Austausch der Wissenschaftskulturen

1. März 2018

Seit Oktober 2017 ist Prof. Dr. Tanja Pommerening Direktorin des Gutenberg Nachwuchskollegs (GNK) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Die Ägyptologin schaut zurück auf das, was das Kolleg bisher für die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Künstlerinnen und Künstler der Hochschule erreichen konnte, nimmt aber auch in den Blick, was noch nötig oder wünschenswert wäre.

"Unsere Universität tut bereits viel für den wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchs", betont Prof. Dr. Tanja Pommerening. "Mehr als viele andere Hochschulen. Das ist jedenfalls das Feedback, das ich immer wieder von unseren Doktorandinnen und Doktoranden, Postdocs und Juniorprofessorinnen und -professoren erhalte." Und doch weiß die neue Direktorin des Gutenberg Nachwuchskollegs (GNK), dass es auch an der JGU in diesem Bereich noch Luft nach oben gibt. "Es hängt natürlich immer am Geld. Insbesondere die Zahl der Stellen und Stipendien in den Geistes- und Sozialwissenschaften ist auch an der JGU weit unter dem Bedarf, aber das Bündel an Maßnahmen, das in Mainz in letzter Zeit insgesamt für den wissenschaftlichen Nachwuchs auf den Weg gebracht wurde, kann sich sehen lassen."

Eine dieser Maßnahmen war die Gründung des GNK. Das Kolleg wurde 2014 ins Leben gerufen, um den akademischen Nachwuchs systematisch und nachhaltig zu fördern und um als zentrale Struktureinheit alle Bemühungen in diesem Bereich zu koordinieren. Das GNK gehört damit neben dem Gutenberg Forschungskolleg (GFK) und dem Gutenberg Lehrkolleg (GLK) zu den drei Säulen des Mainzer Modells der Hochschulsteuerung, das exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vereint, um neue Ideen zu entwickeln und Präsident und Senat beratend zu unterstützen.

Ideen gemeinsam entwickeln

Pommerening gehörte von Beginn an zum Leitungsgremium des GNK, im Oktober 2017 wurde sie dann von diesem Gremium zur Direktorin gewählt. "Auch deswegen wäre es unglaubwürdig, wenn ich jetzt plötzlich mit einem politischen Programm und festen Vorstellungen, mit völlig neuen Projekten und Plänen für das Kolleg vorpreschen würde. Das entspräche einfach nicht unserer Arbeitsweise. Wir entwickeln unsere Ideen aus dem Gremium heraus, bilden Arbeitskreise und diskutieren Vor- und Nachteile. Ich sehe meine Aufgabe vor allem darin, Impulse zu setzen, die Ideen voranzubringen, zu vertreten und Ansprechpartnerin für Belange in Sachen Verbesserung der Nachwuchsförderung zu sein. Zudem arbeiten wir über unsere Geschäftsstelle mit an der Umsetzung."

Sie hält kurz inne. "Aber natürlich habe ich meine Schwerpunkte. Ich möchte zum Beispiel alle Disziplinen im Blick behalten und die Wissenschaftskulturen enger zusammenbringen." Sie selbst ist sowohl in den Natur- als auch in den Geistes- und Kulturwissenschaften zu Hause: Pommerening studierte Pharmazie und war als Apothekerin tätig, bevor sie sich der Ägyptologie und der Geschichte der Naturwissenschaften zuwandte. Nach diesem Zweitstudium forschte die inzwischen mehrfach ausgezeichnete Wissenschaftlerin transdisziplinär und wurde im Jahr 2010 auf eine Professur für Ägyptologie an der JGU berufen.

Es ist ihr also schon länger ein Anliegen, Forschung und Lehre an der Universität auch über die Fächergrenzen hinweg ein Stück weit mitzugestalten. Sie ist Initiatorin und Sprecherin des DFG-Graduiertenkollegs "Frühe Konzepte von Mensch und Natur: Universalität, Spezifität und Tradierung" und engagiert sich in einer ganzen Reihe von Forschungsverbünden und Gremien, wie etwa im Senat der JGU.

Minigraduiertenkollegs

"Wir konnten mit dem GNK in den vergangenen vier Jahren schon viel erreichen", sagt Pommerening. Als einen ersten Aspekt nennt sie die Einrichtung von Minigraduiertenkollegs. "Sie sind nach dem Vorbild der großen DFG-Graduiertenkollegs entstanden und stärken vor allem den Bereich des Geistes- und Sozialwissenschaften." In diesen Minikollegs finden sich jeweils drei bis fünf Doktorandinnen und Doktoranden zusammen. "Dieses Format funktioniert hervorragend und hat mittlerweile eine Strahlkraft über die JGU hinaus entwickelt. Mit ihm gelingt es uns, kompetitiv aussichtsreichen wissenschaftlichen Nachwuchs für die Universität zu werben, innerhalb kleiner Forschergruppen qualitativ hochwertig auszubilden und Forschungsprojekte auf dem Weg zu größeren Verbünden zu unterstützen."

"Wenn ich viel Geld zur Verfügung hätte, würde ich unter anderem eine große Graduiertenschule mit regelmäßig wechselnden thematischen Schwerpunkten schaffen, in die wir sowohl Sozial- und Geistes- als auch Naturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler einbinden könnten. Alle Beteiligten würden im Hinblick auf die verschiedenen Fachkulturen und methodisch viel voneinander lernen. Egal, wo sie später arbeiten. Sie würden regelmäßig mit anderen Disziplinen in Kontakt kommen und kommunizieren müssen. Diese Erweiterung des eigenen Denk- und Erfahrungshorizonts würde in jeglicher Berufspraxis von Nutzen sein. Aber natürlich ist das nur eine Vision, dafür bräuchten wir ein paar Millionen.“

Immerhin hat das GNK durchaus schon daran mitgearbeitet, dass Millionenbeträge an die JGU fließen. So brachte es jüngst seine Expertise beim erfolgreichen Antrag für das Bund-Länder-Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ein: 15 Millionen Euro für die Etablierung von 15 zusätzlichen Tenure-Track-Professuren gingen nach Mainz.

Perspektiven schaffen

"Damit können wir Juniorprofessuren in dauerhafte Professuren überführen", erklärt Pommerening. "Die JGU fing frühzeitig an, in diesem Bereich Weichen zu stellen, und wir vom GNK haben das begleitet. Unter anderem haben wir uns gefragt, wie der Auswahlprozess und die Evaluation für die Juniorprofessuren mit der Perspektive auf ihre langfristige Anstellung modifiziert werden muss. Hier ging es darum, ein qualitätssicherndes Verfahren für die Universität und optimale Karriereperspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs zu schaffen."

Um Perspektiven für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geht es immer wieder im GNK. "Wir wissen alle, dass die wenigsten dauerhaft an der Universität bleiben können. Also zeigen wir ihnen Möglichkeiten auf, wo ihr Berufsweg hinführen kann. Das ist eine wichtige Aufgabe. Natürlich kümmern wir uns auch um die, die in der Wissenschaft bleiben wollen: Verträge für den wissenschaftlichen Nachwuchs liefen bislang zu kurz. Über unsere Empfehlungen und Stellungnahmen konnten wir die Situation verbessern."

Bei der Erarbeitung solcher Empfehlungen bezieht das GNK die Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler immer direkt mit ein. "Wir wollen konkret wissen, welche Probleme sie sehen und welche Lösungen sie vorschlagen." Auf diese Weise erarbeitete das Kolleg auch eine Leitlinie zur Betreuung von Doktorandinnen und Doktoranden. Sie wurde dem Senat der Universität vorgelegt, der daraufhin den Fachbereichen den Abschluss von Betreuungsvereinbarungen empfahl.

"Zuerst dachte ich: Brauchen wir das? Das ist doch alles selbstverständlich." In der Vereinbarung stehen grundlegende Dinge: etwa, dass die Betreuerinnen und Betreuer bei Fragen zur Verfügung stehen oder dass regelmäßig Gespräche geführt werden. "Ich habe dann gemerkt, wie viel Sicherheit diese Vereinbarung bringen kann, wie sie die Qualität der Betreuung fördert. Seitdem promoviert man bei mir nur noch mit Betreuungsvereinbarung."

Klausur vereint Disziplinen

Es ließe sich noch viel sagen über die Aktivitäten des GNK. Unter anderem entstand ein Webportal mit einer Zusammenstellung, welche Hilfen und Förderungen die JGU für den wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchs bereithält. "Das wird so erstmals ganz deutlich sichtbar", betont Pommerening. Es gibt Vortragsreihen zur Berufsorientierung, Möglichkeiten zum Mentoring, Fördergelder für Kurzaufenthalte im Ausland, die Gutenberg-Akademie für herausragende Künstlerinnen und Künstlern sowie exzellente Doktorandinnen und Doktoranden oder die Förderung der internationalen Sichtbarkeit durch Übernahme von bis zu 10.000 Euro Übersetzungskosten. "Wir arbeiten immer weiter an der Entwicklung neuer Fördermaßnahmen und strategischer Perspektiven", bekräftigt Pommerening. "Wir könnten zum Beispiel Räumlichkeiten gebrauchen, in denen sich Doktorandinnen und Doktoranden verschiedenster Fächer treffen und austauschen können."

Im April wird sich das Leitungsgremium zur ersten Strategieklausur mit der neuen Direktorin zusammenfinden. Dann wird es wieder Anregungen geben. "Das Schöne an diesem Gremium ist, dass hier die Disziplinen wirklich konstruktiv zusammenkommen und sich austauschen – so, wie ich es all unseren jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wünsche. Das ist eine große Bereicherung."