Die Uniceltics tanzen sich nach vorn

15. September 2015

In ganz Deutschland sind sie unterwegs: Auf Festivals und Wettkämpfen zeigen die Uniceltics irischen Tanz in seiner ganzen Vielfalt. Die Formation ist aus einer Hochschulgruppe der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) hervorgegangen, mittlerweile steht sie auf eigenen Füßen. Die Uniceltics haben sich in der Szene etabliert, ihre Tänzerinnen holten mehrfach Meistertitel.

Kathrin Mertes warnt: "Gleich wird es laut, sehr laut." Im Ballettsaal schlüpfen zwölf Frauen in ihre Hardshoes. Die Absätze dieser speziellen Schuhe für den Irish Dance bestehen aus einem Holz-Glasfaser-Gemisch. "Kein Metall, das ist wichtig." Unter dem Vorderfuß findet sich ein zweiter harter Klotz. "Damit arbeiten wir vor allem." Die Tänzerinnen reihen sich vor einem wandhohen Spiegel auf. Mertes dreht den Lautstärkeregler der Stereoanlage bis zum Anschlag. Traditionelle irische Musik ertönt.

Was nun folgt, mag der ein oder andere bereits bei Shows wie "Riverdance" oder "Lord of the Dance" gesehen haben. Zum treibenden Rhythmus legt die Formation eine atemberaubende Kombination an Step-Schritten aufs Parkett. Die Reihe wogt vor, sie zieht sich zurück. Alles läuft synchron. Der Tanz wirkt energiegeladen, sehr lebendig – und er entfesselt ein knallendes Geräuschgewitter, gegen das selbst die Stereoanlage der Ballettschule nicht ankommt.

Nach wenigen Minuten ist es vorbei. Nur zu den allerletzten Takten kommt etwas Verwirrung in die Reihe. "Das klappt sonst besser", mahnt Mertes. Die Frauen atmen schwer. Diese Form des Tanzes fordert viel Kondition. "Bei unseren Shows ist das die Zugabe."

Beliebtes Kursangebot im Hochschulsport

The Uniceltics nennt sich die Gruppe, die sich dem irischen Tanz verschrieben hat. "Irish Dance gibt es an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz seit 2004", erzählt Anna Schlie. "Im Jahr 2006 habe ich die Gruppe übernommen, seit 2008 treten wir öffentlich auf und seit 2013 sind wir offiziell ein Verein." So fasst die Lehrerin für Irish Dance die Geschichte der Mainzer Uniceltics in zwei Sätzen zusammen. Ein wenig schaut sie dabei, als wäre damit alles gesagt, als könnte es jetzt endlich wieder zum Tanz gehen. Tatsächlich aber gibt es noch einiges zu erzählen.

Fast alle Tänzerinnen der Uniceltics sind oder waren Studierende der JGU. Der Verein ist aus einer Hochschulgruppe hervorgegangen. Tanzlehrerin Schlie studierte Anglistik, Philosophie und Germanistik. Die tänzerische Leiterin, Dr. Kathrin Mertes, lehrt und forscht am Institut für Erziehungswissenschaft der JGU. Die beiden sind das Herz von Uniceltics, auch wenn Mertes sich beeilt, das zu relativieren: "Jeder kann bei uns Kritik äußern. Vieles kommt aus er Gruppe heraus, auch Anregungen oder Wünsche zum Programm. Das macht uns aus."

In der Auftrittsgruppe der Uniceltics tanzen 20 Frauen, daneben bieten Trainerinnen des Vereins unter dem Dach des Allgemeinen Hochschulsports (AHS) zwei Kurse für Irish Dance an. "Das Interesse ist groß", erzählt Mertes. "Wir haben jedes Semester um die 40 Neuzugänge. Aus ihnen rekrutieren wir auch den Nachwuchs für unsere Showgruppe."

Die Kurse auf dem Gutenberg-Campus stehen jedem offen. "Leider kommen nur wenig Männer", bedauert Mertes – und grinst: "Dabei behandeln wir sie wirklich gut." Für den Einstieg in die Auftrittsgruppe braucht es Talent und viel Engagement. Hier sind die Frauen bisher unter sich.

Komplexe Welt des Tanzes

Irish Dance kommt auf den ersten Blick leicht und unkompliziert daher. Er ist fest in der irischen Kultur verwurzelt. "Auf der Insel kann jeder ein paar Schritte", erklärt Mertes. Bei Anlässen wie Hochzeiten oder Geburtstagen stehen die Tänze ganz selbstverständlich auf dem Programm.

Wer sich allerdings näher mit dem irischen Tanz beschäftigt, begibt sich auf ein komplexes Gebiet und stößt auf Tänze, die viel fordern. "Unsere Auftritte dauern etwa 30 Minuten, aber niemand steht die gesamte Zeit auf der Bühne. Das würde keine von uns durchhalten. Wir beherrschen den fliegenden Wechsel. Dem Publikum fällt das kaum auf. Auch bei den Profis ist das so. Ein Michael Flatley tanzt nie eine ganze Show lang, er macht Pausen."

Mertes hatte als Kind Ballettunterricht. "Irgendwann hatte ich aber einfach keine Lust mehr auf Tanz." Dann sah sie im Alter von 12 Jahren bei der Ausstrahlung des Grand Prix Eurovision de la Chanson aus Irland die Riverdance-Truppe. "Ich dachte: Mensch, wie cool die tanzen, nur mit den Füßen. Das würde ich mir noch gefallen lassen. Aber ich lebte im Hunsrück, da gab es keinen Irish Dance." An der JGU fand sie dann zu der Gruppe – und stellte fest, dass sie entschieden mehr als nur die Füße bewegen muss. "Wir brauchen den ganzen Körper", betont Schlie. Auch wenn das oft anders scheint: Die Tänzerinnen halten die Arme meist parallel am Oberkörper und der wirkt wie der Ruhepunkt über den wirbelnden Beinen.

Irish Dance umfasst eine ganze Reihe von Tänzen, die mal in Hardshoes, mal in Softshoes getanzt werden. Die Softshoes, auf Gälisch Ghillies, erinnern an Ballettschläppchen, werden allerdings auf besondere Weise geschnürt. Sie stehen im Mittelpunkt des Logos der Uniceltics: Ein stilisierter Ghillie wird zum "U", um den die Schnürbänder einen Kreis aus keltischen Ornamenten formen.

Gewinner auf Wettkämpfen

"Das Logo hat eines unserer Mitglieder entworfen", erzählt Mertes. "Auch die Kostüme fertigt jeder selbst. Wer zu den Unceltics kommt, wird erst mal an die Nähmaschine gesetzt." Die Kostümschnitte kommen von Schlie.

Neben den Shows tanzen die Uniceltics auf speziellen Wettkämpfen. Hier gibt es mehrere Disziplinen für Hard- und für Softshoes. Hochkonzentriert wird 32 Takte lang ein bestimmter Rhythmus getanzt. Beim European Feis in Düsseldorf etwa gewann Schlie in den Kategorien Slip Jig, Treble Jig, Hornpipe und Traditional Set. Sie stieg in die höchste Kategorie des Wettkampftanzens, das Open Level, auf.

Überhaupt sind die Unceltics recht erfolgreich, ob bei Festivals oder bei Wettkämpfen. "2010 wurde in Kempten die deutsche Meisterschaft ausgetragen", erzählt Mertes. "Anna und ich wollten wissen, wo wir mit unseren Leistungen stehen und starteten für die Uni." Die beiden holten gemeinsam zwei Meistertitel. "Mittlerweile werden wir nicht nur in der Region und zu kleineren Feiern eingeladen." Im Juni etwa fuhren die Uniceltics zum Greenfarm Festival bei München. "Wir haben uns in der Szene etabliert."

Das muss reichen. Endlich geht es wieder zum Tanz. Ein Céilí in Softshoes steht auf dem Programm. In seiner einfachen Form beherrscht ihn in Irland beinahe jeder, nun gibt es die Profiversion. Es beginnt im Kreis. Die Musik fordert mit Takt- und Tempowechseln heraus. Diesmal ist es leiser im Saal. Die Musik ist zu hören – und die Anweisungen von Mertes und Schlie: "Füße strecken … jetzt drehen …. Reihe halten … auf Abstände achten … sehr gut." Diesmal klappt alles bis zur letzten Sekunde. Auch wenn es nicht einfach ist, es macht den Mainzer Uniceltics riesigen Spaß.