Die Euro-Zone braucht einen Schuldentilgungspakt

7. Dezember 2011

Beatrice Weder di Mauro präsentierte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) das Jahresgutachten der fünf Wirtschaftsweisen. Das Gremium, zu dem sie seit 2004 gehört, schlägt als Weg aus der Krise einen Schuldentilgungspakt für die Euro-Zone vor.

In großen Lettern prangt der Titel auf der Leinwand des Hörsaals RW 1 im Haus Recht und Wirtschaft: "Verantwortung für Europa wahrnehmen. Von der Bankenkrise zur Schuldenkrise - und zurück. Jahresgutachten des Sachverständigenrats 2011."

Gern hätte Prof. Dr. Beatrice Weder di Mauro die Vorschläge der fünf Wirtschaftsweisen zu einem früheren Zeitpunkt in Mainz vorgestellt, doch der Termindruck ist für sie als Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hoch. "Seit der Veröffentlichung unseres Gutachtens können wir uns vor E-Mails und Anfragen nicht mehr retten", erzählt sie, "sowohl aus ökonomischen als auch aus politischen Kreisen."

Insel der Glückseligen in stürmischer See

Deutschland mit seiner Sonderkonjunktur skizziert Weder di Mauro als "Insel der Glückseligen". Die Arbeitslosenzahlen sinken. "Wir nehmen an, dass es so weitergeht." Zudem prognostizieren die Wirtschaftsweisen für 2012 ein Wachstum von 0,9 Prozent. "Das wird vorwiegend getragen von der Binnenwirtschaft. Früher war die Außenwirtschaft die Triebkraft."

Doch die Insel Deutschland liegt in stürmischer See, der Euro-Raum wird kräftig geschüttelt. "Es ist nicht so ungewöhnlich, was hier geschieht", sagt die Professorin, "es ist nur ungewöhnlich für Europa." In den Teufelkreis aus Banken-, Währungs- und Schuldenkrise gerieten sonst Schwellenländer. "Wir haben eine Dramatik der Lage und eine immer schnellere Folge von Rettungsversuchen – und der Bestand der Rettungsversuche hat nicht gerade zugenommen."

Im Prinzip seien die Gegenmaßnahmen des EU-Gipfels vom 26. Oktober zwar richtig gewesen. "Sie wurden aber nur zum Teil durchgesetzt, der Rest war dann eher kontraproduktiv."

Set der Optionen schrumpft

Nun steht die Euro-Zone vor einem schrumpfenden Set von Optionen, die bei näherem Hinsehen alle ihre Fehler haben: Selbst schnelles Sparen kann das Defizit nicht schnell genug reduzieren, und Reformen brauchen ihre Zeit, bis sie wirken. Ein Austritt von Ländern aus der Euro-Zone würde für alle Partner teuer. "Diese Option kommt dem gleich, sich selbst in den Kopf zu schießen", macht Weder di Mauro deutlich. Und wenn die Europäische Zentralbank Ländern feste Zinssätze gewähren sollte, würde das nur kurzfristig die Lage stabilisieren, langfristig sei es eine Einladung zur Disziplinlosigkeit. Dasselbe gelte für Eurobonds.

Die Option der Wirtschaftsweisen lautet: Schuldentilgungspakt. Alexander Hamilton, einer der Gründungsväter des USA, ging im 18. Jahrhundert diesen Weg. Er führte Altschulden zusammen, um sie über lange Zeit mit einer speziellen Steuer abzahlen zu lassen. "Das ist der Grundgedanke unseres Schuldentilgungspakts", sagt Weder di Mauro.

Schulden in Tilgungsfonds auslagern

Alles, was über einem Schuldenstand von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt, sollen die Länder der Euro-Zone in einen Tilgungsfonds auslagern. Italien wäre mit rund 960 Milliarden dabei, Deutschland mit 580. Dieser gemeinsame Topf würde dazu führen, dass Deutschland für die Tilgung zwar höhere, Italien aber niedrigere Zinsen zahlen müsste. Das würde für die Bundesrepublik zwar mehr Kosten bedeuten. "Aber wir können diese Kosten beziffern und beschränken, genau wie es das Bundesverfassungsgericht gefordert hat." Als zweite Säule sollen die beteiligten Länder glaubwürdige Disziplinierungsmaßnahmen installieren, falls ein Land seinen nötigen Konsolidierungspfad verlässt. Das ist der Plan.

Griechenland ist ein Sonderfall

"Nun freue ich mich, Ihre Fragen zu beantworten", beendete Weder di Mauro ihren Vortrag. Fragen gab es reichlich. Was passiert mit Griechenland? "Das ist ein Sonderfall. Griechenland muss einen Schuldenschnitt bekommen." Was hält die Bundeskanzlerin von den Vorschlägen? "Frau Merkel hat gesagt: Wir haben Fragen." Und was könnte im schlimmsten Fall passieren? "Die Euro-Zone könnte unkontrolliert auseinander fallen."

Nach anderthalb Stunden meinte Weder di Mauro: "Ich hoffe, ich habe ein paar Leute davon überzeugen können, das unser Pfad ein guter Pfad ist." Außerhalb des Hörsaals jedenfalls interessieren sich schon viele für diesen Pfad, ob Ökonomen oder Politiker.