15. Februar 2024
Edelsteine sind faszinierende Wunder der Natur, umgeben von einer geheimnisvollen Aura des Luxus. Für Dr. Tobias Häger gehört der Umgang mit Diamant, Rubin, Saphir und Smaragd zum Alltag. Er leitet die Arbeitsgruppe Geomaterial- und Edelsteinforschung am Institut für Geowissenschaften, dem einzigen universitären Standort für Edelsteinforschung in Deutschland und einem der wenigen weltweit.
Der Wert von Edelsteinen ist schwer zu ermessen. Auch weil der Schein mitunter trügt. Wenn beispielsweise die Farbe gezielt verändert wurde, beeinflusst das den Preis. Bei der Edelsteinforschung geht es deshalb häufig auch um Geld. Und manchmal um sehr viel Geld, verrät Dr. Tobias Häger.
An ein Ereignis erinnert sich der Mainzer Mineraloge noch genau: Anfang der 2000er-Jahre kamen ungewöhnlich viele gelbe Saphire und orangefarbene Korunde, sogenannte Padparadscha, auf den Markt. Letztere zählen zu den teuersten Farbedelsteinen. "Man konnte sich nicht erklären, woher sie kommen und warum sie zu vergleichsweise günstigen Preisen angeboten wurden", erzählt Häger. Er gehörte damals zu den Wissenschaftlern, die der Sache in verschiedenen international besetzten Arbeitsgruppen auf den Grund gingen. Sie wiesen nach, dass die Farbe der Edelsteine keinen natürlichen Ursprung hatte und auch nicht auf eine gängige Temperaturbehandlung zurückzuführen war.
"Es handelte sich um eine neue Methode, die sogenannte Beryllium-Diffusionsbehandlung", erklärt Häger. Bei etwa 1.800 Grad Celsius findet eine Reaktion zwischen den Saphiren und zugefügtem Chrysoberyllpulver (BeAl2O4) statt. Die unscheinbaren farblosen Saphire werden intensiv gelb, pinkfarbene Korunde werden orange. Die thailändischen Produzenten hatten diese Behandlung beim Verkauf der Edelsteine allerdings nicht deklariert. "Es standen Rückforderungen von vielen Millionen US-Dollar im Raum", erinnert sich Häger. "Es gab Kollegen, die sogar Morddrohungen erhielten, damit sie ihre Meinung revidieren." Er persönlich sei damals nicht betroffen gewesen – "aber ich habe viel gelernt".
Außenstelle in Idar-Oberstein
Nicht immer sind Hägers Forschungen so brisant, spannend sind sie aber allemal. Er leitet die Arbeitsgruppe Geomaterial- und Edelsteinforschung am Institut für Geowissenschaften der JGU. Deren übergeordnetes wissenschaftliches Ziel sind Erkenntnisse zur Entstehung sowie zu den Eigenschaften von Edelsteinmaterialien. Zur Abteilung gehört das Institut für Edelsteinforschung, Idar-Oberstein (IfE), eine Außenstelle, die bereits 1963 der Universität angegliedert wurde. Und genau diese Nähe von Mainz zu Idar-Oberstein, dem europäischen Handelszentrum für Farbedelsteine, ist ein entscheidender Faktor dafür, dass die JGU als einziger universitärer Standort in Deutschland Edelsteinforschung betreibt.
"Unsere Arbeit ist rein wissenschaftlich", betont Häger. "Wir stellen keine Zertifikate aus, wir beschäftigen uns mit Grundlagenforschung." Einer seiner Schwerpunkte ist die Lagerstättenkunde und damit auch die sogenannte Provenienzanalyse. Vereinfacht ausgedrückt geht es um die Frage: Wo kommt ein Edelstein her? Beantworten lässt sich diese Frage anhand der Charakteristika, die eine Lagerstätte auszeichnen. Deshalb ist es wichtig, dass neu entdeckte Edelsteinvorkommen wissenschaftlich beschrieben werden – auch das gehört zu den Aufgaben von Hägers Arbeitsgruppe. Zuletzt wurde im Zuge einer Promotion ein neues Smaragdvorkommen in Pakistan charakterisiert. Das heißt, es wurden die Hauptelemente und die Spurenelemente der Steine analysiert, ebenso deren Einschlüsse und das Muttergestein. Diese Merkmale lassen sich gegen andere Vorkommen abgrenzen, damit die Smaragde möglichst zweifelsfrei ihrem Ursprung zugeordnet werden können. Darüber hinaus helfen diese Ergebnisse auch bei der Suche nach neuen Lagerstätten.
Einschlüsse verraten viel
Die erforderlichen Untersuchungen finden im Labor in Mainz statt. Wenn es sich anbietet, reisen die Forschenden aber auch hin und wieder zum Fundort der Edelsteine, um sich dort ein Bild von der Lagerstätte zu verschaffen. So war Häger 2022 mit seiner Kollegin Elena Sorokina in Grönland, wo nach derzeitigem Kenntnisstand die mit gut zweieinhalb Milliarden Jahren ältesten Rubine der Welt lagern. "Wir haben uns die Geologie in der Gegend angeschaut und durften Proben in der Mine nehmen", berichtet Häger.
Von besonderem wissenschaftlichem Interesse sind die Mineraleinschlüsse im Inneren der Edelsteine, speziell die sogenannten syngenetischen Einschlüsse, die zur selben Zeit entstanden sind wie der Rubin selbst. Denn sie erlauben eine Altersdatierung – und bei unklarer Herkunft auch eine geografische Zuordnung. Wie zum Beispiel im Fall des mit Rubinen verzierten Briefs aus purem Gold, der Mitte des 18. Jahrhunderts vom damaligen König von Birma, dem heutigen Myanmar, an den König von England geschickt wurde. Vor einigen Jahren habe ihn das Museum kontaktiert, in dessen Besitz sich der Brief befand, erinnert sich Häger. "Wir sollten herausfinden, woher die Rubine stammen." Zwar liege das weltweit bekannteste Rubinvorkommen in Myanmar, aber auch im benachbarten Thailand gebe es bedeutende Lagerstätten. Eine Untersuchung der Einschlüsse ergab: Bei den Edelsteinen auf dem außergewöhnlichen goldenen Brief handelt es sich zweifellos um Rubine aus dem einstigen Birma.
Eine Herausforderung bei solchen Untersuchungen ist die zerstörungsfreie Analytik. Hier kommen neben dem Mikroskop vor allem spektroskopische Verfahren zum Einsatz. Speziell die Raman-Spektroskopie sei sehr wichtig geworden, sagt Häger, weil damit auch Einschlüsse in Edelsteinen zerstörungsfrei untersucht werden könnten. Sie lassen Rückschlüsse auf das Alter oder die Herkunft zu. Außerdem können die Fachleute anhand der Einschlüsse herausfinden, ob und gegebenenfalls mit welchen Methoden die Farbe verändert wurde. Verboten sind solche Behandlungen nicht, aber sie haben einen Einfluss auf den Wert des Edelsteins. "Man darf alles machen, man muss es nur deklarieren", so Häger.
"Wir können alles nachweisen"
Ein anderes wichtiges Thema der Edelsteinforschung sind Synthesen, im Labor hergestellte Gegenspieler der Minerale, die selbst für Fachleute nicht ohne Weiteres von echten Edelsteinen zu unterscheiden sind. "Inzwischen gibt es sehr gute Syntheseverfahren, die schwer nachzuweisen sind", sagt Häger, um direkt hinzuzufügen: "Aber wir können alles nachweisen. Es ist nur eine Frage des Aufwands." Insbesondere im Diamantsektor schreite die Entwicklung synthetischer Verfahren voran. Dadurch sei es möglich, größere Labordiamanten zu günstigeren Preisen herzustellen.
Interessant ist das nicht nur für die Schmuckbranche, sondern auch für die Industrie, wo Diamanten aufgrund ihrer einzigartigen Eigenschaften zum Beispiel in Werkzeugen zum Einsatz kommen. Und auch hier sind die Mainzer gefragte Fachleute. "Kürzlich kam eine Firma auf mich zu, die festgestellt hat, dass sich bestimmte synthetische Diamanten in ihren Werkzeugen anders verhalten als natürliche Steine. Sie wollten wissen, woran das liegt", berichtet Häger. Er konnte die Antwort liefern.
Seine wissenschaftliche Leidenschaft aber gehört einem anderen Thema: der Farbveränderung von Edelsteinen. "Es gibt so viel Spannendes rund um die Temperaturbehandlung. Dazu würde ich gern viel mehr forschen", sagt er. "Nur leider fehlt mir die Zeit."
Text: Alexandra Rehn