Mensch und Umwelt

14. September 2017

Der 16. Mainzer Wissenschaftsmarkt stand unter dem Motto "Mensch und Natur". Zahlreiche Wissenschaftseinrichtungen, Forschungsinstitutionen und Unternehmen der Region, die sich zur MAINZER WISSENSCHAFTSALLIANZ zusammengeschlossen haben, boten Einblicke in ihre Arbeit und Forschung. Für ein Wochenende lockten sie Tausende von Menschen mit Mitmachaktionen, Filmen, Führungen und vielem mehr in ihre Zeltstadt vor dem Mainzer Staatstheater. Natürlich waren auch die Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und die Universitätsmedizin Mainz mit einer reichen Auswahl an Ständen vertreten.

Der echte IceCube liegt im Eis des Südpols. "5.160 Lichtdetektoren sind in einer Tiefe zwischen 1450 und 2450 Metern verteilt", erklärt Dr. Peter Pfeiffer. Dort decken sie ein würfelförmiges Gebiet von rund einem Kubikkilometer ab. Mit dem IceCube lassen sich Myonen und andere geladene Teilchen nachweisen. Die meisten dieser Teilchen treffen von oben auf die Erde und dann auf den gigantischen Eiswürfel. "Wir interessieren uns aber besonders für die, die von unten kommen, denn die mussten zuvor den Erdkern durchdringen." Das schaffen nur wenige Teilchen.

Pfeiffer deutet auf eine Grafik. Sie veranschaulicht die immense Größe des Neutrino-Teleskops IceCube. Die zum Vergleich angedeutete Silhouette des 324 Meter hohen Eiffelturms wirkt dagegen klein und zierlich neben der schematischen Abbildung der mächtigen Anlage. "Wir machen uns die extreme Klarheit des antarktischen Eises zunutze", führt Pfeiffer aus. "Wegen des hohen Drucks gibt es dort keine Trübungen oder Luftbläschen." Solch eine Apparatur ließe sich ohne Hilfe der Natur kaum erbauen.

Teilchenjagd im Eiswürfel

Für den 16. Mainzer Wissenschaftsmarkt haben die Forscherinnen und Forscher des Exzellenzclusters PRISMA – Precision Physics, Fundamental Interactions and Structure of Matter der JGU den IceCube ins Zelt geholt: Mit einer Virtual-Reality-Brille können die Besucherinnen und Besucher in den Würfel eintauchen und beobachten, wie die Teilchen auf die Detektoren treffen. Sie können versuchen, verschiedene Neutrinos an den Lichtgewittern, die sie in der Simulation erzeugen, zu unterscheiden.

Außerhalb des Würfels vermitteln farbige Kugeln, die an Schnüren von der Zeltdecke hinabhängen, einen ersten Eindruck vom Aufbau des IceCube. Sicher ist das eine starke Vereinfachung – aber gerade in dieser Form ist das Modell genau das Richtige für den Wissenschaftsmarkt, denn die Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen, die sich in den letzten Jahren unter dem Dach der MAINZER WISSENSCHAFTSALLIANZ zusammengeschlossen haben, wollen hier einer breiten Öffentlichkeit vermitteln, was Forschung und Wissenschaft ausmacht. Auch für die ganz jungen Gäste soll der Markt zum Erlebnis werden.

Anna ist sieben. Am Stand des Ada-Lovelace-Projekts der JGU hat sie bereits eine 3-D-Brille gebastelt, nun ist sie beim NaT-Lab, dem Schülerlabor der Universität, zu Gast. Hier dreht sich alles um die Versauerung der Meere und deren Folgen. Anna kann unter anderem mit einem Teststreifen den pH-Wert verschiedenster Substanzen bestimmen, um eine erstes Gefühl dafür zu bekommen, was "sauer" und was "basisch" bedeutet. Seife und Salatessig stehen zur Auswahl, Meerwasser und Laugenbrezel. Studierende helfen ihr bei der Analyse.

Saure Meere, Dunkle Materie

Nebenan können die kleinen Besucherinnen und Besucher in ein Wasserglas pusten. Über einen gläsernen Strohhalm lassen sie es kräftig blubbern. Dann wird gemessen, wie stark sich der Kohlendioxidgehalt des Wassers erhöht hat. Um darüber hinaus zu veranschaulichen, was saure Meere anrichten können, hat das NaT-Lab-Team Muscheln in stark versauertes Wasser gelegt: Der Kalk ihrer Schalen wird allmählich zersetzt. Anna schaut auf ein besonders angefressenes Exemplar. "Das ist doof", urteilt sie stirnrunzelnd.

Die Theaterwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, das Staatstheater Mainz und das "Netzwerk für Urbane Übergänge" haben das vielgestaltige Projekt "Dark Matters. Die dunklen Materien der Stadt" auf den Weg gebracht. Mit verschiedensten Mitteln, mit Konzerten, Filmen, Lesungen, Workshops und mehr, widmen sie sich den unsichtbaren und verborgenen Strukturen der Stadt. Es geht um Pilze und Viren, um Müll und Abwasser, aber auch um unsichtbare Datenströme.

Für den Wissenschaftsmarkt haben Dr. Annika Wehrle und Yana Prinsloo vom Institut für Film-, Theater- und Kulturwissenschaft der JGU eine "Dark Matters"-Führung konzipiert. Die Tour beschäftigt sich mit der ursprünglichen, der physikalischen Bedeutung von Dunkler Materie und Dunkler Energie. Zudem besuchen Wehrle und Prinsloo andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf dem Markt: Sie sollen von ihrer Forschung erzählen, aber auch von den Grenzen ihres Wissens.

Bedrohung im Wasser

Dr. Wolfgang Kohnen von der Abteilung Hygiene und Infektionsprävention der Universitätsmedizin Mainz informiert an seinem Stand über Infektionen und Infektionswege. "Eine der größten Bedrohungen kann das Wasser sein", meint der Chemiker. Es verbreitet Bakterien oder Viren höchst effektiv: "Ist das Trinkwasser kontaminiert, liegt innerhalb von vier Stunden ganz Mainz darnieder." Seine Abteilung beschäftigt sich unter anderem mit den Nebelschwaden, die über den Kühltürmen von Kraftwerken entstehen. Die Forscher untersuchen die Wasserdämpfe auf Erreger wie beispielsweise Legionellen.

Nach den Grenzen seines Wissens gefragt, kommt Kohnen auf multiresistente Keime zu sprechen. Wenn sie in Kliniken auftauchen, machen sie regelmäßig Schlagzeilen. Dort werden sie registriert, es gibt eine Meldepflicht. Doch Kohnen ist überzeugt, dass die Keime keine Krankenhausspezialität sind. Es gebe sie auch außerhalb, nur würden sie nicht registriert. Da endet das Wissen.

Die siebenjährige Anna steht mittlerweile vor dem nächsten Zelt. Im Mainzer Zentrum für Digitalität in den Geistes- und Kulturwissenschaften, kurz mainzed, haben sich im November 2015 sechs wissenschaftliche Einrichtungen zusammengeschlossen, um digitale Kompetenzen zu bündeln und weiterzuentwickeln. Natürlich sind die JGU und die Hochschule Mainz Partner in diesem Verbund, der bereits seit dem vergangenen Wintersemester einen hochschulübergreifenden innovativen Masterstudiengang anbietet.

Digitale Werkzeuge

Axel Kunz stellt zwei laufende Projekte vor, die er am Institut für Raumbezogene Informations- und Messtechnik der Hochschule Mainz mitentwickelt. "Es sind zwei Werkzeuge, die wir Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern für die Arbeit im Internet zur Verfügung stellen wollen." Eines nennt sich "maus" und ermöglicht es, wissenschaftliche Arbeiten einfach und über verschiedenste Kanäle lesbar ins Netz zu stellen. "Sie geben einfach den Text ein und es kommt eine supergute Website raus", erklärt Kunz salopp. Das "labeling system" hingegen erlaubt es, Vokabulare zu verschiedensten Fachgebieten zu erstellen. "Oft ist nicht klar, was jemand mit einem bestimmten Begriff meint: Ist Gold nun das Metall oder doch eher die Farbe?" Dieses System führt vom Text weg, hin zur Definition des verwendeten Begriffs.

Weiter geht es zu einer dunklen Kammer hinten im Zelt. Dort steht ein Sandkasten inklusive Schaufeln, in dem Anna wunderbar ihre eigenen Berge und Täler erschaffen kann. Das Besondere in dieser "Augmented-Reality-Sandkiste": Mit einem speziellen Computerprogramm und über einen Beamer werden die Berggipfel in ein rotes Licht getaucht und in den Tälern sammelt sich virtuelles Wasser. Höhenlinien und Farbabstufungen wie auf einer Landkarte legen sich über die Sandlandschaft – und passen sich jeder Veränderung an.

Wenn Anna die Hand über den Kasten hält, kann sie sogar virtuellen Regen erzeugen, der über die Hänge in die Täler abläuft. "Als könnte ich zaubern", staunt sie. So wird Wissenschaft verständlich, ansprechend und lebhaft präsentiert.