Schnittstelle zwischen Forschung und Öffentlichkeit

24. März 2017

Mit dem frisch gegründeten Mainzer Zentrum für empirische Demokratieforschung an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) will Prof. Dr. Thorsten Fass eine Schnittstelle schaffen zwischen politikwissenschaftlicher Grundlagenforschung und der breiten Öffentlichkeit. Denn in Zeiten, in denen sich die Demokratie neuen, ungelösten Fragen gegenüber sieht, kann die Forschung helfen, gangbare Wege aufzuzeigen.

"Viele Menschen machen sich Sorgen um unsere Demokratie", sagt Prof. Dr. Thorsten Faas vom Institut für Politikwissenschaft der JGU. "Allerdings nicht im Sinne einer Endzeitstimmung", schränkt er ein. "Speziell die Politikerinnen und Politiker fragen sich vielmehr: Was können wir tun? Was können wir besser machen?"

Zwei große Veränderungen macht der Professor für empirische Politikforschung aus: "Auf der einen Seite wandelt sich durch die neuen Medien das Informationsumfeld. Jeder kann sich heute sein eigenes Medienportfolio zusammenstellen. Ein großes Problem dabei ist, dass dadurch die Politik an vielen Menschen komplett vorbeigeht. Wie kann man sie also noch erreichen mit politischen Themen?"

Neue Wege der Vermittlung

Auf der anderen Seite konstatiert Faas einen politischen Veränderungsprozess: "Neue Parteien tauchen an den Rändern auf, die Teile unseres politischen Grundkonsens und unserer politischen Kultur in Frage stellen. Wie reagiert man da? Toleriert man das eher, oder muss man permanent darauf aufmerksam machen? Das alles sind wichtige Fragen, auf die wir noch keine abschließende Antwort haben, und man merkt, dass diese Fragen die politische Elite umtreiben."

Doch mit der Gründung des Mainzer Zentrums für empirische Demokratieforschung (MZeDf) geht es Faas und seinem Team nicht darum, wohlfeile Antworten zu liefern. "Vielmehr wollen wir eine Schnittstelle sein zwischen harter Grundlagenforschung und der Öffentlichkeit. Wir wollen uns positionieren und sichtbarer werden. Wir wollen aus der Wissenschaft in die Öffentlichkeit hinein wirken, und dafür werden wir neue Wege der Vermittlung finden. Wir denken zum Beispiel daran, YouTube-Videos rund um das Thema Demokratie zu produzieren."

Bereits in der Startphase des MZeDf kann Faas sagen: "Sowohl die Stadt Mainz als auch das Land Rheinland-Pfalz sind sehr an unserem Zentrum interessiert. Sie erhoffen sich unter anderem eine Art Demokratiebarometer, das ihnen zeigt, wie die Leute zur Demokratie stehen." Auf die Zusammenarbeit freut sich der Professor. "Der Wille, auf aktuelle Veränderungen zu reagieren, ist eindeutig da", meint er, "aber wir bemerken auch eine gewisse Verunsicherung. Die alte Selbstverständlichkeit ist an vielen Stellen verschwunden. Was soll man nun tun?"

"Die Zeit schreit nach Empirie"

Gut belegte Forschungsergebnisse können helfen. "Die Zeit schreit nach Empirie", meint Faas lächelnd – und macht gleich darauf deutlich: "Wir werden uns natürlich nicht von der Politik und schon gar nicht von einzelnen Parteien vereinnahmen lassen. Wir sind kein politisches Projekt, sondern interessieren uns für wissenschaftliche Fragen. Wir freuen uns aber, wenn wir den Nerv der Zeit treffen."

Ein erstes Indiz, dass dies gelungen ist, liefert die Gründungstagung des Zentrums. Der Titel "Demokratie trifft Zukunft – Neue Arenen und etablierte Akteure" lockte viele Interessenten. "Wir sind mit den Anmeldungen sehr zufrieden", sagt Faas. "Unter anderem konnten wir die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Vanessa Wormer, die Journalistin des Jahres 2016, für unsere Podiumsdiskussion zu Medien und Demokratie gewinnen."

Mit dem MZeDf wird Faas die Arbeit, die er seit 2012 in seinem Bereich "Empirische Demokratieforschung" an der JGU leistet, fortführen und intensivieren. "Es ist zum Beispiel eine gute Tradition, dass wir uns die Bundestagswahlen genau anschauen. Sie sind schließlich Hochphasen der politischen Auseinandersetzung und der Demokratie. Wie beschäftigen uns unter anderem mit bestimmten Fernsehformaten wie dem TV-Duell der Kanzlerkandidaten. Das werden wir auch diesmal wieder detailliert analysieren. Wir haben außerdem ein Projekt beantragt, dass der Frage nachgehen soll, welche Rolle Informationen im Wahlkampf spielen."

Wenig erforschte Wahlbeteiligung

Auch das Thema Wahlbeteiligung interessiert Faas. "Das ist ein wenig erforschtes Gebiet." Hier bemerkt er ein Umdenken. "Die Diskussion hat sich sehr geändert. Zunächst wird man sagen: Mehr Wähler sind besser. Aber wie kann man die Leute überzeugen, wie kann man sie mitnehmen? Die Zeit, in denen gerade mal ein erstes, zweites und drittes Fernsehprogramm parallel liefen, sind vorbei. Bei vielen enthält der Facebook-Feed gar keine Politik mehr. Man stolpert nicht mehr automatisch über politische Themen." Politiker wie Donald Trump kontern mit intensiver Twitter-Nutzung – und das anscheinend mit Erfolg. Aber wen mobilisieren sie damit?

"Die Prozesse sind vielfältiger und schwieriger geworden", konstatiert Faas. "Was heißt das nun für Parteien: Wie können sie darauf reagieren? Vielleicht, indem sie zum guten alten Haustürwahlkampf zurückkehren?"

Faas streift viele Themen – und natürlich lässt ihn die aktuelle Situation vor der Bundestagswahl nicht kalt. Er liefert ganz nebenher eine knappe Analyse zu Martin Schulz: Der neue SPD-Kanzlerkandidat habe alle überrascht. "Das brachte ihm zwei kostbare Wochen, in denen er kaum Gegenwind bekam. Es waren echte Schulz-Jubel-Wochen, er konnte sich ungestört präsentieren. Die verzögerte Reaktion der Opposition wirkt jetzt eher wie ein Nachtreten."

Martin Schulz und Angela Merkel

Schulz spiele ein wenig die Karte "Ich bin nicht aus dem Berliner Establishment, sondern aus der Provinz." Andererseits habe er viele Erfahrungen auf europäischer Ebene gesammelt. "Er ist anders als die üblichen Kanzlerkandidaten. Dass er zum Beispiel kein Abitur hat, ist heutzutage außergewöhnlich und bemerkenswert."

Die Frage, inwieweit der Wahlkampf um Personen und nicht um Parteiprogramme geführt wird, ist alt. Mit Blick auf Schulz stellt sie sich mal wieder neu. "Merkel hat auf der anderen Seite das Bild der CDU sehr geprägt", erinnert Faas in diesem Zusammenhang. "Es ist aber zu einfach zu sagen: Die Wahl konzentriert sich zu sehr an Personen. Merkel und Schulz sind Ankerpunkte, an denen man sich orientieren kann, die Richtungen sichtbar machen."

Die Wahl wird spannend, Faas scheint ihr entgegen zu fiebern, und das MZeDf steht in den Startlöchern. Es wird viel zu tun geben in dieser Hochphase der politischen Auseinandersetzung. "Wir stehen dabei nicht auf der Seite einer Partei oder einer Regierung", betont Fass noch einmal, "aber wir stehen eindeutig auf der Seite der Demokratie."