Entdeckungsreise in die Welt der Bücher

8. April 2025

Zur ersten bundesweiten "Nacht der Bibliotheken" hat die Universitätsbibliothek Mainz (UB) eine ganze Reihe von Veranstaltungen angeboten, die von den Tiefen ihres Archivs bis hinauf in den Bücherturm führten. Unter dem Motto "Wissen. Teilen. Entdecken" standen nicht nur Bücher, sondern auch Brettspiele und Boogie auf dem Programm. Es gab viel zu entdecken in und zwischen den Regalen, darunter die Lieblingsbücher des Bibliothekspersonals, die Musik Afrikas und eine kleine Leiche im Dunkel des Kellers.

Das Licht einer Taschenlampe huscht über Heizungsrohre und Pappkartons voller Dokumente hinüber zu einem Tisch, auf dem einige außergewöhnliche Exponate warten. "Hier im Archiv heben wir alles auf, was irgendwie mit der Geschichte unserer Universität zu tun hat", erklärt Katrin Kober. Darunter finden sich auch die Nachlässe von Personen, die auf verschiedenste Weise mit der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) verbunden waren. So wanderte die Korrespondenz eines Dozenten in den Keller der Universitätsbibliothek Mainz und liegt nun ausgebreitet auf diesem Tisch.

"Der Professor hatte einen Vortrag über Vampire und Vampirismus gehalten", so Kober. "Eine Zuhörerin war so fasziniert, dass sie ihm schrieb." Als die Sekretärin des Dozenten diese Post öffnete, purzelte ihr etwas Ungewöhnliches entgegen. "Sie fand eine mumifizierte Fledermaus, die die Frau mit in den Brief gesteckt hatte, wohl als stimmungsvolle Beigabe." Gewissenhaft bettete die Sekretärin das kleine Tier in einen Plastikbeutel um – und bei der diesjährigen "Nacht der Bibliotheken" dient es als eines der schrägsten Schaustücke bei Kobers Taschenlampenführung durchs Universitätsarchiv. "Hoffentlich wurde die kleine Fledermaus nicht extra umgebracht", flüstert besorgt eine junge Besucherin.


Das Archiv für die Musik Afrikas, kurz AMA, öffnete zur Nacht der Bibliotheken 2025 seine Türen. (Foto: Peter Pulkowski)
Das Archiv für die Musik Afrikas, kurz AMA, öffnete zur Nacht der Bibliotheken 2025 seine Türen. (Foto: Peter Pulkowski)

Bücher, Boogie und Brettspiele

Das Programm zur "Nacht der Bibliotheken" kam sehr unbürokratisch zustande. "Alles lief auf freiwilliger Basis", erzählt Claudia Bauer, stellvertretende Leiterin der Benutzungsdienste der UB. "Wir haben eine Gruppe gebildet und einfach gefragt: Wer will was machen? Dabei ist dann erstaunlich viel zusammengekommen." Neben Kobers Taschenlampenführung gab es Boogie-Paartanz in der Lounge vor dem Archiv für die Musik Afrikas (AMA), durch dessen einzigartige Sammlung ebenfalls eine Führung anstand. Die USA-Bibliothek, mit rund 80.000 Büchern eine der großen Spezialbibliotheken zum Thema USA in Deutschland, stellte sich auf einem Rundgang vor, das Landesportal "Kreuz Rad Löwe – Kulturerbe Rheinland-Pfalz" war mit einem Stand vertreten, und wer entspannen wollte, konnte das bei der Game Night mit Wissens- und Brettspielen, darunter das eigens entwickelte Würfel-Wettrennen "Bib-Stopp" durch die Bibliotheken auf dem Gutenberg-Campus.


Bei der Game Night standen verschiedene Wissens- und Brettspiele zur Auswahl. (Foto: Peter Pulkowski)
Bei der Game Night standen verschiedene Wissens- und Brettspiele zur Auswahl. (Foto: Peter Pulkowski)

Lieblingsliteratur

Sabrina Gerke arbeitet noch nicht allzu lange an der UB. "Ich dachte mir, es wäre ganz schön zu erfahren, was die Kolleginnen und Kollegen so lesen", sagt sie. "Das kann ja auch mal was anderes sein als immer nur wissenschaftliche Werke." So entstand die kleine Ausstellung "Lieblingsliteratur": Neben den einzelnen Büchern fanden sich kurze Empfehlungen, die erläutern, was diese Bände aus der Sicht ihrer Leser*innen so bemerkenswert macht. Gerke begnügt sich damit, die Vornamen der Empfehlungsgeber*innen zu nennen, das verleiht dem Projekt eine zusätzliche persönliche Note.

Zum Jugendbuchklassiker "Momo" etwa schreibt Delfine: "Für jeden, der wieder etwas Ruhe und Besonnenheit in seinem Leben braucht." Jan-Erik hat sich Howard P. Lovecrafts Geistergeschichten um Cthulhu ausgesucht: "Der Mensch findet seine Begrenztheit im urtümlichen, paganen und kosmischen Bösen, wogegen das rationale Denken nicht ankommen kann." Cedric wiederum wirbt für den "Atlas der imaginären Orte": "Wenn jemand wissen will, wo denn Entenhausen liegt oder das Gallische Dorf oder Hogwarts oder die Southfork-Ranch … im 'Atlas der imaginären Orte' kann man alles nachschauen."


Schöne Idee: Die Besucher*innen der "Nacht der Bibliotheken" konnten in der UB auch in der Lieblingsliteratur von Mitarbeitenden stöbern. (Foto: Peter Pulkowski)
Schöne Idee: Die Besucher*innen der "Nacht der Bibliotheken" konnten in der UB auch in der Lieblingsliteratur von Mitarbeitenden stöbern. (Foto: Peter Pulkowski)

"Es haben viel mehr Kolleginnen und Kollegen mitgemacht als ich dachte", so Gerke. "Das freut mich sehr. Wir wollen zeigen, dass wir nicht im sprichwörtlichen Elfenbeinturm sitzen. Mit dieser 'Nacht der Bibliotheken' können wir den Menschen außerdem nahebringen, wie spannend die UB sein kann."

Bibliothek für Frankreichforschung

Grundsätzlich sind die unteren drei Etagen des zehnstöckigen Bücherturms der UB für die Öffentlichkeit zugänglich. Bei der "Nacht der Bibliotheken" führt Karen Stuckert darüber hinaus. Sie leitet die Bibliothek für Frankreichforschung, eine Sammlung, die seit 1991 besteht und heute vor allem den vierten Stock des Bücherturms füllt.

Vor den Regalen, die zahlreiche Werke zu einzelnen Regionen des Landes enthalten, lässt sie kurz die besonderen Beziehungen, die Frankreich und die JGU verbinden, Revue passieren: "Es waren die Franzosen, die 1792 die alte Mainzer Universität auflösten – und es waren die Franzosen, die sie 1946 wieder eröffneten." Einen Altbestand an Büchern gab es nicht mehr, doch Frankreich trug viel zum Aufbau einer neuen Bibliothek bei. In der Folge blieben die Verbindungen zwischen Land und Universität eng. Unter anderem entstanden ab 1991 in Kooperation mit der Partneruniversität Dijon integrierte binationale Studiengänge. Stuckert belegte einen davon. "Es war großartig, was dort an Vielfalt geboten wurde."

Parallel dazu wurde die Sammlung angelegt. "Es handelt sich um eine herausragende Forschungsbibliothek mit über 200 laufenden Zeitschriften und insgesamt rund 100.000 Medien." Ursprünglich lag der Schwerpunkt auf den französischen Regionen. "Im Jahr 2013 haben wir dann den Fokus erweitert. Er richtet sich jetzt nicht mehr nur auf Frankreich, sondern auf den gesamten frankophonen Bereich." Zwar ist die Bibliothek für Frankreichforschung nicht öffentlich zugänglich, ausleihbar oder digital abrufbar ist ihr Bestand jedoch weiterhin, betont Stuckert.

Taschenlampenführung

Vor dem Zugang zum Keller des Universitätsarchivs wartet eine weitere Besuchergruppe – und zwar auf die angekündigte Taschenlampenführung. "Mit so viel Andrang hatte ich gar nicht gerechnet", meint Kober, bevor es hinuntergeht in die Dunkelheit. "Rund 1,2 Regalkilometer haben wir hier", erzählt die Geschichtsstudentin, die seit einigen Jahren im Uniarchiv arbeitet. "Unsere Aufgabe ist es, all diese Unterlagen und Objekte zu erschließen. Die meisten Dokumente sind Unikate." Sie lagern in säurefreien Kartons, Heftklammern oder Ähnliches wurde sorgfältig entfernt.


UB-Mitarbeiterin Katrin Kober zeigte bei ihrer Taschenlampenführung ungewöhnliche Exponate des Universitätsarchivs der JGU. (Foto: Peter Pulkowski)
UB-Mitarbeiterin Katrin Kober zeigte bei ihrer Taschenlampenführung ungewöhnliche Exponate des Universitätsarchivs der JGU. (Foto: Peter Pulkowski)

Nur die Rolle Toilettenpapier, die Kober ins Licht der Taschenlampen hält, wird in einem Plastikeimer verwahrt. "Warum heben wir so etwas auf?", fragt sie – und gibt sogleich die Antwort: "Die Rolle kam von Hans Klenk, der im Zweiten Weltkrieg die Flakkaserne kommandierte, auf deren Gebiet 1946 die JGU wieder eröffnet wurde." Klenk gründete eine von Deutschlands ersten Fabriken für Toilettenpapier. Der Unternehmer tat sich vielfach als Mäzen hervor, auch für die JGU, der er unter anderem den Brunnen im Forum universitatis stiftete – und reichlich Toilettenpapier. "Solche Spenden haben geholfen, die Universität in den Nachkriegsjahren aus den Trümmern der Stadt Mainz zu heben."

Text: Gerd Blase