interessante und prägende Erfahrung. Als ich vor anderthalb Jahren bei der Universität nachfragte, ob es an unserem Fachbereich eine Initiative gibt, Leute für Lindau auszuwählen, erfuhr ich, dass es das zwar gebe, aber es fehle ein Koordinator. Wenn ich also Interesse hätte ... Ich hatte Interesse, daher habe ich das sehr gern gemacht."

Nun sitzt Wich zusammen mit Böse und Schmid in seinem Büro auf dem Gutenberg-Campus. Das 65. Lindau Nobel Laureate Meeting liegt noch nicht allzu weit hinter den beiden jungen Doktoranden. Die Erinnerungen daran sind sehr lebendig. Schmid hat Fotos mitgebracht: Da sitzen zwei Nobelpreisträger beim Picknick zusammen. William Moerner und Elizabeth Blackburn unterhalten sich lebhaft. Bruce Beutler, der im Jahr 2011 den Medizin-Nobelpreis für seine Forschungen zur Aktivierung der angeborenen Immunität bekam, stößt mit Schmid an. Und der berühmte Astronom Saul Perlmutter hält in Lindau einen Vortrag. Hinter ihm auf der Leinwand steht der Satz: "Science is about being open to be wrong."

Rekordzahl an Nobelpreisträgern

Das Nobel Laureate Meeting wurde 1951 ins Leben gerufen. Die beiden Lindauer Mediziner Gustav Wilhelm Parade und Franz Karl Hein initiierten das Treffen. Schirmherr wurde Graf Lennart Bernadotte, Besitzer der Bodensee-Insel Mainau, dessen gute Verbindungen zum Nobelpreis-Komitee viel zum Erfolg der Tagung beitrugen. Seine Familie begleitet das Meeting bis heute.

Das Meeting wuchs über die Jahre – und es gewann an Bedeutung. Meist steht eine bestimmte Disziplin im Vordergrund. Alle fünf Jahre findet ein interdisziplinäres Treffen statt. In diesem Jahr war es wieder so weit. Fachleute aus der Medizin, der Physik und der Chemie kamen auf Lindaus Bodensee-Insel zusammen. Eine Rekordzahl an Nobelpreisträgern hatte sich angemeldet. Ein sechstägiges Programm wartete, das die Gäste hier und da durchaus forderte.

"Es gab Tage, an denen ich um 6 Uhr morgens aus dem Hotel gegangen bin und erst nach 22 Uhr zurückkam", erzählt Schmid, die auch Juniormitglied der Gutenberg-Akademie zur Förderung des exzellenten wissenschaftlichen Nachwuchses an der JGU ist. Los ging es um 7 Uhr mit einem Frühstück, das traditionell von Sponsoren organisiert wird, die den jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Teilnahme am Meeting finanzieren. "Die haben natürlich Interesse, sich selbst vorzustellen", meint Böse. Schon hier gab es erste Vorträge.

Der Mensch hinter dem Nobelpreis

Dann stellten die Nobelpreisträger im 30-Minuten-Takt ihre Forschung dar – oder sie redeten über ihr Leben und die Schwierigkeiten auf dem Weg nach oben. "Das Thema, wie schwer es ist, eine akademische Laufbahn einzuschlagen, zog sich durch alle Veranstaltungen", resümiert Böse. "Was ich trotzdem mitgenommen habe, ist ein gewisser Optimismus. Moerner meinte: 'Wenn man eine Vorstellung hat, was man machen möchte, soll man das auch verfolgen.'"

Am Nachmittag folgten Treffen in sehr überschaubaren Gruppen. Jeweils ein Nobelpreisträger suchte das Gespräch mit einer Reihe junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. "Manchmal waren da nur sechs, sieben Leute", sagt Schmid. "Wir konnten viel erfahren."

Böse nahm unter anderem an der Runde mit Chemie-Nobelpreisträger Eric Betzig teil. "Da ging es auch um das grundlegende Thema, dass alle Wissenschaftler Existenzängste haben. Einige fragten, wie sie sich am besten bewerben." Der Doktorand wollte eine andere Note ins Spiel bringen. "Ich fragte, ob er lieber Bier oder Wein trinkt, lieber Soul- oder Jazzmusik hört. Ich dachte, das lockert die Sache etwas auf. Es gibt schließlich auch den Menschen hinter dem Nobelpreis. Die Leute haben zwar gelacht, aber die Auflockerung war eher vorübergehend."

So ernst blieb es beileibe nicht überall. Beim Abendessen saß immer ein Nobelpreisträger beim Nachwuchs am Tisch. "Beutler war so neugierig, dass er die Leute immer wieder den Platz wechseln ließ, damit er mit jedem reden konnte", erinnert sich Schmid.

Kailash Satyarthi und Wole Soyinka

Das Meeting bot viele verschiedene Veranstaltungsformen. Bei den Master Classes etwa konnten Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler ihre Forschung einem Nobelpreisträger vorstellen. In Diskussionsforen wurden aktuelle Themen wie "Communication Overkill" diskutiert. Dann klang der Tag aus – etwa bei einem "Grill&Chill". "Einige Nobelpreisträger waren bei solchen Gelegenheiten oft dabei", erzählt Böse. "Andere waren etwas distanzierter."

Neben den Medizinern, Chemikern und Physikern kamen auch Kailash Satyarthi, der Friedensnobelpreisträger von 2014, und der nigerianische Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka nach Lindau. "Aufgrund seiner Vergangenheit war ich sehr auf ihn gespannt," sagt Böse. "Er las großartig und erzeugte eine besondere Stimmung, die nachdenklich machte. Leider gehörte er zu den Laureaten, die auf mich distanziert wirkten. Trotzdem war es eine tolle Erfahrung."

Schmid und Böse haben viele Eindrücke mitgenommen. "Direkt für unsere wissenschaftliche Arbeit brachte das Meeting eher weniger", räumt Schmid ein. "Das hatte ich aber auch nicht anders erwartet. Wir forschen zu sehr aktuellen Fragestellungen und die Nobelpreisträger wurden für Entdeckungen und Erkenntnisse ausgezeichnet, die oft schon Jahrzehnte zurückliegen." Dennoch war es für Böse und Schmid ein besonderes Erlebnis. "Wir waren einfach neugierig, was für Menschen das sind", sagt die Doktorandin. Einige von ihnen haben sie nun persönlich kennengelernt.