Ein Festakt in vielen Stimmen

17. Februar 2016

Die Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) hat den Auftakt zum Jubiläum ihrer Wiedereröffnung vor 70 Jahren mit einem Akademischen Festakt gefeiert. Die Laudatio auf eine der größten Hochschulen Deutschlands ist dabei entsprechend vielstimmig ausgefallen: Ministerpräsidentin Malu Dreyer gratulierte ihrer Alma Mater, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler präsentierten ihre Arbeit und JGU-Präsident Prof. Dr. Georg Krausch wagte einen Blick in die Zukunft der Universität – umrahmt vom sinfonischen Glückwunsch des Collegium musicum aus Studierenden, Lehrenden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der JGU.

Rund 2.000 Gäste waren am Freitagabend in die Rheingoldhalle in Mainz gekommen, um einen großen Geburtstag zu feiern. "Toll, dass Sie alle da sind", begrüßt Dr. Malte Persike, einer der beiden Moderatoren des Abends, mit viel Elan die bunte Schar der Gratulanten. "Ich finde, 70 Jahre ist ein wirklich wunderbares Alter. Die Vereinten Nationen und Franz Beckenbauer sind gerade 70 geworden, Bill Clinton feiert in diesem Jahr seinen 70. Geburtstag – wie der Klettverschluss."

Und auch die Johannes Gutenberg-Universität Mainz feiert im Jahr 2016 ihr 70-jähriges Bestehen seit der Wiedereröffnung. Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, im Frühjahr 1946, wurde die Universität – bereits 1477 gegründet, allerdings in napoleonischer Zeit geschlossen – auf Initiative der französischen Verwaltung unter neuem Namen wiedereröffnet. Rund 2.000 Studierende versammelten sich damals in den Gebäuden der ehemaligen Flakkaserne am Rande der zerbombten Stadt. "Seither hat sich die Universität rasant entwickelt und zählt heute etwa 33.000 Studierende, davon 4.000 internationale Studierende aus mehr als 120 Ländern. Weltoffenheit steht bei der JGU nicht nur drauf, sie ist wirklich drin", ergänzt Co-Moderatorin Sina Strupp, Jurastudentin an der JGU.

Stimmen einer Universität

Ganz zu Beginn der Feierstunde funkeln bereits verschiedenste Facetten der Hochschule auf: Zu Johannes Brahms' Akademischer Festouvertüre in c-Moll op. 80, aufgeführt vom UniOrchester und UniChor des Collegium musicum unter Leitung von Prof. Felix Koch, gesellen sich bewegte Bilder, die die Gäste auf die Feier einstimmen. Auf großer Leinwand läuft ein Film, der im Flug hinweg über die alte Flakkaserne und auf den modernen Gutenberg-Campus führt.

Auf dem Campus angekommen, zeigt der Film einzelne Lehrende und Studierende, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der JGU, die in ihrer Freizeit im Collegium musicum der Universität gemeinsam auf hohem Niveau musizieren. Ihnen folgt der Film, während sie im Moment selbst auf der Bühne Brahms präsentierten. So zeigt der Film den Chemiker und die Kernphysikerin, den Historiker und die Theologin mit ihren Instrumenten, aber auch an ihren Arbeitsplätzen und im Seminar. Zwei Gutenberg-Alumni der JGU, Michael Schwarz und Alexander Griesser von "nachschwärmerfilm", schlagen mit dem "UNISONO"-betitelten Film einen Bogen von der Musik zum Leben, Lehren und Forschen an der JGU.

Ministerpräsidentin gratuliert ihrer Alma Mater

"Studieren an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz – das bedeutet Freiheit, Engagement und Eintauchen in die Welt der Wissenschaft", beginnt die rheinland-pfälzische Ministerpräsidenten Malu Dreyer ihre Rede. Sie selbst hat einst an der JGU studiert und erinnert sich gut: "Es war eine Zeit, die mich bereichert und geprägt hat", erzählt sie in ihrem Grußwort.

Die Politikerin skizziert die jüngsten Entwicklungen und erwähnt beispielsweise den Zusammenschluss der JGU mit der Goethe-Universität Frankfurt am Main und der Technischen Universität Darmstadt zur Allianz der Rhein-Main-Universitäten. Ebenso spricht sie die zukunftsweisende Gründung von "mainzed", dem Mainzer Zentrum für Digitalität in den Geistes- und Kulturwissenschaften, an. Auch die Bemühungen, Flüchtlinge ins Studium zu bringen, lobt sie. "Die JGU ist ein Motor und ein Impulsgeber für Stadt und Region."

Doch wie lange wird dieser Motor noch laufen? Der Präsident der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Prof. Dr. Georg Krausch, zitiert in seiner Festansprache den Bildungswissenschaftler Prof. Dr. Uwe Elsholz, der unlängst in Mainz zu Gast war. Dieser geht davon aus, dass Universitäten bald überflüssig werden könnten, weil die Bildungsangebote im Internet viel flexibler seien als das, was eine Hochschule bieten könne.

Blick in die Zukunft

"Hat angesichts solcher, nicht ganz von der Hand zu weisender Überlegungen der Typus Universität im Allgemeinen, hat die JGU im Besonderen mittel- und langfristig überhaupt eine Zukunft?", so Krausch. "Oder müssen wir uns mit dem Gedanken vertraut machen, dass die für in fünf Jahren geplante Feier des 75. Geburtstags unserer Wiedereröffnung erste Zeichen des Verfalls zeitigen wird und dass die 100-Jahr-Feier im Jahr 2046 mangels Gegenstand ausfallen muss?"

Krausch schaut genauer hin: Was hat die Universität den digitalen Lehrangeboten voraus? "Eine Antwort auf die Frage findet man in der Lehrstrategie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, die der Senat im Jahr 2010 verabschiedet hat." Dort geht es um den Grundsatz der Einheit von Forschung und Lehre. "Die Studierenden begegnen in ihrem Studium Forscherinnen und Forschern, denn alle Lehrenden der Universität sind gleichzeitig auch in der Forschung aktiv." Der Schulterschluss von Lehre und Forschung ziehe sich durch das gesamte Studium, indem ein forschender Habitus vermittelt werde.

"Grundlage jeder guten Forschung ist die Bereitschaft, ja der Wunsch, Fragen zu stellen", konstatiert Krausch. "Neues findet man nur dann heraus, wenn man bereit ist, das Alte infrage zu stellen, zu bezweifeln, über Bord zu werfen." Das könne durchaus verunsichern. Deswegen stärke die Universität ihren Studierenden den Rücken. "Der forschende Habitus ist eine gute Voraussetzung dafür, als selbstständig denkender Mensch seine Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen. Hier geht universitäre Bildung weit über die schlichte Vermittlung fachlicher Kompetenzen hinaus – und sie geht weit über das hinaus, was durch digitale Angebote vermittelbar ist."

Einheit von Forschung und Lehre

Einblicke in das außerordentliche Angebot der JGU hat der Abend zu diesem Zeitpunkt bereits reichlich geboten. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz unterschiedlichen Bereichen haben ihre Forschung und Lehre vorgestellt. PD Dr. Özlem Türeci etwa erläutert die Arbeit des Clusters für individualisierte Immunintervention (Ci3) an der Universitätsmedizin Mainz. Die Mainzer Medizinerinnen und Mediziner entwickeln hier Krebsimpfungen, die auf jeden Patienten individuell zugeschnitten sind, genau wie jede Krebserkrankung individuell verschieden ist. Ihr Ziel ist es, eine solche Therapie möglichst schnell in die klinische Praxis zu bringen – und die Mainzer Wissenschaftler sind diesem Ziel näher als ihre Kollegen weltweit.

Aus dem Fachbereich Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft (FTSK) der JGU am Standort Germersheim berichtet Prof. Dr. Dörte Andres über die Geschichte, die Kunst und die Anstrengungen des Dolmetschens – und die Herausbildung eines Berufsstandes und eines Ausbildungskonzepts, das in Germersheim entscheidend mitgeprägt wurde. Vor dem Hintergrund der Nürnberger Prozesse skizziert sie die rasante Entwicklung des Dolmetschens, die sich in den hohen Studienstandards am FTSK widerspiegelt.

Gleich mit einer ganzen Riege an Professorinnen und Professoren wartet das Exzellenzcluster "Precision Physics, Fundamental Interactions and Structure of Matter" (PRISMA) auf, an dem zu den aktuellsten Fragen der modernen Physik geforscht wird. "Gemeinsam arbeiten wir daran, die Geheimnisse des Universums zu ergründen", so Prof. Dr. Matthias Neubert und Prof. Dr. Hartmut Wittig, die beiden Sprecher von PRISMA." Diese Reise führt zurück bis zum Urknall, zum Anfang des Universums.

Zum feierlichen Abschluss präsentiert noch einmal das Collegium musicum sein meisterhaftes Können. Der UniChor und das UniOrchester stimmten das Te Deum in C-Dur (WAB 45) von Anton Bruckner an und realisieren die von Prof. Felix Koch versprochene Explosion der Musik. So setzen 260 Stimmen der JGU ein gewaltiges Ausrufezeichen hinter den Akademischen Festakt zu 70 Jahren Wiedereröffnung der Universität.