"Du kannst das, du schaffst das!"

13. Februar 2020

Wie beeinflusst Angst die Leistung und welche Möglichkeiten gibt es, mit dieser Angst umzugehen? Dr. Jeanette Kubiak vom Psychologischen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) sucht Antworten auf diese Fragen. Sie beschäftigt sich mit der Emotionsregulation, also mit all jenen Prozessen, mit denen Menschen versuchen, ihre Gefühle in bestimmte Bahnen zu leiten.

"Es gibt einen Zusammenhang zwischen Angst und Leistungsabfall", sagt Dr. Jeanette Kubiak von der Abteilung Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik am Psychologischen Institut der JGU. "Das gilt für die verschiedensten Bereiche unseres Lebens und ist längst bekannt." Doch meist ist dieser Zusammenhang außerhalb des Labors unter realen Bedingungen nur schwer und aufwendig zu untersuchen. Kubiak schaute sich nach einem Szenario um, das solch eine Untersuchung möglichst erleichtert, und fand es im Sport: beim Tischtennisspiel.

"Ich spiele selbst kein Tischtennis", bekennt die Psychologin. "Meine Koautorin Sonja Rother hat den Zugang geschaffen. Sie spielt im Verein. Wir wählten bewusst eine Sportart, die eher feinmotorische Fähigkeiten fordert, einfach deshalb, weil bei Disziplinen, in denen auch die Grobmotorik gefragt ist, die Angst auch uminterpretiert und genutzt werden kann." Beim Rugby oder beim Kugelstoßen etwa kann sie sich in einem Schrei entladen und nochmals Schub verleihen. Im Tischtennis hingegen spielen Konzentration und kognitive Fähigkeiten eine entscheidende Rolle. "Und da kann Angst hinderlich sein."

Von der Angst der Tischtennisspieler

Kubiaks Spezialgebiet ist die Emotionsregulation. Sie untersucht also Strategien, mit denen Menschen versuchen, ihre Gefühle zu beeinflussen und in bestimmte Richtungen zu lenken. Das kann ihnen unter Umständen ermöglichen, mit Herausforderungen besser klarzukommen – zum Beispiel an der Tischtennisplatte in einem entscheidenden Spiel.

"310 Tischtennisspielerinnen und Tischtennisspieler nahmen an unserer Untersuchung teil", erzählt Kubiak. "Das Tolle am Tischtennis ist, dass – wie auch in anderen Sportarten – die Leistungsdaten frei zugänglich gespeichert werden. Wir konnten also das Ranking vor und nach der Saison anschauen." Die Sportlerinnen und Sportler bekamen Fragebögen, mit denen Kubiak detailliert abfragte, wie sie in Wettkampfsituationen mit ihrer Angst umgehen. "In der Fachliteratur gibt es überraschend wenige Arbeiten zu Emotionsregulation beim Sport. Ich habe kaum etwas darüber gefunden, welche Strategien angewendet werden und wie sie sich auf die Leistung auswirken."

Am Computer präsentiert Kubiak das Emotionsregulationsmodell des US-amerikanischen Psychologen James J. Gross. Es wird häufig genutzt, um die Prozesse der Emotionsregulation in Bezug auf ein bestimmtes Ereignis zeitlich einzuordnen und zu klassifizieren. Mit ein paar hilfreichen Kommentaren ist es auch für den Laien schnell verständlich.

Gross unterscheidet fünf mögliche Ansatzpunkte für Emotionsregulation. Am Anfang steht die Situationsselektion: "Wenn für mich ein Wettkampf Angst auslösend ist, könnte ich ihn vermeiden. Wir kennen das auch vom Zahnarzttermin. Manch einer verschiebt ihn gern. Kurzfristig ist das vielleicht zielführend und wirksam. Langfristig kann das negativ wirken." Es folgt die Situationsmodifikation: "Ich kann versuchen, eine Situation zu verändern, damit sie mir positiver und nicht so angstbesetzt erscheint. Ich kann ein Maskottchen mitbringen, jemanden zur Unterstützung dazu holen oder mich körperlich auf ein Tennisspiel vorbereiten."

Von Ablenkung und Self-Talk

Der nächste Punkt, die Aufmerksamkeitslenkung, mag beim Zahnarztbesuch helfen. "Ich stelle mir etwas Schönes vor. Solch eine Ablenkung ist als Gegenspieler zur Konzentration zu sehen. Im Wartezimmer kann das sehr hilfreich sein, an der Tischtennisplatte wohl eher weniger."

Eine kognitive Neubewertung hingegen kann in beiden Situationen helfen. "Wenn ich die Situation schon nicht verändern kann, kann ich doch zumindest ändern, wie ich darüber denke. Ich versuche zum Beispiel, ein Match als wichtige Erfahrung zu betrachten oder mir die positiven Folgen des Zahnarztbesuches zu vergegenwärtigen. Positiver Self-Talk gehört auch in diese Kategorie. Ich sage mir: Du kannst das, du schaffst das!"

Am Ende steht die Reaktionsmodulation: "Wenn meine Emotionen voll entfaltet sind, kann ich versuchen, sie zu unterdrücken oder zu kaschieren. Ich trete selbstsicher auf und halte meine Mimik unter Kontrolle, um vielleicht sogar den Gegner zu verunsichern." Oder um bei einem Bewerbungsgespräch den potenziellen Chef oder die potenzielle Chefin zu beeindrucken.

"Mich interessierte nun, wie all diese Strategien über die 310 Spielerinnen und Spieler hinweg angewandt wurden und wie sie mit den Leistungen zusammenhingen." Der positive Self-Talk wird oft genutzt. Hier fand sich auch eine deutliche Korrelation zur Leistung. "Das Gegenteil, also Selbstvorwürfe oder die Katastrophisierung einer Situation, werden ebenfalls angewandt – mit entsprechenden Auswirkungen." Die körperliche Vorbereitung auf das Spiel nimmt einigen Raum ein. "Diese Strategie wird vor allem von starken Spielern genutzt und die Verbindung mit der Leistung ist signifikant. Das selbstbewusste Auftreten ist jedoch die am häufigsten angewandte Strategie. Hier gibt es zumindest Hinweise für die Wirksamkeit."

Hochrangige Veröffentlichung

Anfang 2019 veröffentlichte Kubiak gemeinsam mit Prof. Dr. Boris Egloff und Sonja Rother diese Ergebnisse im renommierten Journal of Personality. Für die Psychologin ist das ein wichtiger, aber eben auch nur ein kleiner Ausschnitt ihrer Arbeit. Emotionsregulation mag sich im Sport gut messen lassen. Aber klar ist auch: Sie spielt auch in anderen Lebensbereichen des Alltags eine wesentliche Rolle. "Ich untersuche, wie Emotionsregulation wirkt, wer welche Strategien auswählt und wie wirksam sie jeweils sind. Wir nutzen sie in der Partnerschaft oder im akademischen Leben, in der Schule, im Beruf oder beim Arztbesuch. Ich suche zum Beispiel auch Antworten darauf, wie Menschen mit Stress umgehen und wie die Form ihrer Stressbewältigung sich auf ihre Gesundheit auswirkt."

Emotionsregulation ist bereits ein wichtiges Thema in der Psychologie. Im öffentlichen Diskurs könnte sie angesichts ihrer allgegenwärtigen Relevanz allerdings ruhig eine größere Rolle spielen. "Vielleicht sollten Psychologinnen und Psychologen noch mehr Ratgeber schreiben", meint Kubiak dazu. Ein Hauch Selbstironie schwingt mit. Dann stellt sie fest: "Mir fehlt die Zeit dafür. Ich bin in erster Linie Forscherin."