Eine Zeltstadt zeigt Forschung

14. September 2014

Beim 13. Wissenschaftsmarkt auf dem Gutenbergplatz in der Mainzer Innenstadt stellten sich Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Museen und Unternehmen vor. Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler präsentierten in der Zeltstadt vor dem Staatstheater verschiedenste Projekte und lockten mit Publikumsaktionen. Die Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) war diesmal vor allem mit ihrem reichen Schatz an Sammlungen vertreten.

Malte mischt ein Parfüm. Der Siebenjährige rümpft die Nase über einem Napf mit Zitronengrasöl. "Das riecht aber doll", meint er. Soll das wirklich ein Parfüm werden?

"Das Rezept ist von Plinius dem Älteren überliefert", erzählt Sabrina Dörr vom Institut für Altertumswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und zeigt einen Zettel mit allerlei Zutaten: Samen von Bockshornklee, getrocknete Blütenköpfe von Echtem Steinklee, Honig – und natürlich das aromatische Zitronengrasöl.

Caesars Lieblingsparfüm

"Für den Stand hier auf dem Wissenschaftsmarkt haben wir das Rezept vereinfacht." Eigentlich muss das Gebräu auf der Basis von Olivenöl drei Tage lang bei 40 Grad Celsius ziehen. Das wäre reichlich umständlich. Malte hat seine Mischung in wenigen Minuten fertig. Er nimmt sie in einem kleinen Reagenzglas mit nach Hause. "Julius Caesar soll das Parfüm sehr gemocht haben", berichtet Dörr noch. Aber da ist Malte längst am nächsten Stand. Es gibt so viel zu erleben.

Zum 13. Mal hat die MAINZER WISSENSCHAFTSALLIANZ zum Wissenschaftsmarkt auf den Gutenbergplatz im Stadtzentrum eingeladen. Ein Wochenende lang können Besucherinnen und Besucher in der extra aufgebauten Zeltstadt vor dem Staatstheater Forschung live und hautnah erleben. Die JGU ist in allen Zelten vertreten. Unter anderem informiert das Exzellenzcluster PRISMA über Neutrinos, die Universitätsmedizin hat ein begehbares Herz mitgebracht und der Botanische Garten zeigt die Sortenvielfalt von Nutzpflanzen. Im Mittelpunkt aber stehen diesmal Projekte des neu gegründeten Instituts für Altertumswissenschaften und mehr noch die verschiedenen Sammlungen der Universität.

"Von Schätzen und Wunderkammern" wollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der JGU berichten. Einige dieser Schätze zeigen sie vorsichtshalber nicht in den Zelten, sondern in den sicheren Mauern des alten Mainzer Universitätsgebäudes schräg hinter dem Theater. Ab dem frühen 17. Jahrhundert wurde hier studiert, lange bevor die Mainzer Universität nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Campus oberhalb der Innenstadt zog.

Afrikanische Kannen

In einem Bibliotheksraum stehen vor dicken Büchern 21 Objekte aus den 21 Sammlungen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Dr. Patrick Schollmeyer und Prof. Dr. Kirsten Grimm führen durch die kleine Schau. Was sofort ins Auge fällt, sind die bunten Plastikwasserkannen aus der Ethnografischen Studiensammlung. "Solche Kannen können Sie auf vielen afrikanischen Märkten erwerben", erzählt Schollmeyer. "Sie sind weder besonders wertvoll noch besonders selten." Das Besondere ist ihre Form. "Die beiden hier sehen wie englische Teapots aus. Sie stammen aus Teilen Afrikas mit mehr oder weniger glücklicher britischer Kolonialgeschichte." Zwei weitere Kannen kommen entschieden schlanker daher. Sie sind arabischen Metallkannen nachempfunden, weisen also auf den Einfluss des arabischen Kulturkreises hin.

Die Kannen machen klar: "Es geht den Mainzer Universitätssammlungen weniger darum, in Konkurrenz mit Museen wertvolle Stücke zu zeigen. Unsere Sammlungen werden in der Lehre genutzt." Und da sind die Kannen genau richtig.

Grimm zeigt den kiloschweren Backenzahn eines Mammutbabys. "Vor etwa 150.000 Jahren gab es eine Kältesteppe hier im Rhein-Main-Gebiet." Auch die Mammuts waren dort heimisch. "Wir können den Zahnschmelz mit Isotopen untersuchen und feststellen, was Mammuts fraßen und wie die Wanderungsbewegungen der Tiere aussahen." Jeweils drei Backenzähne hatte so ein Mammut auf jeder Seite. Nutzte sich einer ab, schob sich der nächste nach vorn. Waren alle drei runtergekaut, war Schluss mit dem großen Fressen.

Magische Inschriften

Von der Alten Universität geht es zurück in die Zeltstadt vor dem Staatstheater. Das Lyriklabor, entstanden aus einer Kooperation der Hochschule Mainz und der JGU, zeigt seine kreative Visualisierung der 154 überlieferten Shakespeare-Sonette. "Shakespeare by Numbers" hieß die Ausstellung dazu, die in der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz zu sehen war. Jedes Gedicht bekam einen kleinen Schaukasten. So ist eine eiförmige Küchenuhr in einem Rahmen zu sehen, dahinter versteckt sich das Gedicht: "When I do count the clock that tells the time ..."

"... SOCIETATIS MOGONTIA CVM 05 VINCERE POS" – ein Täfelchen im römischen Stil wünscht der Mannschaft des 1. FSV Mainz 05 den Sieg. Solche Täfelchen und Gemmen mit ähnlichen Aufschriften können Besucherinnen und Besucher am Stand "Officia Magica – Magische Werkstatt" aus Knetmasse formen. Michaela Hellmich vom Institut für Altertumswissenschaften leitet kleine und große Künstler gleichermaßen an, ihren Namen in griechischen Buchstaben aufzuschreiben oder einen Wunsch zu verewigen. "Dieses Bedürfnis ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit", meint sie. Offensichtlich hat sich dieses Bedürfnis bis heute gehalten.

Vor dem runden WiMa-Lab-Zelt machen sich derweil junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum Science Slam bereit. Den ganzen Tag über gibt es im WiMa-Lab Kurzvorträge zu hören, nun aber wird es besonders kurz: Je zehn Minuten haben die Slammer Zeit, ihr Forschungsgebiet zu präsentieren, und das möglichst unterhaltsam.

Die Legende vom Pinsel

Dr. Sabine Hornung stellt ihre Entdeckung eines Römerlagers aus Julius Caesars Zeiten bei Hermeskeil auf ganz eigene Weise dar. "Denkt an Indiana Jones, an versunkene Städte, an Goldschätze." Sie hält einen Pinsel hoch, angeblich das wichtigste Werkzeug jedes Archäologen. "Pinsel? Unfug! Habt ihr schon mal versucht eine römische Stadt freizupinseln? Wir sind eher grobmotorisch unterwegs. Wir benutzen die Kelle."

Beim Slam geht es darum, mit Spaß und Freude Neugier auf Wissenschaft zu wecken. Sechs Slammerinnen und Slammer sind angetreten. Sie erzählen von Weltuntergängen und römischen Schiffen, von der vermeintlichen Göttlichkeit ägyptischer Katzen und von mesopotamischen Menschenschöpfungen.

Der Andrang ist groß, das kleine Zelt ist schnell gefüllt. Gut eine Stunde dauert der Slam. Das allerdings hält nicht jeder aus, auch wenn die Vorträge es in sich haben. Denn drumherum gibt es noch so viel zu erleben. Wie wäre es, einen Zeichentrickfilm zu drehen, im NaT-Lab der JGU zu experimentieren oder eine Luftpost ins World Wide Web zu schicken? Der 13. Wissenschaftsmarkt ist in vollem Gange.

Zur Eröffnung des Wissenschaftsmarkts 2014 hallten die historisch überlieferten Worte Galileo Galileis 'Denken ist eines der größten Vergnügen des Menschen!' vom Balkon des Staatstheaters über den Gutenbergplatz. (Foto: Peter Pulkowski)(v.l.) Oberbürgermeister Michael Ebling, Prof. Dr. Babette Simon von der Universitätsmedizin Mainz, Wissenschaftsministerin Doris Ahnen und JGU-Präsident Univ.-Prof. Dr. Georg Krausch am Stand von Boehringer Ingelheim (Foto: Peter Pulkowski)Natürlich ist auch das Exzellenzcluster PRISMA der Johannes Gutenberg-Universität Mainz auf dem Wissenschaftsmarkt vertreten und präsentiert aktuelle Forschung rund um Neutrinos und Atome. (Foto: Stefan F. Sämmer)(v.l.) JGU-Präsident Univ.-Prof. Dr. Georg Krausch, Oberbürgermeister Michael Ebling, Wissenschaftsministerin Doris Ahnen und Prof. Dr. Babette Simon, Vorstandsvorsitzende der Universitätsmedizin Mainz, am Stand von PRISMA (Foto: Peter Pulkowski)Ein Themenschwerpunkt des Exzellenzclusters PRISMA sind Neutrinos und der Vorgang der Neutrinooszillation, bei dem sich Neutrinos eines Typs in einen anderen umwandeln. (Foto: Stefan F. Sämmer)Interessierte Besucherinnen und Besucher konnten sich am Stand des Exzellenzclusters PRISMA auch über das Standardmodell der Elementarteilchenphysik und die Suche nach 'neuer Physik' informieren. (Foto: Stefan F. Sämmer)Die Exzellenz-Graduiertenschule 'Materials Science in Mainz' präsentierte verblüffende Anwendungen aus der Welt moderner und innovativer Materialien. (Foto: Stefan F. Sämmer)Das auf dem Wissenschaftsmarkt vorgestellte neue Forschungszentrum Translationale Medizin der JGU bündelt die bisherigen Forschungsschwerpunkte Translationale Neurowissenschaften, Immuntherapie und Vaskuläre Biologie, (Foto: Peter Pulkowski)PD Dr. Oliver Tüscher (l.) präsentiert Prof. Dr. Babette Simon, Vorstandsvorsitzende der Universitätsmedizin, und JGU-Präsident Univ.-Prof. Dr. Georg Krausch in der Forschung des Neuroimaging Center Mainz eingesetzte Computertests. (Foto: Peter Pulkowski)Prof. Dr. Babette Simon, Vorstandsvorsitzende und Medizinischer Vorstand der Universitätsmedizin Mainz, im begehbaren Herzmodell. (Foto: Peter Pulkowski)Das Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsmedizin Mainz bot an seinem Stand Erläuterungen und Übungen zur Reanimation an speziellen Puppen. (Foto: Peter Pulkowski)Am Stand des an der JGU angesiedelten Naturstoffzentrums Rheinland-Pfalz konnten die Wissenschaftsmarktbesucher Geruchsproben von Naturstoffen nehmen und einen Naturstoff aus einem Kastanienzweig oder Waldmeister extrahieren. (Foto: Stefan F. Sämmer)Das NaT-Lab für Schülerinnen und Schüler begeisterte mit diversen Experimentierstationen. (Foto: Stefan F. Sämmer)Beim NaT-Lab für Schülerinnen und Schüler ging es unter anderem um die Frage, was Nanoteilchen in der Sonnencreme bewirken und ob man sauer immer schmecken kann. (Foto: Stefan F. Sämmer)Der Botanische Garten der JGU war mit dem Thema 'Sortenvielfalt' vertreten und stellte in vielen Mitmachangeboten die Bedeutung der Sortenvielfalt für die Züchtungsforschung und eine nachhaltige Landwirtschaft heraus. (Foto: Stefan F. Sämmer)Am Stand des Instituts für Altertumswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz erklärte Sabrina Dörr (l.) eine Parfümmixtur nach einem Rezept von Plinius dem Älteren. (Foto: Stefan F. Sämmer)Erstmals präsentierte die Johannes Gutenberg-Universität Mainz ihre Universitätssammlungen auf dem Wissenschaftsmarkt, darunter Muscheln aus der Geowissenschaftlichen Sammlung. (Foto: Stefan F. Sämmer)Auch das Institut für Buchwissenschaft der JGU war natürlich wieder auf dem Wissenschaftsmarkt vertreten und hat das Wichtigste im Marktblatt festgehalten. (Foto: Stefan F. Sämmer)Am Stand der AG Medienpädagogik des Instituts für Erziehungswissenschaft der JGU konnten sich technikinteressierte Wissenschaftsmarktbesucher in der Gestaltung mit digitalen Medien versuchen. (Foto: Stefan F. Sämmer)Das NaT-Lab für Schülerinnen und Schüler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz bot auch in diesem Jahr wieder eine Vielzahl spannender Show- und Mitmachexperimente zu aktuellen Alltagsphänomenen an. (Foto: Stefan F. Sämmer)Die Johannes Gutenberg-Universität Mainz verfügt über etwa 30 Sammlungen aus unterschiedlichen Fächerkontexten, die der Unterstützung von Forschung und Lehre dienen. (Foto: Stefan F. Sämmer)Im Rahmen des Mainzer Wissenschaftsmarkts präsentierte Dr. Patrick Schollmeyer beispielsweise ganz unterschiedliche Plastikwasserkannen aus der Ethnografischen Studiensammlung. (Foto: Stefan F. Sämmer)Prof. Dr. Kirsten Grimm zeigte den Wissenschaftsmarktbesuchern einen kiloschweren Backzahn eines Mammutbabys. (Foto: Stefan F. Sämmer)Insgesamt stellt die Johannes Gutenberg-Universität Mainz 21 Einzelobjekte aus ihren Universitätssammlungen im Rahmen des Mainzer Wissenschaftsmarkts 2014 vor. (Foto: Stefan F. Sämmer)