19. April 2025
Das vom Gutenberg Kolleg für wissenschaftliche Karrierewege geförderte Projekt "Career Exploder" setzt sich multimedial mit verschiedenen Wegen zur Universitätsprofessur auseinander. In acht Videointerviews berichten Professorinnen und Professoren aus historischen Disziplinen von ihren ganz persönlichen Erfahrungen.
Ist es denn wirklich ein Traumjob, Professorin oder Professor zu sein? Öffentlich wird das immer wieder anders dargestellt. "Akademische Karrieren haben in den vergangenen Jahren in Deutschland oft schlechte Presse bekommen", bestätigt auch Prof. Dr. Thomas Blank, Inhaber der Professur für Kulturgeschichte der Antike an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und einer der Köpfe hinter dem Projekt "Career Exploder".

Umso wichtiger ist es also, aktuelle und konstruktive Blicke zu gewähren: auf die Wege zur Professur, auf typische und weniger typische Karriereentwicklungen, auf Zukunftsperspektiven von Lehrenden für den akademischen Nachwuchs und auf wichtige Weichenstellungen in der eigenen Entwicklung.
All dies schafft das multimediale Projekt "Career Exploder", gefördert vom Gutenberg Kolleg für wissenschaftliche Karrierewege (GKK). Im Fokus stehen Videointerviews mit acht Professorinnen und Professoren aus dem Bereich der historischen Wissenschaften – sowohl von der JGU als auch von anderen Hochschulen.
Persönliche Einblicke und Erfahrungen
Angestoßen wurde das Projekt von Diplom-Theologe Benedict Totsche, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Kirchen- und Dogmengeschichte unter Leitung von Prof. Dr. Ulrich Volp an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der JGU. Zusammen mit Prof. Dr. Nicole Reinhardt vom Leibniz-Institut für Europäische Geschichte (IEG) und Prof. Dr. Thomas Blank bildete er das dreiköpfige Projektteam des mittlerweile abgeschlossenen Projekts. Hinzu kam Felix Hackhausen, der als wissenschaftliche Hilfskraft unter anderem für Videoaufnahmen und Videoschnitt verantwortlich zeichnete.

"Alles begann mit einer Ausschreibung des GKK für die Förderung von Veranstaltungen zur Karriereperspektive Professur", blickt Totsche auf den Projektstart zurück. "Dabei sollte es im weitesten Sinne um die Frage gehen, warum die Professur der schönste Beruf der Welt ist. Unsere Umsetzung geht darüber hinaus und nimmt auch die Herausforderungen in den Blick, die dieser Karriereweg mit sich bringt. Auch haben wir den Kreis der Interviews über die eigene Universität hinaus erweitert." Eine thematische Klammer bildet die Auswahl von Professuren historisch arbeitender Fächer.
In den Interviews schildern die Gesprächspartnerinnen und -partner ihre persönlichen Erfahrungen ganz nahbar: Wann beispielsweise haben sie eine Professur erstmals als reale Berufsmöglichkeit in den Blick genommen? So erinnert sich Barbara Henning, zum Zeitpunkt der Aufzeichnung Juniorprofessorin für die Geschichte des Islams im östlichen Mittelmeerraum am Historischen Institut der JGU und seit Oktober 2024 Professorin für Turkologie an der Universität Hamburg, in ihrem "Career Exploder"-Beitrag an eine prägende Kindheitserfahrung: "Das erste Mal habe ich von meiner Oma gehört, dass es so etwas wie Professorinnen und Professoren gibt.
Herausforderungen als Chance statt Bürde
In den Videos kommen immer wieder bestimmte Herausforderungen auf dem Weg zur Professur zur Sprache, etwa die Balance zwischen Beruf und Privatleben. Gerade die Qualifikations- und Bewerbungsphase ist in den allermeisten Fällen gekennzeichnet von häufigen Ortswechseln. "Mainz ist meine siebte Universität", berichtet Prof. Dr. Ulrich Volp in seinem Interview. "Darunter waren drei Hochschulen in Großbritannien." Diese Erfahrung sieht der Kirchenhistoriker aber vor allem als Chance, nicht als Bürde: "Ich würde es nicht anders machen", blickt Volp zurück und empfiehlt seinen Doktorandinnen und Doktoranden, die frühe Karrierephase für einen Wechsel des Universitätsstandorts zu nutzen, um neue Perspektiven zu gewinnen.

Wissenschaftspolitische Kritik gehört ebenfalls zu den Gesprächen. Diese findet sich zum Beispiel im Interview mit Prof. Dr. Gisela Muschiol von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn. Sie benennt die geringe Grundfinanzierung der Universitäten als ein großes Problem für wissenschaftliche Karrierewege und fordert: "Willkürelemente müssen raus aus der Wissenschaft." Insbesondere Wissenschaftlerinnen rät sie, frühzeitig eigene Netzwerke zu bilden und diese verlässlich zu gestalten. "Die Situationen für Frauen in der Wissenschaft sind besser geworden. Aber sie sind weit davon entfernt, gut zu sein."
Breites Echo, gute Rückmeldungen
Die Initiatoren des Projekts sind sehr zufrieden mit dem Echo, das ihr Projekt bislang erfahren hat. Das gilt einerseits für die Zugriffe auf die Projektwebseite und das Feedback in den sozialen Medien. Aber auch im direkten Austausch mit Studierenden macht sich "Career Exploder" bemerkbar, berichtet Prof. Dr. Nina Gallion. Sie hat eine Tenure-Track-Professur für Spätmittelalterliche Geschichte und Vergleichende Landesgeschichte an der JGU inne.

Als Historikerin, die Studierenden und dem wissenschaftlichen Nachwuchs in jedem Semester die Möglichkeit bietet, ihre Forschungsarbeiten – egal ob Bachelor- oder Masterarbeit, Dissertation oder Habilitation – in der Vortragsreihe der "Mainzer Gespräche" vorzustellen, hat es Prof. Dr. Nina Gallion besondere Freude bereitet, als Interviewpartnerin für das "Career Exploder"-Format mitzuwirken. "Die Idee, auf diese Weise in den Austausch mit Nachwuchswissenschaftlerinnen und Studierenden zu treten, um ihnen einen Eindruck zu geben von wissenschaftlichen Karrieren und wie sie verlaufen können, hat mich schnell überzeugt", so Gallion. Hinzu komme, dass die Tenure-Track-Professur, über deren Möglichkeiten sie aus erster Hand berichten könne, noch ein recht neues Modell des akademischen Karrierewegs und damit zusätzlich interessant sei.
Zufrieden mit der Resonanz zum Projekt "Career Exploder" zeigt sich auch Prof. Dr. Thomas Blank. "Unsere Präsenzveranstaltung zum Projektende ergab ein deutlich positives Feedback, was uns sehr gefreut hat. Auch Vertreterinnen und Vertreter der Fachschaft waren da. Und nach der Veranstaltung hatte ich immer wieder Begegnungen mit Studierenden, die auf die Videos aufmerksam geworden waren und Rückmeldung dazu gaben."
Von Explodern und Explorern
Woher kommt eigentlich der Name des Projekts – "Career Exploder"? "Inspiriert wurde der Titel vom US-amerikanischen Podcast 'Song Exploder'", erklärt Prof. Dr. Thomas Blank. Hier sprechen Musikerinnen und Musiker im Detail über den kreativen Prozess, der in ihren einzelnen Songs steckt. Und genau dieses Wortspiel – von "Explorer" zu "Exploder" – passt. So können einzelne Wegscheiden eine entscheidende Dynamik für Berufskarrieren entwickeln und gleichzeitig klingt im Titel auch das Explorieren – also Neugier und Entdeckungsfreude – mit.

Und wie bewertet Benedict Totsche, der selbst gerade seine Doktorarbeit schreibt, die Erfahrungen der intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema akademischer Karrieren im Projekt? "Ausgesprochen positiv – gerade aufgrund der realistischen und facettenreichen Schilderung von Karrieremöglichkeiten durch die Interviewpartnerinnen und -partner."
Für den wissenschaftlichen Nachwuchs sei es wichtig, auch äußere Faktoren noch besser kritisch einschätzen zu können. Totsche nennt hier als Beispiel die politischen Rahmenbedingungen der geplanten Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes: Würde dies so beschlossen wie derzeit geplant, gäbe es nach der Promotion in der Praxis in vielen Fällen nur noch Anstellungen für maximal vier Jahre. "Eine Habilitation, die ja nach wie vor häufig für eine Bewerbung gefordert ist, in nur vier Jahren fertigzustellen, ist wirklich sehr, sehr schwierig", so der Theologe.
Text: Peter Thomas