Höchstdotierter deutscher Forschungspreis für Biologen der JGU

7. Februar 2019

Einer der führenden Zellbiologen und Chromosomenforscher weltweit konnte über eine Alexander von Humboldt-Professur für die Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) gewonnen werden: Prof. Dr. Peter Baumann wechselte 2017 vom Howard Hughes Medical Institute in Kansas City nach Mainz, wo die Neuausrichtung und der Ausbau der Lebenswissenschaften in vollem Gange sind. Baumann wird diesen Prozess mit vorantreiben.

Es mag durchaus sein, dass in den USA mehr Geld in die Forschung fließt als in Deutschland. "Aber in Deutschland gibt es ein starkes Bewusstsein dafür, wie wichtig Grundlagenforschung ist", sagt Prof. Dr. Peter Baumann. "Es gibt hier noch Raum für fundamentale Forschung, wo nicht sofort gefragt wird, was ein Projekt konkret bringt und was seine medizinischen Anwendungen sind."

Solche Grundlagenforschung sei extrem wichtig, da sie bahnbrechende Ergebnisse produziere. "Es gibt Bereiche, wo die Fragen, wie lange es dauert, ein Medikament zu entwickeln, und welcher Profit sich daraus schlagen lässt, durchaus berechtigt sind. Aber solch anwendungsorientierte Forschung darf nicht zu einer Vernachlässigung der Grundlagenforschung führen. Ich sehe es als eine große Stärke Deutschlands an, dass hier langfristig in die Forschung und Entwicklung von Technologien investiert wird. Es herrscht ein fundamentales Vertrauen, dass Leute, die sich in der Vergangenheit als fähig erwiesen haben, auch in Zukunft etwas Bedeutendes vorweisen werden."

Nach 25 Jahren zurück in Deutschland

Eigentlich sollte es nur eine Randbemerkung sein, doch nun ist ein leidenschaftliches Plädoyer für die deutsche Wissenschaftslandschaft daraus geworden. Baumann hält kurz inne. Im Gespräch soll es vor allem um ihn gehen. Vor 25 Jahren verließ er Deutschland – der Forschung wegen. Nun ist er aus demselben Grund zurückgekehrt: Als Professor für Molekulare Biologie an der JGU und als Adjunct Director am Institut für Molekulare Biologie (IMB) sieht er ideale Voraussetzungen für seine Arbeit.

2017 gelang es, Baumann über eine Alexander von Humboldt-Professur für Mainz zu gewinnen. Dieser mit fünf Millionen Euro höchst dotierte deutsche Wissenschaftspreis wird sparsam vergeben. Für die JGU war es eine Auszeichnung, dass der Antrag bewilligt wurde. "Es geht nicht nur darum, ob die betreffende Person Herausragendes in der Forschung leistet", meint Baumann. "Die Humboldt-Stiftung bewertet auch das Umfeld und schaut sich die Perspektiven an: Kann der Preisträger dazu beitragen, dass sich an dem Standort mehr entwickelt, als es ohne ihn der Fall wäre?"

An der JGU, wo die Lebenswissenschaften gerade neu ausgerichtet werden, wo das IMB wichtige Impulse gibt und sich der Fachbereich Biologie im Zuge eines Generationswechsels neu aufstellt, schien alles gegeben. Baumann bestätigt das: "Hier gibt es eine breit aufgestellte Gemeinschaft von Biologinnen und Biologen, die ein hervorragendes Umfeld für meine Forschung bietet." Zudem sind die großen Forschungsthemen am IMB, die Genomstabilität und die Epigenetik, exakt jene Felder, auf denen Baumann sich bewegt. Zwei seiner Interessensgebiete will er kurz anschneiden.

"Warum ist geschlechtliche Fortpflanzung so weit verbreitet? Das ist immer noch eines der größten Mysterien der Biologie." Sein Team geht dieser Frage auf recht eigene Weise nach: Es forscht ausgerechnet an einem Reptil, das nur Weibchen hervorbringt. Die Nachkommen einer Schienenechse aus der Wüste von New Mexico entstehen aus unbefruchteten Eizellen. "Eingeschlechtliche Fortpflanzung ist bei Wirbeltieren ungewöhnlich. Aber wenn wir ihre Mechanismen erforschen und verstehen, lernen wir auch viel darüber, wie es normalerweise funktioniert und wie eine Umstellung auf eine gleichgeschlechtliche Fortpflanzung überhaupt möglich ist."

Schienenechsen und Chromosomenenden

Die Neukombination der elterlichen Gene bei geschlechtlicher Fortpflanzung erzeugt ein hohe Variabilität bei den Nachkommen. So kann eine Population besser auf veränderte Umwelt- und Lebensbedingungen reagieren. "Oberflächlich sieht es so aus, als wäre die genetische Vielfalt ohne Männchen viel geringer. Aber es gibt bei diesen Echsen eine spezielle Vielfalt des Genoms." Jede eingeschlechtliche Art entstand aus der Paarung zweier unterschiedlicher Arten. Beide trugen ihre Gene bei, ein Hybrid war geboren.

"Ähnliches praktiziert der Mensch bei Haustieren: Wir kreuzen zwei Rassen und erhalten einen solchen Hybrid. Der Vorteil liegt in seiner höheren Vitalität. Allerdings geht diese bereits in der nächsten Generation verloren, wenn die Tiere sich normal fortpflanzen. Anders ist es bei den Echsen: Ihnen gelingt es, die Vitalität über ihre besondere Art der Fortpflanzung zu erhalten." Dies verschaffte ihnen offensichtlich einen so großen Vorteil, dass die Eingeschlechtlichkeit sich in diesen speziellen Fällen über Tausende von Generationen erhalten konnte.

Für die Echsen interessiert sich die Presse, das hat Baumann bereits in den USA erlebt. "Für Weibchen, die keine Männchen brauchen, ist immer Platz in den Zeitungen. Dabei ist das gar nicht mein Hauptforschungsgebiet."

Baumann beschäftigt sich bereits seit Jahrzehnten mit den Telomeren, den Endstücken von Chromosomen. Sie weisen die Tendenz auf, sich bei der Zellteilung zu verkürzen. Die Zellen altern. Davor schützt sie ein Enzym, die Telomerase. Sie repariert die Chromosomenenden und spielt damit eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung des Genoms. "Telomerase finden wir aber auch hochkonzentriert in Krebszellen. Sie brauchen das Enzym, um sich zu teilen. Telomerase in Zellen herzustellen ist ein Prozess, der viele Stufen umfasst. Wir wollen diesen Prozess verstehen, um Krebszellen daran zu hindern, aktive Telomerase zu produzieren."

Brücken bilden zwischen den Disziplinen

Es gibt allerdings eine Schwierigkeit: Auch manch gesunde Zellen in unserem Körper brauchen aktive Telomerase, um Ihr Genom stabil zu halten, während sie sich teilen. Telomerase wirkt ihrer Alterung entgegen. "Es gibt degenerative Erkrankungen, die dadurch verursacht werden, dass zu wenig Telomerase vorhanden ist. Die Chromosomen verkürzen sich, und wir bekommen letztendlich schwere gesundheitliche Probleme." Die Lösung: "Wir können die Telomerase kurzfristig inhibieren. Das hat dramatische Auswirkungen für die Krebszellen. Es dauert aber viel länger, bis das Fehlen von aktiver Telomerase in den normalen Zellen des Menschen zu gesundheitlichen Schäden führt. Wir haben also ein Zeitfenster, in dem wir Krebszellen zerstören können, ohne die schlimmen Nebenwirkungen zu erzeugen, die wir bei anderen Therapien sehen, die alle sich teilenden Zellen gleichermaßen betreffen."

Diese und andere Projekte wird Baumann in Mainz weiter vorantreiben, daneben jedoch will er im Austausch mit Kolleginnen und Kollegen neue Gebiete erschließen. "Wir suchen aktiv nach Verbindungen zu anderen Disziplinen, zur Chemie, zur Physik, zur Informatik und in die Medizin. Das ist unerlässlich für eine zeitgemäße Forschung. An der JGU und am IMB finde ich dafür das richtige Umfeld."

Zugegeben, es dauerte etwas, bis Baumann sich in Deutschland wieder ganz zurechtfand. In Kansas bewirtschaftete er mit seiner Frau eine Farm. "Das war zwar nur ein Hobby, aber wir trieben Landwirtschaft, wir hielten Tiere. Uns ging es um … Wie heißt das noch im Deutschen? ... sustainable living." Mittlerweile lebt er am Nordrand des Pfälzer Waldes. "Unsere vier großen Hunde sind mit uns aus Amerika gekommen. Ich fühle mich zu Hause. Jetzt kann ich etwas aufbauen. Dafür bin ich hier. Das macht mir Spaß."