Fundstücke Mainzer Universitätsgeschichte

10. März 2016

Das Universitätsarchiv hat zum bundesweiten Tag der Archive in die Schule des Sehens auf den Gutenberg-Campus eingeladen. Hier beleuchtete eine Ausstellung schlaglichtartig die Geschichte der 1946 wiedergegründeten Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und ein Theaterstück erinnerte an den großen Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch, der einst in Mainz studierte. Dazu gab es Dias, Filme aus Fernseharchiven und eine Campusführung des Vereins Geographie für Alle.

Zwei eindrucksvolle Zepter liegen in der Vitrine. Metall blinkt, edle Steine zieren die Zeichen von Amt und Macht. Eine Eule als Vogel der Weisheit krönt das eine, das andere zeigt Sankt Martin zu Pferde und mit Heiligenschein. Daneben ist ein Schwarzweißfoto aus den 1960-Jahren zu sehen: Eine Prozession ernst dreinschauender Herren in Talaren schreitet dahin, allen voran zwei würdevolle Zepterträger.

"Zu diesem Foto weiß ich eigentlich gar nichts", räumt Dr. Christian George, der Leiter des Universitätsarchivs der JGU, ein. Solche Sätze sind selten von ihm zu hören. Schließlich ist er als Archivar schon von Amts wegen Spezialist, wenn es um die Geschichte der Mainzer Universität geht. "Die Zepter sind einfach im Präsidialbüro aufgetaucht. Ich war auf der Suche nach etwas völlig anderem."

Amtszepter fürs Rektorat

"Wahrscheinlich waren sie 1967 zur Rektoratsübergabe letztmalig im Gebrauch." Damals standen die Studentenunruhen ins Haus. Und auch wenn sie in Mainz keine allzu wilden Wellen schlugen, galten viele althergebrachte Traditionen und Symbole danach schlicht nicht mehr als zeitgemäß.

Alle zwei Jahre findet der bundesweite Tag der Archive statt. In Mainz kommen zu diesem Anlass stets sämtliche Archive zu einer gemeinsamen Veranstaltung zusammen. "Vor zwei Jahren haben wir uns im Stadtarchiv getroffen und uns überlegt, dass 70 Jahre Wiedereröffnung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz doch ein schöner Anlass sei, um sich 2016 auf dem Gutenberg-Campus zu treffen."

George hat ein Paket mit einer ganzen Reihe von Veranstaltungen für diesen Tag geschnürt. Mittelpunkt ist dabei die Schule des Sehens, die im Jahr 2014 mit Unterstützung des Vereins der Freunde der Universität Mainz eröffnet werden konnte. Hier findet sich auch die kleine Ausstellung, die in fünf Vitrinen verschiedene Schlaglichter aus der Universitätsgeschichte präsentiert.

"Die Gebäude dieses bewachten Geländes sind der Stadt Mainz für Universitätszwecke zur Verfügung gestellt worden und stehen unter der Kontrolle und dem Schutz der Militärregierung", heißt es in einer Anordnung vom 8. Januar 1946. Unterschrieben ist das Dokument recht anonym mit "Der Oberbürgermeister – Polizeidirektion". Gemeint war die von 1938 bis 1940 nach den Plänen von Ernst Ueter errichtete Flakkaserne. Sie bildete die Keimzelle des heutigen Campus, in ihren Mauern wurde auf Initiative der französischen Besatzung die Johannes Gutenberg-Universität Mainz wiedereröffnet.

Universitätsgeschichte in sechs Archiven

"Alle Archive der Stadt sind eingebunden", erzählt Dr. Christian George. Das zeigt sich allein schon in den Exponaten der Ausstellung: Unter anderem steuerten das Stadtarchiv, das Dom- und Diözesanarchiv und natürlich das Universitätsarchiv Objekte bei. Zudem stellten die Archive von SWR und ZDF Filme über die JGU zur Verfügung.

Ein recht unauffälliges Dokument der Ausstellung weist auf das sechste Archiv hin, das einen ungewöhnlichen Programmpunkt zum diesem Tag der Archive beisteuert. Es ist eine Anmeldung zur Immatrikulation, in Großbuchstaben ausgefüllt: "Vorname HANNS DIETER, Familienname HÜSCH". Der bekannte Kabarettist gehörte zur ersten Studierendengeneration in Mainz in der Nachkriegszeit. Eingeschrieben hatte er sich für das Hauptfach Deutsch, als Nebenfächer sind Philosophie und Kunstgeschichte verzeichnet.

Jürgen Kessler, seit 1989 Leiter des Deutschen Kabarettarchivs, hat den Künstler über 30 Jahre hinweg als Agent und Manager begleitet. Er hat Hüsch das Stück "Und sie bewegt dich noch!" gewidmet, das Hüsch-Texte "ergänzt mit Fortschreibungen, Fundstücken und heutigen Betrachtungen", so Kessler, bietet.

Das Stück erzählt vom Kind Hanns Hüsch, das mit einer prekären Fußstellung zur Welt kommt und über Jahre hinweg Operationen über sich ergehen lassen muss. Es erzählt von der Mutter, die sich so sehr wünscht, dass ihr Sohn Medizin studiert. Also widmet sich Hüsch immerhin ein Jahr lang in Gießen der Anatomie. Dann aber wechselt er nicht nur das Fach, sondern auch den Ort und kommt nach Mainz. 1948 spielt er an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sein allererstes Kabarettprogramm. "Auf den Trümmern gediehen gut Träume", schrieb er.

Kabarett, Buttersäure und Wahlen

Das Bühnenstück führt weit über Hüschs Studienzeit hinaus. Es ist eine Lebensgeschichte in Form einer Collage. Schlaglichter zeigen einen Künstler, von dem der Weggefährte Kessler sagt: "Verglichen mit heute war er ein Anti-Kabarettist, ein Lyriker" und "Er war ein Anstifter für ein anderes Verständnis unter den Menschen".

Am Tag der Archive ist neben der gekürzten Fassung des Stücks noch vieles mehr zu sehen. Da ist das Foto einer Studentin, die 1947 an einer improvisierten Kochstelle aus Backsteinen steht. Oder der Aufruf zum "Sternmarsch nach Bonn" am 11. Mai 1968. Damals protestierten Studierende gegen die Notstandsgesetze, die eine erste Große Koalition im Bundestag beschließen wollte. In Mainz kam es zu einer Blockade des Campus. "Dabei versucht ein Professor, den Streik aufzulösen, indem er übelriechende Buttersäure auf die Studierenden verspritzt", berichtet eine Tafel in der Ausstellung.

Universitätsarchivar Dr. Christian George hat ein buntes Potpourri an Zeitdokumenten aufgetan. Eine Diashow zeigt Bilder des Fotografen Hanns Tschira, der die entstehende JGU in ihren ersten Jahren ablichtete: Fasziniert war man damals unter anderem von den Studentinnen und dieser neuen Frauenrolle, der Tschiras Fotos Rechnung tragen. Sie zeigen unter anderem auch kochende Studentinnen und Studenten, die in häuslicher Harmonie gemeinsam einen Tisch decken. Ein bisschen Klischee musste wohl sein, um die jungen und zielstrebigen Akademikerinnen einer noch skeptischen Nachkriegsgesellschaft vorzustellen.

In der vierten Vitrine ist die Ausstellung beinahe in der Gegenwart angekommen. Landtagswahlen stehen Mitte März 2016 in Rheinland-Pfalz ins Haus und zu einer etwas anderen Wahl hat George ein Dokument aufgetan. Das frühere Uni-Magazin JOGU titelte in einem Beitrag von 1987: "Kein Wahlfieber an der Universität." Die Beteiligung an den Wahlen zum Allgemeinen Studierendenausschuss, kurz AStA, war damals wie heute eher gering. Aber ein bekanntes Gesicht präsentiert der Artikel: Doris Ahnen wurde damals zur neuen AStA-Vorsitzenden gewählt. Mittlerweile rheinland-pfälzische Finanzministerin, bis 2014 Bildungs- und Wissenschaftsministerin, hat sie ihre Alma Mater nie aus den Augen verloren.