Fächerübergreifender Studiengang überzeugt mit vielfältiger Forschung

8. Mai 2024

Der Master Kinder- und Jugendliteratur-/Buchwissenschaft war der erste bilaterale Studiengang zwischen Mainz und Frankfurt, der im Zuge der strategischen Allianz der Rhein-Main-Universitäten (RMU) auf den Weg gebracht wurde. Prof. Dr. Ute Dettmar vom Institut für Jugendbuchforschung der Goethe-Universität Frankfurt und Dr. Anke Vogel vom Arbeitsbereich Buchwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) riefen dieses fächer- und hochschulübergreifende Angebot ins Leben.

"Die Kinder- und Jugendbuchliteratur hat sich längst zu einem veritablen Forschungsfeld entwickelt", meint Dr. Anke Vogel. Dies gelte nicht nur allgemein, sondern auch für sie ganz persönlich. "Ich habe zuerst eine Ausbildung als Buchhändlerin gemacht und mich damals schon gern mit Kinderbüchern beschäftigt." An der JGU intensivierte sich das noch: Heute lehrt und forscht Vogel im Arbeitsbereich Buchwissenschaft am Gutenberg-Institut für Weltliteratur und schriftorientierte Medien. Eines ihrer aktuellsten Themen ist der Kinderbuchautor Ottfried Preußler. Und mit dem Pixi-Buch, das dieses Jahr 70 Jahre alt wird, beschäftigt sie sich gemeinsam mit ihrer Kollegin Prof. Dr. Corinna Norrick-Rühl in einem eigenen Projekt.

2015, just in dem Jahr, als die Goethe-Universität Frankfurt, die Technische Universität Darmstadt und die JGU sich zur strategischen Allianz der Rhein-Main-Universitäten (RMU) zusammenschlossen, kam Prof. Dr. Ute Dettmar nach Frankfurt. Seitdem leitet sie dort das Institut für Jugendbuchforschung, Kinder- und Jugendbuchliteraturwissenschaft ist ihr Fachgebiet. "Ich bin zu ihr gefahren, um einfach mal hallo zu sagen", erinnert sich Vogel. "Wir verstanden uns sofort. Gemeinsam kam uns dann die Idee für einen fächerübergreifenden Studiengang zu Kinder- und Jugendliteratur. Wir stellten fest, dass wir uns gut ergänzen: Frankfurt steuert die literaturwissenschaftliche Expertise bei, wir in Mainz die buchwissenschaftliche."

Alles andere als Kinderkram

Die beiden entwickelten den Joint Degree Masterstudiengang Kinder- und Jugendliteratur/-Buchwissenschaft. "Im Wintersemester 2019/2020 konnten wir starten", so Vogel. "Damit gehörten wir tatsächlich zu einem der ersten Studiengänge, die im Zuge der RMU-Initiative entstanden."

 

Dr. Anke Vogel vom Arbeitsbereich Buchwissenschaft der JGU ist eine der beiden Initiatorinnen des fächer- und hochschulübergreifenden Masters Kinder- und Jugendliteratur-/Buchwissenschaft. (Foto: Peter Pulkowski)
Dr. Anke Vogel vom Arbeitsbereich Buchwissenschaft der JGU ist eine der beiden Initiatorinnen des fächer- und hochschulübergreifenden Masters Kinder- und Jugendliteratur-/Buchwissenschaft. (Foto: Peter Pulkowski)

 

Vogel erzählt mit viel Elan von dem noch recht jungen Studiengang, von den vielgestaltigen Themen, die sich hier den Studierenden erschließen. Und wie nebenher streut sie immer mal wieder Details über Trends auf dem Kinder- und Jugendbuchmarkt ein. Sie ist ganz in ihrem Element. "Manche unterschätzen unser Fachgebiet. Sie nehmen an, dass es bei uns vielleicht nicht ganz so wissenschaftlich zugeht wir bei der 'erwachsenen' Literatur. Aber da täuschen sie sich gewaltig." Der dezidiert forschungsorientierte Masterstudiengang vertieft das in einem Bachelor Germanistik, einem Bachelor Buchwissenschaft oder einem vergleichbaren Studiengang gewonnene Wissen. Er verbindet die Arbeit an Texten mit der Forschung zu Verlagen, zu Veröffentlichungsformen und zur Rezeption. Es geht also nicht nur um Autor*innen und ihr Werk, Leser*innen und der Markt rund ums Buch stehen ebenso im Fokus.

"In diesem Jahr konnten wir direkt zum Studienstart eine Rallye und ein Bingo auf der Frankfurter Buchmesse anbieten", freut sich Vogel. "Die Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen im Börsenverein des Deutschen Buchhandels unterstützte uns dabei." Sie stellte Eintrittskarten zur Verfügung, und an den Verlagsständen durften die Teilnehmer*innen einiges an Büchern mitnehmen. "Vor allem aber konnten unsere Studierenden erste Kontakte knüpfen." Diesen Punkt betont Vogel noch einmal: "Es ist immer wieder die Rede davon, dass man Netzwerke knüpfen muss, um erfolgreich zu sein. Wir gaben dabei ganz praktisch Starthilfe: Die Studierenden lernten Verlagsvertreter*innen kennen und konnten sich erkundigen, welche Fachleute wo gebraucht werden. Die Buchbranche ist ein echtes Peoples Business, solche persönlichen Kontakte sind also das A und O." Der Börsenverein mit Sitz in Frankfurt ist grundsätzlich ein wichtiger und sehr engagierter Partner für Dettmar und Vogel. In dessen Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen sind wichtige Häuser wie Arena, Carlsen, Oetinger oder Ravensburger vertreten.

Gute Chancen für Absolvent*innen

"Wir wollen nicht einfach ins Blaue ausbilden, wir schauen genau, wie der Bedarf aussieht", erklärt Vogel. Absolvent*innen des neuen Masters kommen selbstverständlich nicht nur im Verlagswesen unter. Zu den potenziellen Arbeitgeber*innen gehören Kultureinrichtungen verschiedenster Couleur ebenso wie die Filmbranche, Bibliotheken, Sammlungen oder Agenturen. "Die Bandbreite ist groß, dennoch achten wir darauf, dass wir nicht über den Markt hinaus qualifizieren. Wir haben unsere Teilnehmer*innenzahl auf 20 begrenzt." Diese 20, so stellte sich beim ersten Abschlussjahrgang schnell heraus, haben sehr gute Chancen.

"Wer bei uns studieren will, muss erst mal eine Hürde nehmen", warnt Vogel. "Das haben wir sehr bewusst so arrangiert." Natürlich fließen bisherige Leistungen in die Beurteilung ein, doch zusätzlich erstellten Dettmar und Vogel eine Literaturliste, die für einen anschließenden Test durchzuarbeiten ist. "Wir haben es schließlich fast ausschließlich mit Bewerber*innen zu tun, die entweder in der Literaturwissenschaft oder der Buchwissenschaft zu Hause sind. Vom jeweils anderen Feld haben sie wenig Ahnung. Das wollen wir ein wenig ändern."

 

"Die Kinder- und Jugendbuchliteratur hat sich längst zu einem veritablen Forschungsfeld entwickelt", freut sich Dr. Anke Vogel. (Foto: Peter Pulkowski)
"Die Kinder- und Jugendbuchliteratur hat sich längst zu einem veritablen Forschungsfeld entwickelt", freut sich Dr. Anke Vogel. (Foto: Peter Pulkowski)

 

Die Kluft zwischen den beiden Fächern kann zur Herausforderung werden, eher aber bringt sie Gewinn. "Seit wir unseren Master anbieten, habe ich unheimlich viel gelernt", sagt Vogel. "Zu Beginn und im vierten Semester, also gegen Ende, biete ich mit einer Frankfurter Kollegin Übungen an, die wie eine Klammer das Studium umschließen. Wir sind dabei im Laufe der Zeit immer enger zusammengekommen. Mittlerweile halten wir die beiden Angebote in einem echten Team-Teaching ab. Ich bekomme einen tiefen Einblick in die literaturwissenschaftliche Arbeit und kann zugleich mit meinem Fachwissen aushelfen. Es kommt zum Beispiel immer mal wieder vor, dass Studierende in unseren Übungen grübeln, warum Autor*innen diese oder jene Form gewählt haben – und manchmal liegt die Antwort aus meiner buchwissenschaftlichen Sicht auf der Hand: Der Verlag hat es so gewollt. Solche Zwänge aber haben Literaturwissenschaftler*innen oft nicht auf dem Schirm." Ottfried Preußler etwa wurde von seinem Verleger ausdrücklich gebeten, beim Kinderbuch zu bleiben. Das hatte Folgen.

Pionierarbeit in der Forschung

Mittlerweile liegt ein ganzer Schwung an Masterarbeiten zu Kinder- und Jugendliteratur/-Buchwissenschaft vor. "Die Vielfalt ist beeindruckend", stellt Vogel fest. "Eine Absolventin hat zum Beispiel im Bereich Medienbegleitbücher echte Pionierarbeit geleistet: Sie untersuchte, wie Figuren aus Film und Fernsehen in Heften oder Büchern auftreten, wie die Geschichten dort erzählt werden. Solche Veröffentlichungen werden oft als Nebenprodukte belächelt, aber sie wies nach, dass sie für den Leseeinstieg eine wichtige Rolle spielen können." Medienübergreifende Fragen sind beliebt, daneben interessieren sich die Studierenden sehr für Themen rund um Gender und Klassenzugehörigkeit. "Auch zur Leseförderung haben wir einiges – und zur Frage, wie sich Autor*innen selbst inszenieren."

Dettmar und Vogel blicken auf vier erfolgreiche Jahre zurück: "Immer gab es reichlich Bewerber*innen, immer kamen unsere Absolvent*innen gut unter", resümiert Vogel. Zum kommenden Wintersemester wird wieder ein Jahrgang starten, Bewerbungen sind bis Ende Juni möglich. Bevor es jedoch so weit ist, bieten beide Universitäten im August erstmals eine "Children's Media Summer School" an. "Damit wollen wir die Anbindung unseres Studiengangs an das Internationale Erasmus-Mundus-Master-Programm einleiten, das sich dezidiert an Bewerber*innen aus aller Welt wendet." Wie der Studiengang selbst bietet auch die Summer School neben Fachvorträgen und Workshops eine Reihe von Exkursionen mit einem tiefen Einblick in die Branche und Kontakt mit den Kreativen: Unter anderem ist die Illustratorin Pei-Yu Chang eingeladen.

"Was den Umsatz angeht, steht das Kinder- und Jugendbuch nach der Belletristik auf Platz zwei, und das mit weitem Abstand zu allen folgenden Bereichen", konstatiert Vogel. Diese Literatur ist ein wichtiges, ein bedeutendes Forschungsfeld, daran lässt sie keinen Zweifel. Dafür steht nicht zuletzt der Erfolg des Masterstudiengangs Kinder- und Jugendliteratur-/Buchwissenschaft der RMU-Allianz.

Text: Gerd Blase