Mädchen können alles

3. Mai 2012

190 Schülerinnen kamen zum 10. Girls' Day an die Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Unter dem Motto "Naturwissenschaften sind spannend" bauten sie Computer, entdeckten die Chemie der Farben oder lösten verzwickte Kriminalfälle. Unterstützt wurden sie dabei von den Mentorinnen des Ada-Lovelace-Projekts (ALP).

Lara nimmt Fingerabdrücke. Die Zehnjährige streut Graphit auf eine Scheibe. Ein Streifen Klebeband darüber, fertig ist das Beweisstück. "Was ist mit der Erde da auf dem Boden?", fragt die Schülerin ihre beiden Mitstreiterinnen von der Detektivgruppe "3 Salzkristalle". "Ich glaube, da sind ein paar Haare drin." Das Trio nimmt den Tatort eines hinterhältigen Diebstahls unter die Lupe. Ein aufgebrochener Schrank zeugt von dem Verbrechen. Gleich werden die frisch gebackenen Kriminalistinnen Zeugen vernehmen und ihnen bohrende Fragen stellen.

"Es heißt, Mädchen sind gut in Sprachen, Jungen sind gut in Technik. Aber das stimmt nicht: Mädchen können alles", feuert Irene Alt, Ministerin für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen, 190 Mädchen an, die zum 10. Girls' Day auf den Campus der JGU gekommen sind. Unter der Federführung des Ada-Lovelace-Projekts sollen die Schülerinnen erleben, wie spannend Naturwissenschaft und Technik sein können.

Warum haben Spinnen blaues Blut?

"Wir sind überzeugt, dass solche Themen für euch interessant sind", bekräftigt Uni-Vizepräsidentin Prof. Dr. Mechthild Dreyer. "Ihr werdet erfahren, warum Spinnen blaues Blut haben, wie man im Internet sicher surft und ihr werdet in einem Tonstudio arbeiten. Das alles tun wir für euch, um euch zu begeistern für das Thema Natur und Technik."

Ansprachen mögen ja schön und gut sein, aber Lara will was erleben. Schließlich hat sie sich für den Workshop Kriminalistik angemeldet. "Ich lese Krimis und will sehen, wie das so ist, selbst einen Fall zu lösen." Auf jeden Fall ist es so, dass erst mal eine Ausbildung ansteht. Die Mädchen lernen, Fußspuren zu sichern, Bodenproben zu analysieren oder eine geheime Botschaft zu entschlüsseln. Verfahren aus der Chemie, der Mathematik oder der Physik kommen dabei ins Spiel.

Ada-Lovelace-Mentorinnen geben Nähe

Dabei stehen den Detektivinnen die Mentorinnen des Ada-Lovelace-Projekts (ALP) zur Seite. Es handelt sich durchweg um Studentinnen aus jenen Fachrichtungen, für die das Interesse der Mädchen geweckt werden soll. Schon vom Alter her sind diese Mentorinnen den Schülerinnen näher als Lehrer oder Dozenten.

Nadine Leber studiert Biomedizinische Chemie. Sie ist seit knapp einem Jahr dabei. "Mein Studium ist relativ laborbezogen, und ich sitze viel hinter Büchern. Da ist das hier eine schöne Abwechslung und ein bisschen was verdienen kann ich auch nebenbei." 20 Mentorinnen sind an diesem Girls' Day auf dem Campus unterwegs, unterstützt von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus Studiengängen wie der Biologie, der Chemie oder den Geowissenschaften. Gemeinsam bieten sie 15 Workshops an.

"Jetzt könnt ihr den Arbeitsspeicher einbauen. Dieses Speichermodell hat auf der Unterseite eine Kerbe. Ich steck's immer ins A1 rein, das Nächste, das am Prozessor ist." Sechs Mädchen beugen sich über die PC-Mainboards, während Marc Schaumburg die nächsten Schritte erklärt. Es geht darum, selbst einen PC zusammenzubauen.

Mädchen bauen ihren PC

"Ich bin seit sieben Jahren beim Girls' Day dabei", erzählt der Unternehmer aus Wiesbaden. "Leider hat das Interesse etwas nachgelassen, besonders bei den Medien. Früher hatten wir sogar mal ein Fernsehteam hier." Etwas Enttäuschung klingt da schon durch. Doch als Schaumburg sich wieder den Schülerinnen zuwendet, ist sie schnell verflogen: "Ich habe solche Kurse schon für Jungs angeboten. Ihr seid mindestens genauso gut, wenn nicht noch besser. Ihr seid genauer. Die Jungs hudeln gern mal."

"Der erste Girls' Day fand noch gar nicht auf dem Campus statt, sondern bei IBM", erzählt Claudia Manz. Sie organisiert den Tag das erste Mal und ist Projektleiterin des Ada-Lovelace-Projekts an der JGU. "Damals gab es 30, 40 Plätze." Schon im nächsten Jahr konnten doppelt so viele Mädchen teilnehmen und der Girls' Day kam an die Uni. Heute ist das Angebot auf 250 Plätze gewachsen. Doch nicht alle sind 2012 ausgebucht.

"Das ist ein strukturelles Problem: Manche Schulen legen den Wandertag auf den Girls' Day, das ist ungünstig für uns." Und noch ist nicht überall angekommen, dass die ursprüngliche Zielgruppe von Schülerinnen der siebten bis zehnten Klasse längst auf die fünfte bis zwölfte Klasse ausgedehnt wurde.

Mehr als nur ein Girls' Day

Aber Manz sieht das entspannt. Mit 190 Teilnehmerinnen ist sie zufrieden. Was ihr viel mehr am Herzen liegt: "Die Wirkung des Girls' Day allein würde schnell verpuffen. Deswegen bieten wir über das ganze Jahr unsere Workshops an." Die Idee, Mädchen an naturwissenschaftlich-technische Disziplinen heranzuführen, findet viel Unterstützung. Finanziert wird das Ada-Lovelace-Projekt durch den Europäischen Sozialfond (ESF), die Landesministerien MSAGD, MIFKJF und MBWWK sowie die Agentur für Arbeit, Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland.

Lara allerdings ist das völlig egal. Gerade bekommt sie ihren Detektivausweis. Und gleich wird es zum Tatort gehen. "Was soll ich mitnehmen?", fragt sie die Mentorinnen. Doch die können jetzt nicht mehr helfen. Sie schlüpfen in die Rolle der Täter und Opfer. Lara und ihre Kolleginnen sind auf sich gestellt. Aber sie werden den Fall lösen – garantiert.