Schulbücher der neuen Generation

4. Januar 2016

Mit seinen Schulbüchern für den Biologieunterricht hat Prof. Dr. Jürgen Markl, ehemaliger Dekan des Fachbereichs Biologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), neue Wege beschritten. Die drei Bände "Markl Biologie" sind mittlerweile zur Marke geworden. Der erste Band war sogar für die Auszeichnung "Schulbuch des Jahres 2015" nominiert.

Es klingt ungeheuer einfach, wenn Prof. Dr. Jürgen Markl es auf den Punkt bringt: "Wir brauchen ein Schulbuch, das die Schüler lesen und direkt kapieren." Tatsächlich scheint das schwierig zu sein. "Wenn Sie schon mal versucht haben, ein Thema allein mit einem Schulbuch aufzuarbeiten, dann werden Sie gemerkt haben: Das geht nicht. Diese Bücher sind nicht aus sich heraus selbsterklärend. Man braucht immer einen Lehrer dazu."

Vor Markl auf dem Tisch liegen drei Schulbücher mit der schlichten Aufschrift "Markl Biologie". Die Einbände zeigen einen grünen Frosch, der über Blätter klettert, der sich an Stängeln emporstemmt und aufgeweckt in die Kamera schaut. Der kleine Kerl ist zum Markenzeichen von Markls Veröffentlichungen geworden – genau wie der Name Markl inzwischen Marke ist für ein Biologiebuch, das anders daherkommt als seine Vorgänger.

100.000 mal Markl

"Der Klett-Verlag wollte die Reihe nicht einfach nur 'Biologie' nennen und hat mich gefragt, ob ich damit einverstanden sei, dass sie meinen Namen im Buchtitel verwenden. Ich hätte nicht gedacht, dass sich dieser etwas holprige Name für so etwas eignet." Aber er hat sich mit dem Erfolg der drei Bände durchgesetzt. "Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, wenn Sie in einer Runde sitzen, in der die Leute über 'Den Markl' diskutieren, und nicht man selbst, sondern ein Buch ist gemeint."

"Markl Biologie 1", das Biologiebuch für die Unterstufe, erschienen 2014, wurde sogar für das Schulbuch des Jahres 2015 nominiert. Diesen Preis vergibt das Georg-Eckert-Institut als Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung alljährlich auf der Leipziger Buchmesse. "Leider hat es für uns nicht ganz gereicht", meint Markl. "Ein tolles Mathematikbuch hat uns die Auszeichnung weggeschnappt." Doch mit dem zweiten Rang kann der Biologe leben. Schließlich wurden allein von seinem 2010 erschienenen Oberstufenband "Markl Biologie 3" weit über 100.000 Exemplare verkauft. Das spricht für sich.

Auf den ersten Blick scheint Markl als Hochschullehrer nicht unbedingt die ideale Person zu sein, um ein Schulbuch herauszugeben. "Ich habe zahllose Studierende unterrichtet, aber nie Schülerinnen und Schüler." An der Johannes Gutenberg-Universität Mainz prägte er den Fachbereich Biologie seit 1992 entscheidend mit. Unter anderem war er dort vier Jahre als Dekan tätig und auch nach seiner Emeritierung im April 2013 ist er als Seniorprofessor weiter sehr aktiv – aber eben auf Hochschulebene.

"Der Klett-Verlag ist seinerzeit an mich herangetreten, ob ich nicht ein neuartiges Biologiebuch für die Oberstufe entwickeln möchte." Markl hatte sich bereits einen Namen gemacht mit der Überarbeitung und Herausgabe der deutschen Ausgaben zweier Standardwerke aus Amerika: "Campbell Biologie" (1997 bis 2008) und "Purves Biologie" (ab 2006). Beide zeigen den marklschen Frosch auf dem Cover und von ihnen wurden ebenfalls mehr als 100.000 Exemplare verkauft.

Mit dem Frosch durchs Buch

Diese Fachbücher für die Hochschule tragen im Keim, was der Biologe dann in seine Schulbücher übernahm: Sie sind sehr klar gegliedert, reich bebildert, mit vielen erläuternden Grafiken versehen und vor allem selbsterklärend. Hier können sich Lernende ein Thema selbst erarbeiten. "Mit diesem Konzept waren uns die Amerikaner ein Stück voraus."

Egal, wo man "Markl Biologie 1" aufschlägt, auf jeder Doppelseite wird genau ein Thema präsentiert. Man kann direkt einsteigen. "Wir haben uns auch von den herkömmlichen Überschriften wie 'Die Reptilien' verabschiedet, stattdessen bringen wir immer einen Aussagesatz."

"Die Temperatur bestimmt die Aktivität von Reptilien" steht über Kapitel 4.9. Eine Grafik zeigt den Lebensraum einer Zauneidechse, Sprechblasen erläutern Einzelheiten. Markls Frosch meldet sich als Comicfigur zu Wort: "Wechselwarm bin ich auch, aber in der Sonne muss ich bei meiner feuchten Haut aufpassen." Das Tierchen hüpft gewissermaßen durch die Lehrbuchseiten und gibt seine Kommentare dazu. Unter dem Haupttext findet sich die Rubrik "Du bist dran!" Nun sind die Schülerinnen und Schüler gefragt – buchstäblich. Am Ende kommt noch die Nachfrage: "Verstanden?"

"Das ist natürlich auf den Lehrplan der Unterstufe abgestimmt", erklärt Markl. Er blättert den Oberstufenband auf. Hier ist mehr Text zu finden, Grafiken zeigen Molekülketten, die Seiten atmen mehr Wissenschaft. Aber im Prinzip ist der Aufbau identisch.

Texte als Appetitmacher

Markl ist kein Einzelkämpfer, seine Bücher sind im Team entstanden. Für den Oberstufenband hat er die JGU-Kollegen Prof. Dr. Harald Paulsen vom Institut für Allgemeine Botanik sowie Prof. Dr. Walter Stöcker und Prof. Dr. Roland Strauß vom Institut für Zoologie und einige weitere Fachleute von anderen Universitäten gewinnen können. "Sie haben einzelne Kapitel übernommen, die dann zwecks Vereinheitlichung überarbeitet wurden." Zusammen mit Redakteurin Dr. Angelika Gauß, die in Band 1 und 2 als Mitherausgeberin firmiert, sorgte Markl dafür, dass die Texte wie aus einem Guss wirken. Ein Team von Lehrerinnen und Lehrern aus verschiedenen Bundesländern stand ihnen beratend zur Seite.

Für das Unter- und das Mittelstufenbuch suchten die beiden dann erfahrene Gymnasiallehrer als Autoren. Das schien passender, um das fachliche Niveau zu treffen. "Ich war erstaunt, wie schwer es ist, Lehrkräfte zu finden, die Lust und Zeit für so etwas haben und dann auch noch gut schreiben können." Kurze Texte waren gefragt. "Es sollen Appetitmacher sein."

Wenn Markl ins Detail geht, wird klar, wie brisant ein Biologiebuch sein kann. "Ein junger Lehrer schrieb ein Kapitel über das Alter. Das klang dann so, als sollte man sich jenseits der 40 besser die Kugel geben. Das musste ich natürlich umschreiben", meint der emeritierte Professor.

Beim Thema Ernährung wurde viel diskutiert. "Es war schwierig, hier ideologisches Gedankengut fernzuhalten." In Band 2 stellte sich die Frage, wie man mit dem Thema Homosexualität umgehen sollte. Eine Überschrift weist den Weg: "Du darfst deine Wünsche äußern und Grenzen setzen." Fotos zeigen ein heterosexuelles Paar, es folgen zwei Frauen und zum Schluss zwei Männer, die sich küssen. "Sich seiner sexuellen Orientierung bewusst zu werden, ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg des Erwachsenwerdens", steht darunter.

Aus dem Alltag schöpfen

Markls Schulbücher wirken geerdet. Besonders für seine vierseitigen Einführungen in die Bände schöpft er aus dem eigenen Alltag. Der Biologe erzählt von den Laufenten im heimischen Garten – oder von der Weinbergschnecke: "Ich bringe gern mal eine Schnecke in die Grundvorlesung mit. Mit solchen Dingen wecken Sie das Interesse der Studierenden. Zunächst ist die Schnecke ganz in ihrem Haus. Ich frage dann, wie man sie wohl überredet, herauszukommen." Dann zeigt er es. Er krault ihr die Fußsohle. Sie erscheint und beginnt, ihm über die Hand zu kriechen. "Das gefällt der Schnecke und den Studierenden." In Biologiebüchern suchte man solche Details bisher vergebens. Im Markl steht es drin – nicht als Selbstzweck, sondern als Anknüpfungspunkt, um Grundlegendes zu erklären.

"Markl Biologie 2" für die Mittelstufe ist 2015 erschienen. "Wir waren zum Schluss sehr unter Zeitdruck, aber ich finde, er ist richtig gut geworden." Der sechs Jahre alte Band 3 für die Oberstufe wird demnächst von Markl überarbeitet. "Viel ändern müssen wir nicht", meint er. "Es geht um ein paar Details."

Die Bände mit dem kleinen Frosch, die vor dem Biologen auf dem Tisch liegen, machen Appetit auf Wissen und Lust auf Biologie. Dafür steht Jürgen Markl auch an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz – seit Jahrzehnten.