Ein Bücherschatz für die Universität

18. Dezember 2017

Ingeburg Leukert überlässt dem Deutschen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) eine wertvolle Büchersammlung mit insgesamt 62 prächtigen Faksimiles, die von der Vielfalt mittelalterlicher Buchkunst zeugen. Zu bewundern sind die Bände in der Bereichsbibliothek des Instituts. Sie sollen unter anderem in der Lehre eingesetzt werden.

Die prächtigen Elfenbeintafeln des Bucheinbands zeigen Szenen aus dem Leben Christi. Ungewöhnlich fein sind die Reliefs gearbeitet. "Das hier ist der berühmte Codex Aureus von Lorsch", erklärt Dr. Christoph Winterer. Vorsichtig schlägt der Handschriftenspezialist des Deutschen Instituts der JGU das mächtige Buch auf. "Es ist der letzte Codex aus der Akademie Karls des Großen."

Das Evangeliar ist prächtig ausgestattet. Während in bescheideneren Ausgaben nur wenige Seiten mit Ornamenten geschmückt sind, ist hier jedes einzelne Blatt aufwendig verziert. Gold blinkt, kräftiges Blau rahmt biblische Figuren. Winterer weist auf keltische Buchstaben im liturgischen Text, auf byzantinische Anklänge bei den Miniaturen. Der Codex aus dem neunten Jahrhundert ist nicht nur ein großer Schatz, er war wegweisend für die Buchkunst der Folgezeit.

Wertvolle Faksimiles

Tatsächlich ist dies nicht das Original. In dieser vollständigen Form ist das Lorscher Evangeliar gar nicht mehr zu bewundern. Wer allein die beiden Buchdeckel sehen will, muss die Vatikanischen Museen und das Victoria and Albert Museum in London besuchen. Dies hier ist ein Faksimile, aber eines von höchster Qualität. Jedes Detail ist mit Fachverstand nachgebildet.

Der Codex gehört zu einer Sammlung von 62 Büchern, mit denen Ingeburg Leukert das Deutsche Institut beschenkt. Jeder Band ist ein Faksimile einer bedeutenden Handschrift. Neuerdings ist diese feine Sammlung im Eingangsbereich des Standorts Germanistik II der Bereichsbibliothek Philosophicum ausgestellt. Ein zweiteiliger, zimmerhoher Vitrinenschrank schützt die Prachtbände.

Prof. Dr. Stephan Jolie hat gemeinsam mit seiner Kollegin Prof. Dr. Uta Störmer-Caysa zu einer kleinen Übergabefeier geladen. Beide lehren ältere deutsche Literaturgeschichte am Institut, beiden liegt die Sammlung besonders am Herzen. Auch die Stifterin selbst ist zu diesem Termin an die JGU gekommen, doch sie hält sich im Hintergrund. Sie möchte keine besondere Aufmerksamkeit.

"Frau Leukert ist seit Jahrzehnten eine Mäzenin unseres Instituts", erzählt Jolie. "In ihrem dritten Lebensalter hat sie begonnen, bei uns zu studieren, und beschloss zudem, uns zu unterstützen. Unter anderem hat sie einen Preis ins Leben gerufen, mit dem jedes Jahr die vier besten Hausarbeiten am Institut ausgezeichnet werden." Dieser Leukert-Preis hat Schule gemacht: Er diente als Vorbild für die Hausarbeiten-Preise, die das Gutenberg Lehrkolleg (GLK) der Universität vergibt.

Stundenbücher und Liebeslieder

Prof. Dr. Stephan Jolie schaut dem Handschriftenspezialist Winterer über die Schulter, als der für eine kurze Ansprache Buch um Buch aus der Vitrine holt. "Das hat schon die Aura des Originals", schwärmt der designierte Vizepräsident für Studium und Lehre an der JGU.

Einige Stundenbücher des Herzogs von Berry finden sich unter den Faksimiles. Sogar die "Très Riches Heures du Duc de Berry" sind dabei, die wohl berühmteste illustrierte Handschrift des 15. Jahrhunderts, die vielen als das schönste Buch der Welt gilt. Auch das große Mainzer Evangeliar aus dem 13. Jahrhundert liegt in der Vitrine. Es war für den Mainzer Dom bestimmt und zeugt von einem blühenden mittelalterlichen Erzbistum am Rhein.

Sofort ins Auge sticht ein ungewöhnlicher herzförmiger Band, ein spätmittelalterliches Gesangbuch. Hier muss selbst Jolie nachschauen, worum es sich genau handelt: Der französische Adelige und Bischof Jean de Montchenu gab dieses Prachtstück um 1470 in Auftrag. Es enthält Liebeslieder in provenzalischer und italienischer Sprache. Jolie streicht über den samtenen Einband: "Eine wunderbare Arbeit."

Der materielle Wert der Leukert-Sammlung lässt sich schwer beziffern, er mag um eine halbe Million Euro liegen. "Für uns zählt der ideelle Wert", sagt Jolie, "und der liegt weit darüber." Die Sammlung wird den Lehrenden und den Studierenden offenstehen. "Sie soll das Faszinosum der Materialität solcher Buchschätze vermitteln."

Bereicherung für die Lehre

"Wenn man so ein Buch in der Hand hält und umblättert, ist das eine ganz andere Art der Durchdringung", ergänzt seine Kollegin Störmer-Caysa. "Die Auseinandersetzung mit dem Originalobjekt ist unersetzlich und die größte Annäherung an das Original ist das Faksimile. Es ist eine Einladung – und eine Verführung."

Noch liegt der Vitrinenschrank mit der Sammlung ein wenig im Schatten. Die Nische, die er im Eingangsbereich der Bibliothek ausfüllt, wirkt noch etwas unscheinbar. Doch das soll sich ändern. "Wir werden Strahler anbringen", verspricht Jolie. "Vielleicht könnten wir auch einen Stehpult besorgen", regt Winterer an.

Die Stifterin sitzt derweil schweigend im Hintergrund – ganz, wie sie es sich gewünscht hat. Nur einmal meldet sie sich zu Wort, als ihr der Dank ein wenig viel wird: Ihr verstorbener Mann habe die Sammlung zusammengetragen, erzählt sie. "Bei ihm müssen Sie sich eigentlich bedanken." Nach seinem Tod beriet sich Ingeburg Leukert mit ihren Kindern, was nun werden sollte aus dem Bücherschatz. "Ich fragte sie, ob sie etwas dagegen hätten, wenn ich die Sammlung der Universität vermachte? Sie hielten das für eine hervorragende Idee." Und so steht die Sammlung Leukert nun im Philosophicum und findet nicht nur am Abend ihrer offiziellen Eröffnung viele neue und interessierte Bewunderer.