4. Mai 2018
Den Bachelor in Physik und Mathematik hat er bereits in der Tasche. Nun schaut sich Alexey Nikolajewitsch Kivel als Masterstudent am Institut für Physik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) um, welches Themengebiet sich für seinen weiteren Weg in Richtung Dissertation eignet. Daneben engagiert sich der 23-Jährige in einer ganzen Reihe universitärer Gremien. Ihn fasziniert die Möglichkeit, hier die Lehre aktiv mitzugestalten. Sein Deutschlandstipendium verschafft ihm den Freiraum, all das unter einen Hut zu bringen.
In seiner Bachelorarbeit hat Alexey Kivel die DNA von Mäusen genauer unter die Lupe genommen. "Ich wollte herausfinden, wie die 20 Chromosomen im Zellkern liegen, wie sie sich verknoten und verdichten und ob ihre Lage Auswirkungen auf die Zellteilung hat." Das klingt nach Biologie – und tatsächlich interessieren sich Biologinnen und Biologen für Kivels Erkenntnisse. Geschrieben hat der 23-Jährige die Arbeit allerdings am Institut für Physik der JGU. "Sie ist sehr interdisziplinär geworden, aber gerade das hat mich gereizt. Außerdem ist das Thema sehr aktuell, erst kürzlich wurde das erste 3-D-Modell dazu vorgestellt." Betreut wurde Kivel von Dr. Peter Virnau. "Anschließend haben wir noch ein Paper in einer Fachzeitschrift veröffentlicht. Das ist eher ungewöhnlich bei einer Bachelorarbeit", fügt er mit einem gewissen Stolz hinzu.
Geboren wurde Kivel in der russischen Millionenstadt Tscheljabinsk jenseits des Urals. Als er fünf Jahr alt war, zog die Familie nach Deutschland. "Unsere erste Station war Regensburg. Mein Vater ist Physiker, er arbeitete dort er an der Universität. Wir sind dann viel in Deutschland herumgekommen." Nach Mainz ging es dann 2010, wo Kivels Vater seither am Helmholtz-Institut tätig ist.
Chemie geht nicht weit genug
Kivel besuchte das Mainzer Gutenberg-Gymnasium. "Chemie hat mich sehr interessiert", erzählt er. Die Gesellschaft der Deutschen Chemiker zeichnete ihn 2014 sogar als Jahrgangsbesten in diesem Fach aus – doch da hatte er sich bereits für eine etwas andere Richtung entschieden. "In der Oberstufe wurde mir klar: Chemie geht für mich nicht weit genug. Physik hingegen wurde immer spannender. Die Relativitätstheorie hat mich fasziniert." Und so schrieb er sich an der JGU für Physik ein.
"In den ersten Semestern wurde mir dann klar, was für eine unglaublich wichtige Rolle die Mathematik in der Physik spielt." Also entschied er sich kurzerhand für ein Doppelstudium. "Ich würde behaupten, dass man in der Schule nicht wirklich Mathematik macht. Das kommt erst an der Universität." Kivel studierte gleich zwei herausfordernde Fächer, die beide für ihre hohe Abbrecherquote bekannt sind. "Das war schon eine ziemliche Anstrengung, aber in manchen Lehrveranstaltungen überschneiden sich Physik und Mathematik auch, das erleichtert es ein wenig."
Nebenher nahm sich Kivel Zeit, sich in diversen Hochschulgremien einzubringen. Gleich im ersten Semester wurde er in den Fachschaftsrat gewählt. Als studentischer Vertreter sitzt er zudem im Fachbereichsrat und im Fachausschuss für Studium und Lehre in der Physik. "Das lässt sich schon mit dem Studium vereinen", meint er lächelnd. "Die Sitzungstermine stehen ja meist schon Anfang des Jahres fest, ich kann sie also gut einplanen."
Studium mitgestalten
Als Student das Studium mitgestalten zu können, ist für Kivel eine spannende Sache. "Im Fachausschuss wird viel über die Lehre diskutiert. Dort werden neue Konzepte vorgestellt, die wir dann diskutieren und im besten Falle absegnen. Im Moment passiert gerade in der Physik auch sehr viel." Die Dekanin des Fachbereichs, Prof. Dr. Concettina Sfienti, sei sehr engagiert, hebt Kivel hervor. "Der Fachbereich will die Studierendenzahlen in der Physik erhöhen. Wir suchen gemeinsam nach Strategien, wie wir mehr Interesse wecken können. Viele wissen zum Beispiel gar nicht, dass man mit einem Abschluss in Physik auch in der Industrie sehr gute Chancen hat. Das müssen wir vermitteln."
Kivel diskutiert nicht nur, er packt auch sehr konkret mit an. So entstand auf seine Initiative hin ein neues Angebot für Physikstudierende an der JGU. "Es gibt Dinge im Studium, die als selbstverständlich angesehen werden, die wir uns nebenbei aneignen, die aber spätestens für den Bachelorabschluss unabdingbar sind." Eines davon ist die Computersprache LaTeX. "Sie ist ideal auf die Bedürfnisse der Physik zugeschnitten. Doch im Studienplan kommt sie nicht vor. Die meisten schaffen es schon irgendwie, sich hineinzuarbeiten, aber sie verlieren Zeit dabei. Und für alle, die nicht so computeraffin sind, kann es sehr schwierig werden."
Also rief Kivel Ferienkurse für LaTeX ins Leben. "Im Grunde war allen klar, dass es sinnvoll ist, solche Kurse anzubieten. Aber es hat die Initiative gefehlt, sie wirklich aufzubauen." Studierende, die schon etwas weiter sind, bringen anderen Studierenden passgenau bei, was sie für ihr Studium und ihre Abschlussarbeiten brauchen. Die Kurse werden als Blockseminare angeboten: Eine Woche lang gibt es vormittags die Theorie, nachmittags wird die praktische Anwendung trainiert.
Stipendium schafft Freiräume
"Ich hatte zuerst Schwierigkeiten, in der vorlesungsfreien Zeit Studierende zu finden, die diese Kurse übernehmen. Also habe ich vor dem Fachbereichsrat ein Konzept präsentiert, nach dem die Kursleiter Verträge als wissenschaftliche Hilfskräfte bekommen." Die Finanzierung wurde genehmigt, drei bis vier Kurse sind nun regelmäßig im Angebot. "Voriges Semester waren sie sogar überfüllt, sodass nicht alle interessierten Studierenden einen Platz bekamen. Ich werde jetzt also schauen, ob wir über einen neuen Antrag mehr Stellen bewilligt bekommen."
Kivels Engagement beeindruckt. "Bei alledem auch noch Zeit für einen Nebenjob zu finden, um mich zu finanzieren, wäre undenkbar", sagt er dann auch selbst. "Ich brauche jede Stunde." Deswegen bewarb er sich bereits 2015 für ein Deutschlandstipendium. Damit fördern private Sponsoren, unterstützt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Studierende, die Herausragendes leisten. Neben sehr guten Noten zählen bei der Vergabe des Stipendiums auch soziales oder gesellschaftliches Engagement und besondere persönliche Leistungen – wie die von Alexey Kivel für sein Fach und seine Kommilitonen. "Ich sehe das Deutschlandstipendium als eine Art Belohnung", meint er. "Es ist einzigartig. Andere Stipendien stellen mehr Bedingungen, die Antragsverfahren sind komplizierter. Beim Deutschlandstipendium ist die Bewerbung so einfach wie möglich gehalten. Außerdem ist die Vergabe sehr transparent."
Das Deutschlandstipendium schafft Kivel Freiräume, die er zu füllen weiß: Im Sommersemester 2017 absolvierte er seinen Bachelor in Physik, ein halbes Jahr später folgte der Bachelor in Mathematik. Nun geht es in den Masterstudiengang Physik. "Ich will auf jeden Fall noch meinen Doktor machen", bekräftigt der 23-Jährige. "Im Moment schaue ich mich genauer nach einem passenden Themengebiet um. Ich bin recht sicher, dass ich hier in Mainz etwas finden werde."