30. April 2025
Aus Studium oder Forschung direkt ins Unternehmertum? Studierenden sowie jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern kann das eine große Chance bieten. An der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) wird Entrepreneurship daher gezielt gefördert – und hier ist aktuell einiges in Bewegung. Im Verbund mit drei Partnerhochschulen und der Futury GmbH wird jetzt die Future Factory gestartet, die sich aktuell im Leuchtturmwettbewerb "Startup Factories" des Bundeswirtschaftsministeriums bewirbt.
Neugier auf den möglichen Start in die wirtschaftliche Selbstständigkeit, verbunden mit großer Begeisterung für das eigene Geschäftsmodell: Intensiver Gründergeist war in der Runde junger Akademikerinnen zu spüren, die Anfang April 2025 in der roten Infobox auf dem Gutenberg-Campus zur Eröffnungsveranstaltung des Programms "ScienceFEE" zusammenkam.
Der Name steht für "Science Female Entrepreneurship Empowerment". So heißt das von der JGU und der Hochschule Mainz getragene Projekt im vom deutschen Bundeswirtschaftsministerium geförderten EXIST-Women-Programm. Es bringt Frauen mit sehr unterschiedlichen fachlichen Hintergründen zusammen. Das Ziel: Frauen für das Thema Entrepreneurship zu sensibilisieren und zu qualifizieren und langfristig den Anteil von Frauen in Gründungsteams zu erhöhen. Dafür stehen Mentorings, Workshops und Stipendien zur Verfügung.

Das JGU Startup Center: Anlaufstelle zur Förderung von Gründerinnen und Gründern
"Das Projekt ScienceFEE ist aber nur ein Baustein in der Strategie der JGU, um die universitäre Gründungskultur zu stärken", berichtet Christine Göhring vom Startup Center auf dem Gutenberg-Campus. Mit schlanken Strukturen fördert die im Jahr 2020 gegründete Einrichtung wissenschaftliche Ausgründungen als eine berufliche Perspektive für Absolventinnen und Absolventen sowie für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Vor allem in den Natur- und Wirtschaftswissenschaften ist das Interesse groß. Die Bereitschaft für alternative Karrierewege außerhalb der klassischen Pfade wächst insbesondere bei der Zielgruppe der Promovierenden und Postdocs. Deren Offenheit für den Sprung in die Selbstständigkeit unterstützt die JGU mit dem Startup Center konkret durch Beratung und Vernetzung. Es geht aber auch grundsätzlich darum, das Gründen eines Spin-offs oder eines eigenen Unternehmens als Option sichtbarer zu machen.
"Wir merken in den letzten Jahren, dass bei Absolventinnen und Absolventen, aber auch schon bei Studierenden das Thema Unternehmertum stärker in den Fokus rückt. Wir werden zwar aktuell noch nicht mit Anfragen überrollt, aber das Thema, nach dem Studium nicht unbedingt direkt in eine abhängige Anstellung zu gehen, ist deutlich präsenter als früher", so Christine Göhring.
Mainz als Leuchtturmstandort
Vorbilder für vielversprechende und bereits erfolgreiche Gründungen aus der JGU heraus gibt es viele. Weltbekannt ist spätestens seit der Coronapandemie die Firma BioNTech von Prof. Dr. Özlem Türeci und Prof. Dr. Uğur Şahin, die sich die Entwicklung von Immuntherapien und mRNA-Impfstoffen zum Ziel gesetzt haben. Die Medizinerin Prof. Dr. Andrea Tüttenberg ist Mitgründerin, Geschäftsführerin sowie medizinische Leiterin von ActiTrexx. Das Biotechnologieunternehmen entwickelt innovative Zelltherapien auf Basis aktivierter regulatorischer T-Zellen (Tregs), um das Immunsystem bei autoimmunen und autoinflammatorischen Erkrankungen zu regulieren. Aus der Physik ist beispielsweise Prof. Dr. Ferdinand Schmidt-Kaler zu nennen, Mitgründer von neQxt. Das Unternehmen trägt dazu bei, mithilfe von skalierbarem Quantencomputing der industriellen und akademischen Forschung und Entwicklung völlig neue Möglichkeiten zu eröffnen.
Die Fächer, aus denen an der JGU besonders vielversprechende Gründungen hervorgehen, stehen also für große Zukunftsthemen unserer Zeit: von Biotechnologie und Informatik bis Medizin und Physik. "Zwischen vier und sechs vom Startup Center begleitete Ausgründungen bzw. Gründungen gibt es durchschnittlich pro Jahr", weiß Christine Göhring. Die Bandbreite der Ideen und Konzepte sei dabei sehr groß: "Es macht natürlich einen erheblichen Unterschied, ob ich eine zu den Inhalten meines Studienfachs passende Dienstleistungs-App entwickle oder ob ich eine wissenschaftliche Ausgründung wage und ein Deep-Tech-Unternehmen an den Start bringen will – dazwischen können Welten liegen."

Und wie entwickeln sich die jungen Unternehmen, die aus der Universität hervorgehen? Gut nachvollziehen kann die JGU die Entwicklung jener Gründungen, die als Spin-offs aus der Forschung entstehen. "Dabei geht es um wissenschaftliche Ausgründungen, die mit Schutzrechten wie zum Beispiel Patenten zusammenhängen, die der JGU gehören. Diese können lizenziert oder gekauft werden", erläutert Dr. Michael Fuchs, Leiter des Referats Wissens- und Technologietransfer der JGU. Bei anderen Startups, die sich komplett eigenständig weiterentwickeln, ohne auf universitäre Unterstützungsangebote zuzugreifen, ist es schwieriger, diese in gleichem Maße systematisch im Blick zu behalten, auch wenn sie einen wesentlichen Anteil am Gründungsgeschehen ausmachen. "In jedem Fall stehen für uns Startups im Fokus, die sich langfristig am Markt etablieren können – auch wenn die Erfolgsgeschichte von BioNTech sicher außergewöhnlich ist", ergänzt Michael Fuchs.
Beratung und Vernetzung
Dabei ist es für angehende Gründerinnen und Gründer sehr wichtig, dass sie auf passgenaue Informationen und die richtigen Kontakte zugreifen können. "In der Beratung habe ich immer wieder Interessierte, die eher unbedarft an eine Gründung herangehen. Da hilft es ungemein, die richtigen Fragen zu stellen", betont Christine Göhring. Dass nicht aus jedem Beratungsgespräch auch eine Gründung erfolgt, sieht sie daher auch nicht als Nachteil: "Wenn man sich in diesem Prozess kritisch mit der eigenen Geschäftsidee, dem Markt und den Zielgruppen sowie der Finanzierung auseinandersetzt und erst einmal von der Gründung absieht, kann auch das die richtige Entscheidung sein."
Unverzichtbar für Gründerinnen und Gründer ist die Kontaktpflege. Dazu gehört die Vernetzung mit Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Industrie und Partnereinrichtungen der Universität. "Hier sehen wir großes Potenzial in der geplanten Startup Factory durch die Expertise von Futury", so Michael Fuchs, "denn dazu gehören gute Kontakte in Unternehmen hinein. Hier wollen wir uns an der JGU in den nächsten Jahren noch professioneller aufstellen."

Ziel: Startup Factory
Der nächste große Schritt zur Förderung von Entrepreneurship an der JGU soll die Future Factory sein. Mit diesem Vorhaben befindet sich die JGU derzeit gemeinsam mit ihren Partnereinrichtungen im Rhein-Main-Gebiet in der Antragstellung im Leuchtturmwettbewerb "Startup Factories" – einer bundesweiten Ausschreibung des Bundeswirtschaftsministeriums. Die Entscheidung über eine mögliche Förderung wird voraussichtlich im Sommer 2025 fallen. "Wir sind sehr weit in allen Prozessen fortgeschritten. Deshalb sind wir optimistisch, dass die Förderung für die Factory kommen wird", so die Zwischenbilanz von Michael Fuchs.
Als Hochschulen sind neben der JGU auch die Goethe-Universität Frankfurt und die Technische Universität Darmstadt beteiligt, die gemeinsam den Verbund der Rhein-Main-Universitäten (RMU) bilden und seit Kurzem jeweils 15 Prozent der Geschäftsanteile an der Futury GmbH halten. Zusammen mit der Frankfurt School of Finance & Management tragen sie die Innovationsplattform der Future Factory als zentrale Startup-Plattform im Rhein-Main-Gebiet. "Aktivitäten im Bereich von Gründungen werden für die Gesellschaft und für die zukünftige Forschung und Lehre der JGU noch wichtiger sein als es bereits bisher der Fall war. Bei diesem Thema sind Netzwerke der Schlüssel zum Erfolg", betont auch Prof. Dr. Stefan Müller-Stach, JGU-Vizepräsident für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs. "Wir sind glücklich, mit starken und befreundeten Partnern im Rhein-Main-Gebiet zusammenarbeiten zu können und gleichzeitig auch die Mainzer Region mit den vielen Partnern der JGU aus Wirtschaft und Wissenschaft zu stärken."
Das Netzwerk innerhalb der JGU soll ebenfalls wachsen. Geplant sind für das laufende Jahr Roadshows in den verschiedenen Fachbereichen, bei denen die Kolleginnen und Kollegen des Technologietransfers und des Startup Centers ihre Unterstützungsangebote vorstellen und bestenfalls auch Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in den Fachbereichen für das Thema Entrepreneurship identifizieren und aktivieren. "Das Bemühen um Sichtbarkeit der Gründungsthematik auf dem Campus ist eine Daueraufgabe. Denn es findet ja ein stetiger Wechsel der Studierenden aber auch der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler statt", so Christine Göhring.
Bewusstsein für Unternehmertum schon im Studium stärken
Auch innerhalb der europäischen Hochschulallianz FORTHEM, deren Gründungsmitglied die JGU ist, wird das Thema beispielsweise in gemeinsamen Workshops und Summer Schools strategisch vorangetrieben. Eine lebendige Gründerkultur beginnt dabei nicht erst mit Studienabschluss oder Promotion. Dafür steht an der JGU insbesondere der Entrepreneurs Club Mainz e.V. (ECM). Diese Initiative ist unabhängig von den strategischen Planungen der Hochschule direkt innerhalb der Studierendenschaft im Bereich Wirtschaftswissenschaften entstanden. "Der ECM ist ausgesprochen aktiv, hat sich sehr schnell und erfolgreich mit seinen Pendants in Frankfurt und in Darmstadt vernetzt und bietet auch bereits ein eigenes Inkubator-Programm an", berichtet Michael Fuchs. "Alles in allem ist das absolut beeindruckend und ein großer Gewinn für die JGU und das Thema Entrepreneurship."
"Für Studierende, die sich mit dem Thema Gründung beschäftigen möchten, ist der ECM ein exzellenter Ansprechpartner", bekräftigt auch Christine Göhring. Sie verweist daher in Erstgesprächen mit potenziellen Gründerinnen und Gründern, die sich noch im Studium befinden, auf die Angebote des ECM. Passend dazu wird an der JGU aktuell ein Entrepreneurship-Zertifikat unter Federführung von Prof. Dr. Jana Oehmichen aus den Wirtschaftswissenschaften entwickelt.
Vieles ist in Bewegung im Bereich Startup, Gründungen und Unternehmertum – auf dem Gutenberg-Campus und im Rhein-Main-Gebiet. Es entstehen neue Kontakte und Kooperationen, die allesamt mit Motivation und Gründergeist in die Zukunft blicken.
Text: Peter Thomas